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Spiele, die ich vermisse #168: Zero Escape: Zero Time Dilemma

Der „Virus“ im Videospiel!

Besondere Zeiten, besondere Maßnahmen. Genau wie vermutlich viele von euch sitze ich momentan quasi zuhause fest, während draußen ein Virus grassiert. Gesundheit geht vor, auch wenn es natürlich einige von uns wirtschaftlich ordentlich erwischt – auch mich, denn als freiberuflicher Kulturschaffender kann man momentan nur abwarten, absagen und zusehen, wie das sorgsam geplante Jahr in jeder Hinsicht den Bach runtergeht. Gut, das soll hier aber gar nicht das Thema sein – keine Angst, ich stürze mich jetzt nicht in irgendwelche Weltuntergangs-Wirtschaftssimulationen. Ich greife lieber das Thema „Virus“ in Videospielen auf. Da hab ich schon einige Spiele vermisst (Resident Evil oder Dr. Mario fallen mir hier sofort ein), aber es gibt mir auch einen willkommenen Grund, zum Finale einer Spieltrilogie zu kommen, die vielleicht nicht ganz so bekannt ist wie die zuvor genannten: Zero Escape: Zero Time Dilemma.

In nicht allzu ferner Zukunft in einer geheimen Anlage in der Wüste von Nevada findet ein wichtiger Versuch für die Kolonisierung des Mars statt. Die Teilnehmer werden für längere Zeit an einem abgelegenen Ort eingesperrt, um herauszufinden, wie sich dies auf ihre Psyche auswirkt. Womit allerdings (fast) niemand gerechnet hat, ist folgendes: Ein Mann namens Zero, der sich selbst in langem Mantel und Pestmaske zeigt, nimmt die Teilnehmer gefangen, verpasst ihnen mysteriöse Uhren und zwingt sie, ein tödliches Spiel zu spielen: das Decision Game. Warum sollten sie da mitmachen? Nun, die Tür aus ihrem Gefängnis ist verschlossen und lässt sich nur öffnen, wenn sechs Passwörter eingegeben wurden – wer nicht mitspielt, wird also auf lange Sicht verhungern. Und wie kommt man an die Passwörter? Auch „einfach“: Wann immer ein Teilnehmer des Spiels stirbt, wird eines bekannt gegeben. Von neun Teilnehmern müssen also sechs sterben, damit die übrigen drei leben können. Oder kann man Zero doch austricksen?

Kommt euch das bekannt vor? Eine Gruppe von Leuten, eine Figur namens Zero und ein tödliches Spiel? Tja, das liegt wohl daran, dass sich die gesamte Zero Escape-Reihe um diese Dinge dreht. Zero Time Dilemma als letzter Teil der Saga macht hier keine Ausnahme und auch die Struktur wird Veteranen rasch bekannt vorkommen, auch wenn im Detail an vielen Schrauben gedreht wurde: Es gibt eine Menge Story-Sequenzen, die sehr Dialog-lastig sind (aber dennoch ein neues Format bekommen haben); dazwischen Escape-Room-artige Adventure-Teile, in denen Protagonisten in Räumen eingesperrt sind und Rätsel lösen müssen. Dazu kommt noch das Spiel, das Zero mit uns spielt – das ist diesmal nicht mehr das Nonary Game (bekannt aus dem ersten Teil 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors) oder das Nonary Game: Ambidex-Edition (aus Teil 2, Virtue’s Last Reward), sondern eben das Decision Game, bei dem wir (oft unter Zeitdruck) Entscheidungen treffen müssen bzw. Entscheidungen (oft per Zufallsgenerator) für uns getroffen werden, die den Fortgang der Story massiv verändern können.

So wirft Zero gleich zu Beginn eine Münze – raten wir richtig, lässt er uns frei, sonst müssen wir sein Spiel spielen. Später müssen sich die Gruppen unter anderem entscheiden, welches Team (die Protagonisten wurden in drei Gruppen zu je drei Personen aufgeteilt) getötet werden soll – hier kann man natürlich auch strategisch abstimmen und einen Dreifachmord verhindern, oder holt man sich lieber gleich drei Passwörter auf einen Schlag? Und dann gibt es die richtig kniffligen Entscheidungen: Lassen wir ein Gruppenmitglied in einem abgeschotteten Raum durch Flammen sterben, oder ziehen wir am Abzug der Pistole, die als Türöffner dient, aber auf die Schläfe eines anderen Gruppenmitglieds gesetzt ist? Entscheiden wir uns für zweiteres, können wir auch Glück haben – nur in 50 Prozent der Fälle ist auch eine Kugel in der Kammer, es können also auch alle drei Spieler überleben. Solche Dilemmas erwarten uns regelmäßig.

