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Spiele, die ich vermisse #26: Super Pipeline

Ich weiß, ich weiß, ich bin diesmal spät dran. Ich hoffe, das wird mir verziehen, aber ich war fast das gesamte Wochenende dienstlich unterwegs, um mich mit einem NEUEN Spiel auseinanderzusetzen und dann das gesehene noch rechtzeitig auf Papier zu bannen, damit ihr darüber in der nächsten consol-Ausgabe lesen könnt. Nein, ich darf noch nicht sagen, was ich gesehen habe; nein, dieser Blog hat mit dem Spiel, das ich gesehen habe, überhaupt nichts zu tun. Es ist mehr eine Erklärung, warum a) dieser Blog ein wenig kürzer wird als die anderen (wobei ich zugeben muss, dass mein „kürzer“ meistens in „sowieso gar nicht so kurz“ endet) und b) warum es schon zumindest Montag ist, wenn ihr diesen Text lest.


Die Inspiration hinter diesem Eintrag traf mich allerdings schon vor dem Wochenende – und wie meistens sehr, sehr zufällig. Stellt euch folgende Situation vor: Man sitzt gerade in der Arbeit vor seinem Rechner und schreibt an einem Artikel; plötzlich geht Gamers-Chefredakteur Thomas an einem vorbei und summt ein Lied vor sich hin – im konkreten Fall den Klassiker „Popcorn“. Die meisten würden an dieser Stelle wohl einfach sagen „oh ja, das kenn ich“ oder das Lied sogar eine Weile nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Nicht ich. In diesem Moment erinnerte ich mich nämlich daran, dass ich vor Ewigkeiten einmal ein Spiel gespielt habe, das dieses Lied als Soundtrack nutzte. Nein, auch dieses ist nicht das Thema dieses Blogs (zur Info: es war Pengo). Aber es erinnerte mich an ein anderes Spiel aus dieser Zeit, das ich wirklich gern gespielt habe und dessen Soundtrack mir ebenfalls erst viel später wieder begegnete – tja, da hat wohl auch der Komponist bei einem Klassiker geklaut. Die Rede ist von Super Pipeline.

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*Blick links* *Blick rechts* … keine Reaktion? Gut, das wundert mich jetzt nur wenig. Entgegen der Annahme, die man als erfahrener, videospielender Mensch machen würde, war Super Pipeline trotz des „Super“ im Titel kein Spiel für den Super Nintendo, sondern kam deutlich früher in den Handel. Wir schreiben das Jahr 1983, als das Spiel von Taskset für den C64 erscheint. Die Grundidee hinter dem Spiel ist (wie bei so vielen Spielen dieser Zeit) simpel, aber der Teufel steckt im Detail: Ziel des Spiels ist es, ein Ölfass am Boden des Levels über eine lange, gewundene Rohrleitung mit einer gewissen Menge an Öl zu füllen. Die Flüssigkeit läuft eigentlich automatisch vom oberen Einlass nach unten – würde nichts weiter passieren, wäre die Aufgabe von selbst gelöst und man müsste nicht eingreifen. Aber – und hier kommt natürlich ein großes „aber“ – es gibt Gegner, die sich diesem Plan (aus welchen Gründen auch immer) in den Weg stellen. Dazu müssen sie zuerst eine Leiter bis zum oberen Bildschirmrand hinaufklettern, von wo sie dann entweder direkt auf die Rohrleitungen springen (die Käfer) oder Klammern zu Fall bringen, die den Fluss des Öls stoppen. Doch da haben sie die Rechnung ohne eure Spielfigur (eine weiß gekleidete Gestalt, ich denke mal, er ist der Aufseher) und seine Gehilfen gemacht! Mit eurer Pistole könnt ihr die Gegner von der Leiter oder der Pipeline schießen, sodass sie keine Gefahr mehr darstellen (wobei spätere Level dies mit zum Teil sogar beweglichen Wänden erschweren). Blockiert eine Klammer die Rohrleitungen, müsst ihr einfach nur euren euch brav folgenden Gehilfen dorthin manövrieren, der daraufhin mit seinem Hammer das Problem behebt.

