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Spiele, die ich vermisse #44: Kuru Kuru Kururin

Schon ist wieder Freitag und damit steht eine neue Ausgabe meines Blogs an. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mir diese Woche ein wenig schwer tat, mich zu einem Thema inspirieren zu lassen. Ich hatte es zwar mit allerhand Remakes zu tun, deren Vorbildern ich aber schon einen Eintrag gewidmet habe; die Xbox One-Enthüllung bot nun auch nicht gerade viel Material – und ich will nicht auch noch in den Chor jener einfallen, die über die guten, alten, aber vergangenen Konsolenzeiten jammern. Aber genau das war dann im Endeffekt mein Lösungsansatz: Was mir persönlich fehlt, um mir die Xbox One (oder auch die PS4) zu verkaufen, ist die Software. Spiele, die es mir unausweichlich machten, die entsprechende Konsole zu kaufen – das klingt doch nach einem guten „vermissens“-Thema! Gut, über ein paar dieser Titel habe ich bereits gesprochen – ihr wisst ja zum Beispiel bereits, warum ich eine PSOne kaufen musste, warum ein NES oder ein N64  in mein Haus kam. Doch all diese Systemseller waren für mich berühmte Titel – und das muss gar nicht immer so sein. Also dachte ich ein wenig zurück und erinnerte mich an ein kleines Spiel, das mir einen wichtigen Handheld (nämlich meinen GBA) verkaufte: Kuru Kuru Kururin.

Nie gehört? Da seid ihr wohl nicht die einzigen. Kuru Kuru Kururin wurde vom japanischen Entwicklerstudio Eighting (auch als Raizing bekannt) entwickelt, die sich zuvor vor allem mit Shoot’em-Ups einen Namen gemacht hatten. Ihr GBA-Debut, das in Japan und Europa als GBA-Launchtitel erschien (und interessanterweise nie in die USA gelangte), ist allerdings etwas ganz anderes und lässt sich gar nicht so einfach in ein Genre einordnen. Die meisten schubladisieren es unter „Puzzle“, aber die Realität ist, dass schon so viel „Geschicklichkeit“ dabei ist, dass es sich eher wie ein klassischer Genremix anfühlt.

kurukurukururin

Neugierig geworden? Gut, dann lest weiter: Ihr schlüpft in die Rolle von Kururin, einem Erpel, der seine verschwundenen Geschwister wieder einsammeln muss und dafür mit seinem Helirin – einer Art Helikopter – verschiedene Welten bereist. Die Hintergrundhandlung ist vernachlässigbar und schon gar nicht innovativ – die Motivation kommt aber ohnehin aus dem Gameplay, das in seinem Grundgedanken gar nicht simpler sein könnte, auch wenn der Teufel wie so oft im Detail steckt. Grundsätzlich müsst ihr nur vom Ausgangspunkt zum Endpunkt der diversen Levels geraten, die ihr aus der Top-Down-Perspektive seht. Ganz so einfach ist es allerdings aus mehreren Gründen nicht: Punkt 1: Der Helirin dreht sich konstant, sodass ihr die Rotation eures Gefährts einberechnen müsst, wenn ihr nicht mit den Wänden kollidieren wollt, was sich (Punkt 2) auf eure Bestzeit auswirkt und euch außerdem Energie kostet, denn (Punkt 3) nach drei Berührungen müsst ihr von vorne anfangen (bei längeren Levels gibt es aber Regenerationsstationen). Die offenen Hallen der ersten Levels sind dabei noch kein Problem, aber sobald es engere, gewundene Gänge gibt, wird es bereits knifflig. Und was ist, wenn der Gang sich in die verkehrte Richtung windet, sodass man nicht verhindern kann, dass der Helirin irgendwann quer steht? Dann ist die Chance groß, dass es in der Nähe eine Sprungfeder gibt. Stößt euer Helirin gegen diese, dreht sich die Rotation eures Gefährts um, wodurch ihr auch solche Passagen überwinden könnt. Der Rest ist kniffliges Leveldesign, eure Geschicklichkeit und – an manchen Stellen lebensnotwendig – die Möglichkeit, sich auf Knopfdruck noch schneller zu bewegen.