Allerdings – und das nimmt den Entscheidungen ein bisschen die Schärfe, auch wenn man sich im Moment der Entscheidung doch der Moral verpflichtet fühlen könnte – bleibt uns im Endeffekt sowieso nichts anderes übrig, als alle Wege zu gehen. Genauso wie seine Vorgänger bietet Zero Time Dilemma einen weit verzweigten Story-Baum, bei dem erst alle Pfade gemeinsam eine große Geschichte erzählen und alle Infos verraten, die zum eigentlichen Ende führen. Allerdings geht man auch hier ein wenig andere Wege als in den Vorgängern, denn die Geschichte wird diesmal nicht nur verzweigt, sondern auch absolut nicht-linear erzählt. Das funktioniert deshalb, weil Zeros Spiel etwas eigenwillige Regeln hat. Nicht nur hat er die Protagonisten – wie schon erwähnt – in Teams zu je drei Personen aufgeteilt, die einen eigenen Bereich im Spielkomplex bewohnen, sondern ihnen auch ein Armband verpasst, das sie alle 90 Minuten einschlafen lässt und ihnen (im Normalfall) per Injektion auch die Erinnerung an die vorangegangenen Ereignisse nimmt. Wann immer ein Team aufwacht, weiß es also nicht, was es zuvor schon bewerkstelligt hat, wie lange sie schon hier sind oder wer lebt oder gestorben ist – und genauso wenig wissen wir es, wenn wir die Episode aus einer Liste an verfügbaren Sequenzen auswählen und beginnen.

Wir können natürlich aufgrund von Indizien und Tatsachen ein wenig raten, wo wir uns gerade in der Handlung befinden, aber erst, wenn wir die Episode (also im Normalfall eine Story-Sequenz, einen Rätselraum und eine Entscheidung samt dazugehöriger weiterer Story-Sequenz) erlebt haben, sehen wir, wann die Szene im großen Kontext spielt. Und selbst dann gibt es da natürlich zunächst Lücken, durch die wir zwar wissen, wo wir im Entscheidungsbaum sind, nicht aber, wie wir dorthin gekommen sind (ist die Sequenz erst im Entscheidungsbaum, können wir auch jederzeit wieder an gewisse Punkte innerhalb der Sequenz springen – dadurch können wir z.B. eine andere Entscheidung treffen, ohne den gesamten Abschnitt erneut spielen zu müssen). Und ja, das sorgt zunächst für einiges an Verwirrung. Aber je mehr Puzzlesteine sich zusammenfügen, desto klarer wird die Storyline. Diese hat auch (wie üblich) einiges an Wendungen zu bieten, die „Fakten“ völlig verändern. Deshalb auch der Disclaimer: Nicht alles, was ich in diesem Text schreibe, ist auch am Ende der Story so korrekt – aus Spoiler-Gründen bleibe ich aber bei jener Fassung, die das Spiel selbst zunächst präsentiert.

Eine große Frage steht beim letzten Teil einer Reihe natürlich im Raum: Wie passt Zero Time Dilemma in den großen Kontext der Zero Escape-Trilogie? Und wieviel Vorwissen sollte man mitbringen? Zu ersterem gebe ich (bewusst) eine etwas verwirrende, aber korrekte Antwort, um allzu große Spoiler zu vermeiden: Es spielt sowohl ganz klar nach als auch vor den Ereignissen aus Teil 2 und nimmt auch auf die bisherigen Geschehnisse aus beiden Teilen Bezug. Hier steht man in einem recht eindeutigen Kontrast zu Teil 2, der seine Verbindungen zu Teil 1 vor allem zu Beginn tarnte und auf den ersten Blick bis auf eine Figur, einen Charakter namens Zero und das schon erwähnte Nonary Game (allerdings mit neuen Regeln) keine Querverbindungen aufwies; das heißt aber auch, dass man als Spieler stark von Vorwissen profitiert.

