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Spiele, die ich vermisse #65: Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt

Neue Location, neues Glück: Wenn ihr diesen Blogeintrag lest, wisst ihr, dass ich mein Versprechen gehalten habe und meine Serie an neuem Ort fortsetzen werde. Dass ich das nicht als Reboot sehe, seht ihr auch daran, dass nicht nur dieser neue Eintrag, sondern auch alle anderen den Weg auf die neue Plattform gefunden haben. Bleibt nur noch die Frage: Was denn heute vermissen? Ganz ehrlich: Die letzte Woche war mit den letzten Zügen des Verlags verbunden- das ist nicht gerade inspirierend. Klar, man könnte jetzt über Spiele mit zu viel Bürokratie oder knallharte Wirtschaftssimulationen reden (ich glaube, es war Oldtimer, bei dem „Spiel beenden“ per Pistole in der Schublade des Schreibtisches ausgelöst wurde und das Spiel mit einem Knall endete), aber ich habe mich dann doch für eine andere Schiene entschieden und schwelge einmal mehr in Erinnerungen. Wisst ihr, was der erste Artikel war, den ich für Gamers geschrieben habe? Der Titel hieß Tiberium und hätte ein Shooter im C&C-Universum werden sollen. Gemeinsam mit der Tatsache, dass dieses Spiel ebenso eingestellt wurde wie das kommende Free2Play-Strategiespiel, Grund genug, mich an den Urvater der Serie zurückzuerinnern – an Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt. C&C wurde von Westwood entwickelt, die schon zuvor mit Dune II das Echtzeitstrategiegenre salonfähig gemacht hatten. Dennoch gelang Command & Conquer etwas, das Dune II nicht schaffte – es wurde zum Must-Have, zu einem Blockbuster, zu einem Pflichtkauf, den jeder zumindest angespielt haben musste. Wie so oft lag das nicht unbedingt an spielerischem Qualitäten (auch wenn diese durchaus vorhanden waren), sondern eher an einer toll gemachten Präsentation, die die Story vorantrieb und die einzelnen Missionen verband. cc3 Command & Conquer spielte in einer alternativen Zeitlinie, in der 1995 (also in dem Jahr, in dem das Spiel auch erschien) nach einem Meteoriteneinschlag in der Nähe des Tibers ein mysteriöses Mineral auf der Erde auftaucht: Tiberium. Die Substanz ist hochgradig toxisch, aber auch sehr wertvoll – und wie man mit ihr umgehen soll, spaltet die Welt in zwei Parteien. Auf der einen Seite die GDI, eine multinationale Streitmacht der UNO, auf der anderen Seite die Bruderschaft von NOD, eine terroristische Sekte, deren Ursprünge ebenso mysteriös sind wie die Geschichte ihres charismatischen Anführers Kane. Im Kampf um das Tiberium und die Kontrolle der Welt prallen die beiden Parteien bald gnadenlos aufeinander. Das gipfelt in zwei Kampagnen, die den Spieler entweder in Europa (GDI) oder Afrika (NOD) kämpfen lassen. Anders als bei dem später erschienenen StarCraft, wo die drei Kampagnen chronologisch aufeinander aufbauten, sind die beiden Handlungsstränge aus C&C scheinbar unabhängig – ob beide zum Kanon gehören, ist bis heute umstritten. Fest steht nur, dass die GDI-Kampagne, bei der (Achtung, SPOILER!) Kane am Ende im Tempel in Sarajevo mit einem Ionenkanonenabschuss sein (scheinbares) Ende findet, (SPOILER ENDE) in den folgenden Teilen aufgegriffen wird und damit zur Spielgeschichte gehört. Ob die NOD-Story eine alternative Geschichte darstellt oder hingegen gleichzeitig stattfindet, wird auch heute noch von den Fans diskutiert. Fakt ist, dass in den Kampagnen nicht auf die Ereignisse auf dem anderen Kontinent eingegangen wird. So oder so: Erzählt wurden diese Geschichten in jeder Menge Videosequenzen, die zum Teil nur Rendervideos (vor allem im Intro bzw. Extro der einzelnen Missionen), aber vor allem in den Story-Teilen echte Schauspieler vor per Greenscreen eingefügten Computerhintergründen zeigten. „Echte“ Schauspieler muss man allerdings besonders in diesem Teil noch ein wenig eingrenzen. Der Großteil der