Diese simplen Zutaten ergeben zusammengemixt einen interessanten, süchtig machenden Gameplaycocktail, denn natürlich werden die Levels immer vertrackter, während ihr die simplen Gameplayelemente schon nach kurzer Zeit intus habt. „Nur noch dieses eine Level“ ist da genauso zu hören wie „Wie zum Geier soll ich um diese Ecke kommen“, gefolgt vom frustrierten Wurf eures Handhelds auf das Sofa (die Ecke hätte der Hardware sicher nicht gefallen), weil man schon wieder knapp vor dem Ziel gescheitert ist. Zugegebenermaßen fehlte dem Spiel die Einfachheit eines Tetris, aber dennoch waren die Regeln eigentlich für jedermann begreifbar. Und im Endeffekt ging es doch mehr um die richtige Taktik, Feinabstimmung und Nachdenken als um blitzartige Reflexe.

CCnut

An den Erfolg des schon erwähnten Tetris kam das Spiel dennoch bei weitem nicht heran, sondern wurde eher ein Insider-Tipp – mit dem traurigen Resultat, dass es zwar zwei Sequels gibt, die allerdings allesamt nicht nach Europa (oder überhaupt in den Westen) kamen. Kururin Paradise erschien 2002 für den GBA und fügte die Möglichkeit hinzu, den Rotor auf Knopfdruck schneller drehen zu lassen, was einem schnelleren Spielstil entgegenkam. Außerdem gab es hier einige Minigames, die Abwechslung in das Spiel brachten, sowie freischaltbare alternative Routen in bereits absolvierten Levels. Der dritte und letzte Teil der Serie war Kururin Squash! und erschien 2004 für den Gamecube. Das Spiel war zum ersten Mal in 3D gehalten (auch wenn die Perspektive gleich blieb – wir sprechen hier also wieder von 2.5D), außerdem gab es diverse Power-Ups, die den Helirin mit neuen Features ausstatteten – darunter der Möglichkeit, Laserstrahlen abzufeuern oder unter Wasser zu tauchen. In den Westen gelangten hingegen mehrere Anspielungen auf den Titel in der Super Smash Bros.-Serie – fragen wir lieber nicht, wieviele gar nicht wussten, auf welches Spiel hier angespielt wurde …

Mittlerweile gehöre ich ja zu den Leuten, die neue Nintendo-Hardware fast automatisch am Launchtag kaufen – ich weiß, dass es auf jeden Fall Spiele geben wird, die mir gefallen werden. Der GBA war das letzte Gerät, bei dem das nicht so war – eher im Gegenteil, warum sollte ich den Handheld brauchen? Ich hatte mir Anfang der 90er einen GameBoy (das Original) geleistet, den GameBoy Pocket und den GameBoy Color allerdings ausgelassen und sah auch noch nicht so recht, warum ich einen GameBoy Advanced brauchen sollte. Und dann kam – wie so oft – alles anders: Knapp nach dem Release des Geräts kam ich beim Videospielhändler meines Vertrauens vorbei, bekam den Tipp „probier das mal aus“ – und war vom ersten Level an gefesselt. Hier hatte ich wieder einmal eine Spielerfahrung entdeckt, die ich so nicht kannte, aber gleichzeitig so einfach war, dass ich mich fragte, warum das noch niemand gemacht hatte (oder, wie man heute zurecht fragen könnte: „Warum macht das eigentlich niemand mehr?“). 15 Minuten später hatte ich jede Menge Geld ausgegeben und ging mit einem GBA und dem Spiel heim (übrigens sollte dieser GBA nicht mein einziger GBA bleiben – später kam dann noch der SP in die Sammlung, nur den Micro ließ ich aus).

kururin

Wie so viele andere brachte mich das Spiel zwar bisweilen an die Grenze zur Verzweiflung, gleichzeitig wollte ich aber auch einfach das Ende sehen (so egal mir die Story war – hier ging es einfach darum, alle Level zu schaffen). Ein wenig stelle ich mir die Frage, ob das Spiel „leider“ nicht allzu viele Levels hatte oder ob das gut so war – so blieben die einzelnen grafischen Themen der Levels abwechslungsreich und immerhin gab es danach noch den Challenge-Modus mit zahlreichen kleinen Abschnitten, die es dennoch teuflisch in sich hatten. Oh, und wer überhaupt nicht weiterkam, konnte natürlich auch noch auf Easy mit einem verkleinerten Stab spielen – aber wer wollte das schon?