Das beginnt schon damit, dass vier der neun Charaktere aus den Vorgängern stammen: Junpei und Akane waren zentrale Figuren in Teil 1, während Sigma und Phi die vielleicht wichtigsten Charaktere in Virtue’s Last Reward waren. Die fünf weiteren Figuren sind neu – Carlos, ein Feuerwehrmann; Eric, ein schüchterner junger Mann mit seiner wesentlich forscheren Freundin Mira; Q, ein Junge, dessen Kopf in einen Helm eingesperrt wurde und als einziger nicht Teil der Mars-Test-Mission war. Einzig Diana erinnert in ihrem Aussehen an Luna aus Teil 2 – wie und ob es hier eine Verbindung gibt, will ich hier aber nicht erklären. Aber auch der Grund, warum gewisse Charaktere unbedingt bei dieser Mission dabei sein wollten und auch, was das mit meiner Einleitung rund um einen Virus zu tun hat, erklärt sich am besten, wenn man Teil zwei kennt (ich nenne hier einfach das Stichwort „Radical-6“). Unmöglich ist es natürlich nicht, die Handlung von Zero Time Dilemma ohne die anderen Teile zu verstehen. Es hilft aber durchaus, das große Ganze zu kennen.

Diese starke Verzahnung von Teil 2 mit Teil 3 erklärt sich am ehesten dadurch, dass der ursprüngliche Plan war, beide Teile Back to back zu entwickeln. Nachdem ich darauf zum Teil schon bei Virtue’s Last Reward eingegangen bin, halte ich mich hier eher kurz: Das Urspiel (9 Hours, 9 Persons, 9 Doors) war eigentlich nie als Mehrteiler gedacht. Dazu kam, dass der Titel in Japan floppte; überraschenderweise verkaufte sich das Spiel allerdings in Nordamerika, wo Visual Novels eigentlich nur selten Erfolg haben, außergewöhnlich gut. Deshalb bat Publisher Spike Chunsoft Serienerfinder Kotaru Uchikoshi, nicht eines, sondern gleich zwei Sequels zu entwickeln – die Idee dabei war, dass beide Spiele auf ähnliche Assets zurückgreifen sollten, sodass man die Kosten des Spiels niedrig halten konnte. Also entwickelte Uchikoshi eine Fortführung der Handlung, die zwei Teile umfasste. Das Problem dabei? Auch Virtue’s Last Reward floppte in Japan und Spike Chunsoft legte die Entwicklung des Sequels daraufhin Anfang 2014 auf Eis.

Das ließen sich allerdings die Fans nicht gefallen, die ein (wenn auch nicht völlig) offenes Ende und Anspielungen auf Ereignisse, die jetzt vielleicht nie gezeigt werden sollten, nicht akzeptieren wollten. Uchikoshi überlegte, auf Crowdfunding zu setzen, verwarf die Idee dann allerdings wieder. Die Fans setzten mit Operation Bluebird Maßnahmen, um der Gamerwelt die Qualitäten von Zero Escape nahezubringen. Mit Erfolg: 2015 wurde angekündigt, dass die Arbeit doch wieder aufgenommen werden würde. Bei der Entwicklung kam es zu einer Entscheidung, die für mich ein wenig den Treppenwitz dieser Geschichte darstellt: Der Plan, die Assets für beide Spiele zu nutzen, scheiterte daran, dass Uchikoshi sich für einen anderen Ansatz des Storytellings entschied: Statt auf das Visual Novel-Format setzte er auf zahlreiche ausinszenierte Cutscenes. Das erforderte allerdings 3D-Modelle und einen neuen Grafikstil, sodass man alles neu entwerfen musste. Uchikoshi nahm sich für die Cutscenes nun sowohl TV-Serien als auch Telltales The Walking Dead als Vorbild und hoffte, das Spiel so einer größeren Zielgruppe zugänglich zu machen.