Cast waren nämlich „nur“ Mitarbeiter von Westwood. Das trifft auch auf den einzigen Profi in der Cast zu: Joseph D. Kucan hatte eine Ausbildung zum Schauspieler absolviert, bevor er zu Westwood kam, sich dort um alle schauspielerischen Belange (zum Beispiel die Sprachaufnahmen) kümmerte und bei C&C nicht nur Regie führte, sondern auch in die Haut von Kane schlüpfte. shepard Es war diese Präsentation, die man in dieser Form noch nicht in einem Echtzeitstrategiespiel gesehen hatte, die Command & Conquer zu etwas Besonderem machte (auch wenn schon 1994 mit Wing Commander III jenes Spiel erschienen war, das aufwendig gedrehte Videos mit (in diesem Fall sogar professionellen) Schauspielern salonfähig gemacht hatte. Aber auch andere Bereiche waren richtiggehend durchdesigned: Sogar die Installationssequenz wartete mit Animationen und grafischen Spielereien auf, die das sonst biedere Setup zu einem kleinen Erlebnis machten. Leider gab es diese nur in der ursprünglichen DOS-Version. Die verbesserte Windows 95-Fassung (die immerhin SVGA-Auflösungen mitbrachte) kam nämlich nur mit einer handelsüblichen Windows-Installation daher. Jetzt habe ich schon viel gesagt, aber ich bin noch nicht auf das Spiel an sich eingegangen. Das Geschehen auf dem Schlachtfeld wurde von oben gezeigt, wo ihr mit Maus und Tastatur das Kommando über eure Einheiten übernehmen durftet. Wirft man einen genaueren Blick auf das Gameplay, entdeckt man, wie viele Ideen Westwood aus Dune II übernahm: Genau wie im Vorgänger galt es in den meisten (aber längst nicht allen) Missionen zunächst eine Basis aufzubauen (allerdings musste man dafür nun nicht mehr Betonplatten als Fundament bauen), Kraftwerke (statt Windfallen) sorgten für die nötige Energie, ohne die die Gebäude nicht funktionieren konnten, und statt Spice sammelten die Sammelfahrzeuge nun Tiberium ein und brachten sie in die Raffinerien, wo das gesammelte Material zu Geld gemacht wurde. Mit dem Geld konnten neue Gebäude errichtet oder Einheiten ausgebildet werden – schließlich ging es hier nicht darum, möglichst viel Kohle zu scheffeln, sondern einen Krieg zu gewinnen. cc4 Die größten Verbesserungen führte Westwood in Sachen Steuerung ein: Statt einem eher umständlichen Menü, das konkrete Befehle an die selektierte Einheit weitergab, reichte nun für die meisten Aufgaben die Maus und eine einzige Taste: Man wählt jenen Panzer, jenen Soldaten oder jenes Fluggerät, das ein Kommando bekommen soll, und klickt auf das Ziel. Ist es ein Gegner, verwandelt sich der Cursor in ein Angriffsicon, ist es ein leeres Feld, folgt der Marschbefehl. Mit der Tastatur konnten erweiterte Befehle gegeben werden – zum Beispiel Feuerbefehle auf leere Felder oder auch (und das war eine große Erleichterung gegenüber Dune II, wo man nur eine einzelne Einheit auf einmal kommandieren konnte) eine gewisse Gruppe an Einheiten auf einmal kommandieren und auch in Shortcut-Gruppen ablegen. Klar, heute holt das niemand hinter dem Ofen hervor, damals war das ein großer Wurf. Ähnliches muss man auch über das Gameplay an sich sagen: Klar, heutzutage würde man über zwei Seiten mit sehr ähnlichen Einheiten den Kopf schütteln (wirkliche Spezialeinheiten gibt es nämlich nur wenige – zum Beispiel die Mammutpanzer oder den Orca auf der GDI-Seite oder der Tarnpanzer Mantel des Schweigens oder der Flammenwerfer Fackel der Erleuchtung auf der NOD-Seite). Selbst wenn sich die Gebäude grafisch unterscheiden, bleibt oft ihre Funktion ähnlich – die Kaserne auf NOD-Seite heißt zwar Hand von NOD, macht aber genau dasselbe. Details veränderten zwar ein wenig die Ausrichtung der Seiten (die GDI war zum Beispiel mehr auf Frontangriffe und Luftangriffe ausgelegt), aber im Endeffekt gab es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Das half natürlich maßgeblich beim Balancing, verdeutlichte aber noch deutlicher