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Spiele, die ich vermisse #27: The Incredible Machine

Diese Woche war ehrlich gesagt ein wenig stressig: Das neue Gamers-Heft hat den Weg in die Druckerei gefunden und erscheint am 31. Jänner bzw. 1. Februar, und egal, wie geschickt man sich anstellt, man hat in der letzten Woche immer ein wenig mehr zu tun, als man gerne hätte. Das heißt aber dann auch nicht, dass man dann, wenn man endlich zuhause ist, die Beine hochlegen kann. Diese und letzte Woche galt es nämlich, mal wieder ein wenig am Haus zu schrauben – immerhin sind wir jetzt fast ein Jahr eingezogen, aber noch immer sind manche Räume einfach nicht fertig. Und egal, in wie vielen Dingen ich eigentlich talentiert bin – Heimwerken gehört definitiv nicht dazu. In der Schule war ich berühmt als derjenige, der nicht mal mit einer Ständerbohrmaschine ein Loch dorthin bekommt, wo es hingehört. Gut, darum soll es hier nicht gehen, deshalb nur kurz: Es ist trotzdem geglückt, der Fernseher hängt jetzt recht gerade an der Wand und nur die Kabel gehören irgendwann in einen Kabelkanal verstaut (vermutlich nächstes Jahr, wie ich mich kenne). Beim Nachdenken über die Heimwerkerei gelange ich allerdings mit meinen Gedanken wieder zu einem Spiel, das letztes Jahr seinen zwanzigsten Geburtstag feierte: The Incredible Machine.


Falls ihr noch nie von dem Spiel gehört habt (wobei mir das zumindest für Kinder der 80er und 90er eher unwahrscheinlich erscheint) an dieser Stelle eine kurze Erklärung: The Incredible Machine ist das erste Spiel einer längeren Reihe und entstand 1992. Produziert wurde es von Jeff Tunnell (und seinen Jeff Tunnell Productions), der bis Anfang dieses Jahrtausends seine Finger bei vielen Sierra-Titeln im Spiel hatte (Betrayal at Krondor, Starsiege und Willy Beamish fallen mir hier auf die Schnelle ein); designed und programmiert wurde das Spiel von Kevin Ryan und als Publisher trat Dynamix (damals ein Teil von Sierra Online) auf. Wie so oft ist die Idee hinter TIM (so die populäre Abkürzung nach dem Namen der .exe-Datei, die das Spiel startet) reichlich simpel: Jedes der knapp 100 Level stellt euch vor eine einfache Aufgabe der Art „wirf den Basketball in den Korb“ (zum Teil dann noch mit der Zusatzaufgabe „aber nicht den Tennisball“) oder „starte die Rakete“. Eure Aufgabe ist es, das möglich zu machen.

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Zentral für das Gameplay ist der Begriff „Rube Goldberg Maschine“, denn genau ein solches Gerät entsteht in jedem Level: Eine Maschine, die eine an sich simple Aufgabe übermäßig kompliziert löst. Einige Objekte sind in den diversen Levels bereits vorgegeben und können nicht mehr bewegt werden, was den Raum für die Lösung (es wird nicht gescrollt, es ist immer nur für das Platz, was auf den Bildschirm passt) beschränkt. In manchen Levels (vor allem den ersten) war dadurch die Lösung fast schon vorgegeben, in anderen war es gerade dieser Sachverhalt, der es richtig knifflig machte. Denn um eure Aufgabe zu vollbringen, habt ihr nur eine begrenzte Auswahl an Gegenständen zur Verfügung.

Diese Gegenständen deckten eine breite Palette ab: Rampen bieten hervorragende Rutsch- und Rollflächen; Förderbänder dienen – kombiniert mit einem Keilriemen und einem Antrieb – zum Transport und benötigen zum Teil Zahnräder, um die Drehrichtung zu ändern; Wippen können mit einem Seil verbunden werden, eventuell auch über eine Umlenkrolle. Damit lassen sich dann allerhand andere Geräte verbinden – zum Beispiel die Pistolen, die auf Zug abfeuern, oder ein Affe auf einem Fahrrad, der losstrampelt, sobald an dem Jalousie gezogen wird, die ihm den Blick auf die Banane erlaubt; diese Drehbewegung könnte man wiederum per Keilriemen zu einem Gerät verbinden, die Drehbewegung benötigt – das schon erwähnte Förderband fällt in diese Kategorie, aber auch der Generator, der Strom erzeugt. Ja, Elektrizität gibt es auch noch, denn Geräte wie der Ventilator, Elektromotoren oder Lampen benötigen Strom, um zu funktionieren. Letztere kann man wiederum benutzen, um aus Licht Energie zu generieren – oder mit einer Lupe kombinieren, um Dinge in Brand zu stecken. Die Möglichkeiten sind, wie ihr jetzt schon bemerkt, sehr, sehr groß – und dementsprechend muss man manchmal fast schon froh sein, dass es pro Level nur eine eingeschränkte Anzahl an Gegenständen gibt. Und dabei habe ich die verrückteren Items (Stichwort: Goldfischglas, Katze und Maus) noch gar nicht erwähnt …