Auch für ein neues Publikum entstand die Idee der einzelnen, nichtlinearen Episoden – dadurch sollte man das Spiel besser „häppchenweise“ genießen können, ohne gleich von der Mythologie erschlagen zu werden. Auf die alten Fans wurde aber ebenso gehört. Nachdem es an Teil 2 die Kritik gegeben hatte, er sei nicht spannend genug, legte man hier gehörig nach. Mehr noch: Da man wusste, dass es das letzte Spiel der Serie sein würde und den Spielern die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zeigen wollte, zögerte man nicht, die Gewalt im Spiel drastisch zu zeigen. Doch auch wenn sich die Entwickler intern auf ein CERO Z-Rating als Ziel geeinigt hatten (das ist die höchste Altersfreigabe in Japan) wurde dem Spiel am Ende „nur“ ein CERO D („ab 17“) gegeben. Bei uns erschien Zero Time Dilemma übrigens mit PEGI 18 bzw. USK 16.

Apropos erscheinen: Einmal mehr sollte sich beim Release Ende Juni 2016 zeigen, dass Zero Escape nicht gerade in der großen Liga in Sachen Verkaufszahlen spielte. In Japan verkaufte es sich beispielsweise nur 5.375-mal für die Vita und 3.916-mal für den 3DS. Ob das Spiel darunter litt oder davon profitierte, dass man sich mit einem neuen Titel (nämlich dem in anderen Märkten schon üblichen „Zero Escape“ statt dem ursprünglichen japanischen Titel „Kyokugen Dasshutsu“, übersetzt „Extreme Escape“) von den wenig erfolgreichen Vorgängern distanzierte, kann man wohl kaum beurteilen. In Europa (wo das Spiel im Gegensatz zu den anderen Märkten nur digital erschien) wurde es 9.291 mal für die Vita verkauft und wurde dadurch zum drittbesten verkauften Vita-Titel in diesem Monat, obwohl das Spiel erst drei Tage für Monatsende erschien; aber diese Tatsache zeigt wohl eher, dass die Vita zu diesem Zeitpunkt schon deutlich am absteigenden Ast und das Softwareangebot eingeschränkt war. Die Steam-Fassung verkaufte sich weltweit im ersten Monat immerhin 38.000mal – und das, obwohl es die Vorgänger zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf PCs gab (mittlerweile kann man allerdings die ganze Trilogie auf einem PC spielen). Problematisch war hingegen der Launch in den USA, wo man sogar eine Limited Edition mit einer zum Spiel passenden Uhr veröffentlichen wollte. Allerdings bekamen die Fans zum Launch nur eine Packung ohne Uhr. Warum? Die Lieferung mit den Sammleritems war beim Transport in die USA beschädigt worden, und da man die treuen Fans nicht warten lassen wollte, ließ man den Platz für das Item frei und schickte die Uhr mit Verspätung nach. Apropos „Nachlieferung“: Etwas über ein Jahr später folgte dann die bislang letzte Umsetzung: Ein Port auf die PS4 mit verbesserter Grafik.

Dass die Verkäufe erneut nicht optimal waren, lag nicht an den Kritiken, denn die lobten das Spiel nahezu durchgehend. Vor allem Story, Charaktere und Dialoge wurden gefeiert – manche gingen soweit, Zero Time Dilemma als Meilenstein des Storytellings in Videospielen zu bezeichnen; auch die Escape-Room-Sequenzen wurden als durchgehend logisch und nicht aufgesetzt bezeichnet (auch wenn es einzelne Stimmen gab, dass man vielleicht ein Hint-System einbauen hätte sollen). Wenn es Kritik gab, dann vor allem an den Cutscenes. Das Voice-Acting sei nicht immer gelungen und vor allem die Animationen von geringer Qualität, wodurch den Sequenzen viel Atmosphäre verloren ginge. Dennoch gab es einige Preise – zum Beispiel „Bestes Vita-Spiel 2016“ von Destructoid oder „Bestes Ende eines Adventure Games 2016“ von der GameInformer. Bis auf einige Ausnahmen – es gab natürlich auch Fans, die sehr enttäuscht waren -, hatte das Spiel also seinen Hype erfüllt.