Ein Testament für die Einfachheit des Spiels ist auch, dass meine Mutter sich von dem Gameplay anstecken konnte. Nach Tetris, Dr. Mario und Boxxle war dies das vierte (und letzte) Spiel auf einem Nintendo-Handheld, das sie fesseln konnte – und wohl das einzige, das man nicht völlig in die Schublade „Puzzle“ stecken konnte. Tatsächlich soll es vorgekommen sein, dass ich meinen GBA tagelang nicht in die Hände bekam, weil sie ihn in Beschlag nahm. Aber das nahm ich ihr niemals übel – das war eher Generationen-verbindend als eine lästige Tatsache, denn man konnte sich immer wieder austauschen, wie man dieses Level nun doch knacken konnte.

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Das bringt diesen – diesmal wirklich kürzeren – Blog auch schon zu seinem Höhepunkt: Warum vermisse ich Kuru Kuru Kururin? Weil es mein letzter innovativer System-Seller war. Blicke ich heute auf die Konsolenlineups zum Start, sehe ich meistens „sichere“ Titel, wie – zum Beispiel auf Nintendo-Plattformen – ein neues Mario oder ein neues Zelda (nichts gegen diese Titel, das sind jene, wegen denen ich mir die Hardware kaufe, aber Überraschungen sehen anders aus) oder Sony mit seinen regelmäßigen Ridge Racer-Releases. Andere Plattformen bieten eigentlich gar keine Spiele, die mich zum Launch fesseln können und lassen mich eine ganze Weile zappeln (Hallo Vita, ich warte immer noch …). Zugegebenermaßen kam hier aber auch der Stoß in die richtige Richtung dazu, denn ohne „schau dir mal dieses Spiel an“ hätte ich mir wohl das Spiel nie gekauft – und vermutlich den GBA auch gleich ausgelassen. Und wohin das geführt hätte, möchte ich gar nicht wissen. Doch zurück zu den Punkten, warum ich das Spiel vermisse: Weil das Gameplay so herrlich einfach und dennoch genial ist. Nach wenigen Levels weiß man alles, aber man beherrscht es noch lange nicht. Wie lange ist es her, dass wir ein Spiel genießen konnten, das auf so einem simplen Prinzip aufbaute und gar nicht erst versuchte, uns mit Features zu überfrachten? Damals war das noch deutlich häufiger – heute findet man so was eher auf Handys oder Tablets, wo allerdings viele „ernstzunehmende“ Gamer über das simple Gameplay lachen. Damals war so etwas Launchtitel eines wichtigen Handhelds – und es war noch dazu ordentlich schwer. Simples Gameplay heißt nämlich nicht, allen alles einfach zu machen, es heißt nur, dass man die Prinzipien schnell begreift. Und das vermisse ich heute oft genug – entweder, weil ich mir denke „wo bleibt die Herausforderung“ oder aber, weil ständig neue Mechaniken eingeführt werden müssen, um das Spiel interessant zu halten. Kuru Kuru Kururin war eben dieses kleine Spiel, der Underdog, der mich dennoch lange Zeit unterhalten hat – immerhin konnte man ja jederzeit von vorne beginnen, was trotzdem noch Spaß machte. Schade, dass die Sequels nicht auch zu uns kamen bzw. niemand – meines Wissens, ihr dürft mich gerne korrigieren – dieses Gameplayprinzip wieder aufgegriffen hat. Ich überlege nämlich schon seit Tagen, meine GBAs wieder auszugraben (oder meine Freundin den DS Lite zu klauen) und in Erinnerungen zu schwelgen.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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