Gut, das klingt noch immer nicht weiter schwierig. Knifflig wird das Spiel durch mehrere Faktoren: Zum einen ist es recht einfach, seinen Gehilfen zu verlieren (besonders, wenn er Fehler ausbessert, ist er leicht verwundbar), was allerdings gut genutzt werden kann, um euer eigenes Leben zu retten, denn zum anderen reicht schon eine einfache Gegnerberührung (oder die einer fallenden Blockade), um euch euer Leben aushauchen zu lassen. Den Gehilfen kann man natürlich jederzeit wieder zurückholen, er wartet einfach beim Öleinlass auf euch. Eure Leben hingegen sind begrenzt – wer drei Mal stirbt, muss von vorne anfangen. Auch die verschlungenen Rohrleitungen sind ein Problem, denn die Gegner sind schnell und ein Ausweichmanöver oft gar nicht so einfach, wenn kein rettendes Rohr quert (die Gegner marschieren immerhin immer brav von Einlass zu Auslass und wieder zurück und biegen dabei nicht ab – das macht sie kalkulierbarer). Wer hier nicht schnell aufräumt, wird bald von Gegnern überrannt. Eine zusätzliche Schwierigkeit sind dann noch die berühmt/berüchtigten Krebse (oder sind es Skorpione? Für mich waren es immer Krebse), die zuerst nur vereinzelt, später immer öfter auftauchen und die Rohrleitungen entlanggehen. Sie sind nicht nur flott, sondern auch nur von hinten zu treffen und haben mich mehr als einmal mein Bildschirmleben aushauchen lassen.

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Ich, damit meine ich in diesem Fall mein etwa vierjähriges Ich, das den traditionellen Ostermontagsbesuch bei seinem Onkel gemeinsam mit der gesamten Großfamilie dadurch versüßt bekam, dass eben dieser Onkel zur Freude seiner Neffen auch seinen neu gekauften C64 demonstrierte (ich bekam meinen ja erst mit sieben). Ich weiß nicht mehr, was mein erstes Spiel war – aber es war wohl entweder Super Pipeline, Zaxxon, Uridium oder der Flight Simulator II. Fakt ist: Sie alle haben mich geprägt. Als ich dann endlich meinen eigenen C64 bekam, war Super Pipeline gleich von Beginn an dabei und sollte lange eines meiner Lieblingsspiele bleiben. Das soll allerdings nicht heißen, dass es mir leicht gefallen wäre. Wer diese Ära kennt, weiß, dass die Spiele damals oft unnachgiebig schwer waren. Und so ist es kein Wunder, dass ich jemals das letzte Level (es gab 16) erreicht oder gar überschritten hätte (was nur das Spiel von vorne begonnen hätte). Dennoch startete ich regelmäßig in die wilde Welt der Rohrleitungen und versuchte aufs Neue, alle Fässer zu füllen.

Und da es mir diesmal tatsächlich gelingt, mich etwas kürzer zu fassen, bin ich damit auch schon bei der Frage, warum Super Pipeline ein Spiel ist, das ich vermisse. Nun, zunächst ein Mal weil es ein Spiel einer Art ist, wie man sie heute nicht mehr macht. Ich habe lange nach einem Remake gesucht, aber scheinbar hat sich niemand mehr dieser simplen Thematik angenommen (ich habe allerdings schon eine Version des etwas anderen Sequels gefunden). Gut, es würde sich nicht unbedingt als Handy-Spiel anbieten, aber im Browser, als Indie-Titel oder gar XBLA-, PSN- oder eStore-Spiel? Klar, warum nicht? Zweitens ist da natürlich das Gameplay. Super Pipeline war einfach zu erlernen (perfekt für mein damaliges Alter) und machte auch ohne das Meistern des Titels sehr, sehr viel Spaß. Damals sah man auch einfach noch darüber hinweg, dass man keine Continues oder ähnliches bekam – dreimal sterben, dann von vorn, das war damals einfach Stand der Dinge, genauso wie die bisweilen unfair hohen Schwierigkeitsgrade Dann sind da die lustigen Zwischenanimationen, die man regelmäßig am Ende eines Levels zu sehen bekam. Und nicht zuletzt jener Grund, der überhaupt dafür gesorgt hatte, dass ich mich heute an dieses Spiel erinnere: Im Soundtrack versteckte sich (unter anderem) Paganinis 24. Capriccio aus den 24 Capricci, ein Thema, das mir damals zwar ins Ohr ging, aber von dem mir erst Jahre später klar wurde, dass es ein klassisches Werk war (die Chip-Tune-Version aus Super Pipeline hört ihr im unten verlinkten Video z.B. ab 1:17). Wann immer ich es jetzt höre, fällt mir Super Pipeline ein. Das ist doch ein Grund, es zu vermissen, oder?

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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