Genau dieser Vorab-Hype war es auch, der mich überhaupt zur Serie brachte. Wie ich in meinen Berichten zu den beiden Vorgängern schon geschrieben habe, hatte ich viel Positives von 9 Hours, 9 Persons, 9 Doors gehört, es aber nicht gespielt, da der Titel in Europa nicht erschienen war. Virtue’s Last Reward war völlig an mir vorrübergegangen. Aber der Hype, der sich rund um den baldigen Release von Zero Time Dilemma aufbaute, war für mich nicht zu übersehen. Und vermutlich war das Warten auch gut, denn 2016 war ich schon ein großer Fan von Escape Rooms –dieses Element sprach mich an der Reihe unglaublich an. Und tatsächlich waren die Vorschauen so euphorisch, ich so angefixt, dass ich mir sofort die beiden Vorgänger holte. Da Virtue’s Last Reward auch in Europa erschienen war, erhielt ich den Titel vor 999, das ich erst importieren musste (zum Glück hatte der DS keine Regionalsperre). Also sah ich „nur mal kurz“ in VLR rein – und legte das Spiel erst nach dem Durchspielen aus der Hand. Das war im Nachhinein betrachtet auch gut so, denn der zweite Teil war wesentlich zugänglicher als der erste, dem man sein Alter dann schon deutlicher ansah. Aber mit dem Wissen aus Teil 2 wurde auch Teil 1 geknackt.

Und dann? Tja, dann sollte natürlich Zero Time Dilemma folgen. Tatsächlich hatte ich mit diesem Spiel aber anfangs so meine Probleme. Vielleicht war ich einfach übersättigt, nachdem ich die drei Teile am Stück gespielt habe, aber irgendwie klickte es zunächst nicht. Das lag zu einem großen Teil an drei Faktoren: Erstens: Durch die nicht-lineare Erzählweise dauerte es für mich ein wenig zu lang, bis die größeren Mysterien für mich in Gang kamen. Zweitens: Die Dreiteilung der Gruppe führte dazu, dass auch die Charakterinteraktionen ein wenig auf der Strecke blieben – konnte man bisher viele Figuren miteinander erleben, konzentrierte sich ZTD eben Großteils auf die Dynamik innerhalb des jeweiligen Dreiergrüppchens, aber nicht mit den anderen Figuren. Dazu kam, dass man fast naturgemäß gewisse Gruppen spannender fand als andere, sodass die Sequenzen mit einer Konstellation, die man nicht so sehr schätzte (sorry, Eric/Mira/Q), weniger interessant waren. Und drittens schreckte mich zugegebenermaßen die Präsentation der Story-Sequenzen ab. Ich fand den Visual Novel-Ansatz besser gelungen und die Grafik besser gelöst als die inszenierten Cutscenes, die für maximalen Impact viel bessere Qualität aufweisen hätten müssen. Bei den Visual Novels konnte man das geringere Budget besser tarnen als mit dem neuen Ansatz.

So kam es zunächst dazu, dass ich das Spiel auf die Seite legte und mich anderen Titeln widmete. Aber natürlich ließ mich ZTD nicht los. Irgendwann musste ich einfach wissen, worauf die gesamte Story hinauslief. Also startete ich das Spiel von vorn und zog es durch. Meine Kritikpunkte blieben durchaus bestehen – aber auch die Qualitäten des Spiels wurden nach und nach sichtbar: Ein spannendes Mysterium, die serientypischen Wendungen, einige Überraschungen, die mich wirklich „kann das ihr Ernst sein“ sagen ließen und dann doch logischen Sinn ergaben; wirklich gut gemachte, atmosphärische Escape Rooms mit zum Teil spannenden Ideen (sowohl aus Puzzle- als auch Designsicht); und natürlich auch ein Aufgreifen der Storyfäden, die von den Vorgängern übriggeblieben waren.

Und ja, ich fand auch neue Kritikpunkte. Ich bin kein Fan der „fragmentierten“ Erzählweise und das Einbauen eines gewissen Zufallselements in Entscheidungen führt zum Teil dazu, dass man die Entscheidung und dazugehörigen Konsequenzen mehrmals angehen muss, bis man dank des Zufallsgenerators auf den Pfad kommt, den man eigentlich erreichen wollte (zum Glück konnte man, wenn man einen Pfad einmal erlebt hatte, die Entscheidung direkt anspringen). So kam ich mir manchmal ein wenig verloren vor, da man in der Übersicht sah, dass aus einer Entscheidung zwei oder gar drei Pfade herausgehen, ich diese aber nicht alle erreichte. Deshalb dachte ich, ich hätte vielleicht noch nicht die Voraussetzungen für das andere Ende erreicht (in den Vorgängern war es zum Teil so, dass man erst gewisses Vorwissen aus anderen Pfaden mitbringen musste), aber in dem Fall war es oft einfach der Zufallsgenerator, der mir einen Streich spielte. Und dennoch konnte ich nicht verleugnen, dass sich die Geschichte langsam zuspitzte und mich dabei auf eine emotionale Reise mitnahm, auf die ich nicht unbedingt vorbereitet war.