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Zum Einsatz kam übrigens eine Physik, die vollständig ohne Zufallsgeneratoren auskam – so war es möglich, dass jede Maschine, die einmal funktionierte, auch immer funktionierte. Und Physik ist auch gleich ein gutes Stichwort, denn nicht immer galt es, die Rätsel unter Erdbedingungen zu lösen. Gravitation wie auf dem Mond, kein Luftdruck – zwar kamen fremde Einstellungen nicht oft zum Tragen, aber sie sorgten doch in einigen Puzzles für Abwechslung. Nicht, dass diese zu kurz gekommen wäre, denn die Aufgaben unterschieden sich gewaltig und sorgten nicht nur für jede Menge Nachdenkzeit, sondern auch dafür, dass beizeiten gewaltige Dominoeffekte auf dem Monitor abliefen. Wie schön, dass man nach dem erfolgreichen Lösen des Levels immer und immer wieder auf „Wiederholen“ klicken konnte …

Und weil ich gerade Nachdenkpausen erwähnt habe: Wer schneller denkt, hat einen Punktevorteil, denn habt ihr das Level abgeschlossen, wird euer Score aus zwei Töpfen errechnet: Einem Fixbetrag, den es für das Abschließen des Puzzles gibt, und einem zweiten Punktestand, der kontinuierlich weniger wird, während ihr an der Lösung tüftelt. Gespeichert wurde dieser allerdings nicht, weshalb The Incredible Machine beim Verlassen des Spiels ein Passwort samt Zahlencode ausspuckte. Wurde dieses beim nächsten Start eingetippt, wurdet ihr automatisch ins passende nächste Level versetzt und bekamt eure Punkte wieder. Das ist übrigens ein Nachteil an der Version, die es momentan auf GOG zu kaufen gibt: Die DOSBox schließt sich automatisch am Ende des Spiels und damit ist keine Zeit, den Punktestand aufzuschreiben. Naja, es soll Schlimmeres geben …

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Für mich persönlich war The Incredible Machine ein weiterer Titel, der mich zum Release neidisch auf PC-Besitzer machte – einige weitere davon kennt ihr ja schon, ich sage nur Buzz Aldrin’s Race Into Space, X-Wing und Indiana Jones and the Fate of Atlantis. Ich mag nicht unbedingt ein Handwerksgenie sein, aber ich liebe eine ordentliche Kettenreaktion und Puzzlespiele sind – sofern sie nicht allzu viel grafisches Verständnis verlangen (eine weitere Schwäche von mir) – ein Genre, das ich sehr gern habe. Und allein der Blick auf die vertrackten Maschinen im ersten Review, das ich zu dem Spiel sah (ganz abgesehen von der Wertung in den 90er-Regionen), genügte, um mich neugierig auf das Spiel zu machen. Zum ersten Mal gespielt habe ich es dann knapp eineinhalb Jahre später, zunächst bei einem Bekannten meiner Eltern, später dann auch – gleich gemeinsam mit dem Add-on The Even More Incredible Machine – auf meinem ersten heimischen PC, auf dem es zum Glück problemlos lief (DAMALS war das oft noch eine Herausforderung). Und es dauerte nicht lange, bis ich gefesselt war.

Meine persönlichen Lieblingspuzzles wurden oft diejenigen, bei denen man zwei Dinge gleichzeitig tun musste – jedes Problem für sich allein gelöst war kein großes Problem, beides gemeinsam hinzubekommen schon deutlich kniffliger. Ehrlich gesagt glaube ich aber im Nachhinein nicht, dass ich jemals jedes einzelne Rätsel gelöst habe. TIM war zwar ein Dauerbrenner auf meiner Festplatte, aber eher einer der Kategorie „ich komme immer wieder zurück“ denn „ich spiele andauernd“ – wobei letzteres oft genug passiert sein soll –, was regelmäßig dazu führte, dass ich die Passwörter verlor und raten musste, wo ich war.

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Zum Glück gab es auch genügend Rätsel, denn es gab einen Modus, mit dem ich nicht besonders viel anfangen konnte, der aber vermutlich für viele ein Grund war, sich noch ausführlicher mit dem Spiel zu beschäftigen: Im Sandbox-Modus konnte man seine eigenen Maschinen ohne Beschränkung entwerfen. Für manche sicher ein Traum, für mich als lösungs- und zielorientierten Menschen, der ich bin, eher eine Qual. Dennoch – nur der Vollständigkeit: In diesem Modus standen euch alle Items zur Verfügung, um eure eigene Maschine zu bauen; die eigentliche Idee war es allerdings, selbst Puzzles zu entwerfen. Aus diesem Grund konnten Items auch gelockt (also nicht mehr veränderbar gemacht) und Beschreibungen eingegeben werden. Zu einem vollständigen Puzzle-Editor fehlte allerdings die Möglichkeit, die Siegbedingungen auch dem Programm mitzuteilen und die Item-Auswahl einzuschränken. Aber auch so tat es seinen Zweck.

Also, warum ist The Incredible Machine ein Spiel, das ich vermisse? Weil es für intelligente Unterhaltung steht – wer hier nicht grübeln will, hat bei dem Spiel nichts verloren; weil es geniale, schlichtweg abstruse Kettenreaktionen bot, die man einfach immer und immer wieder sehen wollte; weil das liebevolle Design voller Möglichkeiten steckte – die schiere Masse an Items und Levels sorgte für Abwechslung. Aber vor allem, weil es ein Titel war, den ich noch Jahre später immer wieder herauskrame, um ihn ein wenig zu spielen, auch wenn die Grafik mittlerweile arg angestaubt ist und der Sound primär mit Retro-Charme glänzt. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss versuchen, Mel wieder nach Hause zu bringen, ohne dass er vom Staubsauger eingesaugt wird, während gleichzeitig eine Rakete den Weg in den Himmel finden soll …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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