das Schere/Stein/Papier-System des Spiels. Aber auch hier muss man sagen: Nach heutigen Maßstäben mag das veraltet wirken – damals, als das Genre jung war, war es frisch und neu. Gratisspiele-C-C-745x466-336c2f1de4fffe7a Jung bringt mich auch schon zu meinen persönlichen Erinnerungen: Ich habe mir Command & Conquer erst in der Windows 95-Fassung gekauft, aber schon zuvor gespielt. Mein späterer Nachbar (treue Leser wissen: der Typ mit der LAN-Leitung, die es aber damals noch nicht gab, weil wir damals noch nicht nebeneinander wohnten) legte sich das Spiel zu – und wir waren allesamt hin- und weg. Dass ich das Spiel damals schon zocken konnte, verdanke ich einer netten Eigenheit des Spiels: Jede Kampagne findet sich auf einer eigenen CD. So konnte er GDI spielen, während ich NOD zockte, danach wurde getauscht. Allerdings wurde meine Freude durch die technische Unzulänglichkeit meines Rechners getrübt (Leser des Kyrandia II-Blogs wissen: 486 SX 40, 4 MB RAM, 200 MB Festplatte): Er war mit den Videosequenzen heillos überfordert, was die eigentlich guten Cutscenes durch das Stottern der Hauptdarsteller ins Lächerliche zog (Zitat: „I..I…Ich bin S..S…Seth. E…Ei…Einfach n…n…nur S…S…Seth“). Damals störte mich das aber gar nicht so übermäßig – durchgespielt wurde der Titel nämlich trotzdem. Was mir übrigens erst später bewusst wurde: Natürlich war es die deutsche Version, die es da ins Laufwerk geschafft hatte – und diese wurde „natürlich“ geschnitten. Zwar sind die Schnitte nicht ganz so offensichtlich wie in Alarmstufe Rot (wo im Intro eine ganze Szene fehlt), aber dennoch wurde massiv in die Handlung eingegriffen. Statt Soldaten standen Cyborgs auf den Schlachtfeldern, statt Schreien waren Explosionen zu gehören und Soldaten hinterließen Öl- statt Blutflecken. Aber auch einige Videos wurden geschnitten – darunter jene Szene, in der Kane den Verräter Seth erschießt (Statik verhüllt diese Szene teilweise). Auch sonst wurde großzügig geschnitten und teilweise sogar Schauspieler aus Videos entfernt. Die Empörung war in den Spielerkreisen recht groß – ich muss aber ehrlich sagen, dass ich als „Unwissender“ kein Problem damit hatte (dennoch plante ich schon knapp nachdem ich davon erfuhr, dass der zweite Teil auf Englisch gekauft werden würde). maxresdefault Und damit komme ich auch schon zum Abschluss: Warum vermisse ich Command & Conquer? Weil es meine Liebe zum Echtzeitstrategiegenre begründete. Ich muss zwar offen zugeben, dass ich niemals gut in diesen Spielen war, aber die C&C-Serie habe ich über weite Strecken gespielt – und hätte mich hier der RTS-Virus nicht infiziert (Dune II alleine hätte das wohl nicht geschafft), hätte ich vielleicht auch WarCraft und StarCraft ausgelassen. Natürlich gibt es auch viele ikonische Momente, die sich eingebrannt haben – von kurzen Aussagen, die die Feuerbereitschaft von Atomsprengkopf bzw. Ionenkanone bekannt gaben, über das charakteristische Surren, wenn man sich einem Obelisken des Lichts näherte (ein NOD-Turm, der jede Einheit in seiner Nähe mit einem Energiestrahl beschädigte). Aber vor allem vermisse ich C&C, weil hier die Saga rund um das Tiberium ihren Anfang nahm. Egal, wie schlecht sie zuende erzählt wurde (Teil 4 war ja hochgradig enttäuschend) eröffnete sich hier eine geniale Geschichte mit einem interessanten Setting und dem hochgradig interessanten Kane. Eigentlich fehlte mir nur eines: Dass sich die Geschichte verzweigt, wenn man an einer Mission scheitert (dass ich das mal anders machen wollte, lest ihr im Blog zu Chaos on Earth). Und natürlich gibt es da noch etwas: Spannende Multiplayer-Gefechte … und die Erinnerungen an das Chaos, das man anrichten kann, wenn man mit einem Ingenieur einfach feindliche Gebäude übernimmt …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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