Und deshalb vermisse ich Zero Time Dilemma. Nicht, weil es das beste Spiel der Serie war. Aber weil es die Reise, die die beiden ersten Teile begonnen hat, weiterführte. Eine Reise, die den Pfad zu Virtue’s Last Reward gleichzeitig legte und vollendete (und ja, das macht mehr Sinn, wenn ihr die Spiele gespielt habt). Wäre es mir lieber gewesen, das Spiel wäre eine Visual Novel geblieben? Ja, vermutlich. Aber auch in der Form, wie die Geschichte nun präsentiert wurde, funktionierte das Spiel durchaus. Und wie seine Vorgänger schaffte es den Spagat, gleichzeitig zur Serie zu passen und neue Konzepte zu präsentieren, die sich auch in die Escape Rooms weiterzogen. Dass diese Konzepte zufälligerweise sehr viel mit Zufällen und Statistiken zu tun hatten und ich mich gerade zu dieser Zeit auf meine letzte Uni-Prüfung – nämlich ausgerechnet Statistik – vorbereitete, war nur ein Bonus. Und so vermisse ich Zero Time Dilemma, sowohl als Einzeltitel als auch als Teil der ganzen Trilogie – und eines Tages werde ich mich wieder in die Fänge von Zero begeben. Das weiß ich jetzt schon.

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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Notable Replies

  1. Also das Spiel sagt mir so rein gar nichts!
    Aber spannender Artikel und auch super passend, danke!

  2. Avatar for Jokus Jokus says:

    Gerne :wink: Und wie gesagt, wundert mich nicht, dass das Spiel (und die Reihe) viel zu wenige Leute kennen - es war leider immer ein wenig ein Underdog. Dabei gehört die Trilogie definitiv zu meinen Lieblingen in Sachen Story (und wie man im Text sieht, war ich mit der Einschätzung nicht allein). Aber vermutlich ist es dann doch zu eigen für eine große Gruppe. Schade, dass es hier vermutlich wirklich aus ist - ich würde einen neuen Teil sofort spielen. Dafür sollte ich mal AI: The Sominum Files spielen, das 2019 erschienen ist, auch von Uchikoshi ist und soweit ich bis jetzt gelesen habe, ein paar ähnliche Dinge macht.

  3. Kennen tu ich das schon, liebäugeln tu ich auch immer damit aber dazu gekommen bin ich noch nicht.
    Gibt ja auch eine Reihe an ähnlichen Spielen… Danganronpa, Virtue’s Last Reward und 999 oder bin ich da schiefgewickelt wenn ich die zu sehr vergleiche und auch immer wieder verwechsle?
    Kennst du die alle? Welches wäre das empfehlenswerteste?

  4. Avatar for Jokus Jokus says:

    Naja, 999 und Virtue’s Last Reward gehören zur Zero Escape-Trilogie (das hier behandelte Zero Time Dilemma ist dann der letzte Teil). Also ja, die Reihe kenn ich gut und wenn man von der Serie alles wissen will, sollte man alle gespielt haben.

    Mit welchem man anfangen sollte, finde ich ein bisschen schwierig. 999 ist der erste Teil, aber halt auch technisch der älteste, das kann ein wenig abschrecken (dazu kommt, dass man die urspüngliche DS-Fassung für alle Enden (und vor allem für das richtige Ende) mehrfach durchspielen muss, weil es noch keinen Entscheidungsbaum gibt und man immer von vorne anfangen muss, wenn man andere Entscheidungen treffen will. Das hat AFAIK die Steam- und PS4-Fassung besser gelöst, weil es hier schon einen FLOW-Chart gibt, aber die hab ich noch immer nicht angefangen, deshalb kann ich nicht sagen, wie gut das dann auch funktioniert). Storytechnisch find ich 999 aber wirklich gelungen, ich musste mich aber ein wenig durchbeißen - gerade die Escape Rooms jedes Mal neu machen zu müssen, ist ein wenig zäh.

    Virtue’s Last Reward war mein erster Teil der Reihe (warum steht im langen Text bzw. im eigenen Eintrag zum zweiten Teil) und ist für mich der beste Teil. Die Story ist genial und hat mich eigentlich von Anfang an gepackt und viele Kinderkrankheiten des Originals sind weg. Ja, ein paar Dinge entgehen dir bzw. haben nicht ganz den Impact, wenn du 999 ausgelassen hast, aber das hat mich jetzt nicht massiv gestört (wobei ich auch VLC nochmal spielen muss, so nach 999). Ich finds im Zweifelsfall einen guten Einsprungspunkt, wenn man sich von 999 zu sehr verschrecken lassen müsste (wobei man dazu sagen muss: Die PS4/PC-Versionen von 999 und Virtue’s Last Reward gibt’s sowieso nur im Kombi-Pack als Zero Escape: The Nonary Games. Nur die Originalversionen auf DS bzw. beim zweiten Teil auch Vita erschienen separat - man kann also durchaus beide spielen, wenn man eines kauft, und mal schauen, was einem besser gefällt).

    Zero Time Dilemma würde ich hingegen nicht unbedingt als ersten Teil spielen - dafür bezieht es sich etwas zu sehr auf die beiden Vorgänger. Abgesehen davon, dass ich auch hier sagen würde - es ist nicht der beste Teil der Serie.

    Und zum letzten Teil auf deiner Liste: Danganronpa hab ich noch immer nicht gespielt, wurde mir als Fan von Zero Escape allerdings empfohlen. Also… vermutlich auch kein Fehlgriff :wink:

  5. Dachte ich es mir doch, die totale Namensverwirrung… ich will nur solche Spiele nicht am TV spielen… VCL hätte ich in der Sammlung stehen aber da gibt es doch einen fetten Bug?
    Leider und zum Glück bin ich kaum von der Quarantäne betroffen, die hier nebenbei zu schreiben geht, VCL spielen leider nicht. Das etwas weniger Arbeit geht auf die Tochter über :wink:

    Ach und 999 ist vor allem eines, selten! habs auf die schnelle nur auf Amazon als us Import gefunden, in Summe 70€ :face_with_monocle:

    Werde daher weiter deine Texte studieren und auf eine Switch Collection warten :smiley:

  6. Avatar for Jokus Jokus says:

    Ich hab sie auch alle am 3DS gespielt - ich überleg jetzt halt noch die PC-Fassung am Laptop, das ginge gerade noch. Insofern verstehe ich, dass man sowas lieber im Handheld-Mode gibt. Von 999 gabs noch eine „Novel“-Fassung für Mobile, aber die war ohne Puzzleräume. UND sie wurde mittlerweile zumindest aus dem iOS-Store entfernt.

    VLR hatte einen Save-Game-Bug, das stimmt, aber den kann man umgehen, indem man in den Puzzle-Räumen nicht speichert (ich glaub, es waren auch nicht alle betroffen). Aber ja, ich verstehe, dass du das Spiel nicht nebenbei spielen willst - ich war da teilweise echt in der Welt drinnen und hab nichts mehr mitbekommen :wink:

    999 gab es in Europa in der DS-Urfassung nicht, deshalb nur als US-Import (und natürlich wird das Spiel nicht gerade billiger, weil es jetzt vermutlich auch noch out of Print ist). Deshalb hab ich damals ja überhaupt auch VLR zuerst gespielt - VLR kam nach zwei Tagen, 999 nach zwei Wochen - da musste ich einfach zuerst VLR spielen ;). Handheld ginge damit hierzulande wohl nur noch auf der Vita mit der Collection. Sonst eben PC oder PS4. Gerade 999 würde mich aber auf einem Single-Screen nochmal interessieren - die zwei Screens haben eine interessante Bewandtnis, auf die ich ohne Spoiler nicht eingehen kann, aber ich bin gespannt, wie sie das gelöst haben.

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