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Spiele, die ich vermisse #110: Supermampfers Rache (in memoriam Ralph H. Baer)

Gut, eigentlich hatte ich etwas ganz anderes für diese Woche vor – dank der PlayStation Experience und den Game Awards gab es genügend Ankündigungen, aus denen man Erinnerungen zimmern hätte können. Aber gestern Abend flatterte eine Nachricht ins Haus, die meine Pläne umstieß: Ralph H. Baer, der Vater der Videospiele, ist von uns gegangen. Da muss doch einfach eine Würdigung her! Dafür musste ich allerdings ein wenig nachdenken: Ich hatte niemals eine Magnavox Odyssey, mit der er bis heute am engsten verbunden ist. Aber dann las ich ein wenig nach und erfuhr, dass er auch am Design der Odyssey² beteiligt war, die hierzulande als G7000 auf den Markt kam – und wer meine Kolumnen gelesen hat, weiß, dass ich dieses Gerät hatte (siehe Burgenschlacht, Revolverhelden, Skirennen und Geheimschrift). Also dachte ich mir, es wäre wieder Zeit für einen Ausflug in meine absolute Spielefrühzeit – zu einem kleinen Spielchen namens Supermampfers Rache.

Bevor ich auf das eigentliche Spiel eingehe, lasst mich kurz in die Geschichte abtauchen: Supermampfers Rache ist das Sequel zu einem Titel namens Supermampfer, der nur kurz in den Händlerregalen lag. Warum? Weil er ein recht eindeutiger PacMan-Klon war, der trotz einiger Abänderungen (nur 12 Pillen, die sich bewegen, eine rotierende Box für die Geister) zu Klagen von Atari führte – und damit zu einem Präzedenzfall in Copyrightklagen bei Videospielen wurde. Aber, um eine lange Geschichte kurz zu fassen: Das Gericht entschied, dass Supermampfer ein Plagiat war und nicht verkauft werden durfte. Nach dem Ende des Prozesses gab Philips allerdings nicht auf, brachte ein neues Spiel auf den Markt und nannte es Supermampfers Rache. So wie schon Super Mampfer hatte es erneut die Figur Super Mampfer als Hauptcharakter und spielte in Labyrinthen, die man aus der Draufsicht durchquerte. Allerdings machte der Mampfer diesmal Jagd auf den Dratapillar, der wohl nicht ganz zufällig Ataris Centipede ähnelte, während er versuchte, dessen Gefolgsleuten, den Drats, auszuweichen. So weit, so PacMan-ähnlich – oder eben auch gerade nicht ähnlich genug, um nicht wieder verklagt zu werden.

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Die Unterschiede? Nun, anders als im Original ging es diesmal nicht darum, Pillen zu fressen und Geistern auszuweichen, sondern darum, den Dratapillar aufzufressen. Nachdem das Würmchen vorne sein gefährliches Maul hat, sollte man diesem tunlichst ausweichen – die Taktik lautet also, das Tier von hinten aufzufressen oder – noch besser – in der Mitte zuzubeißen, den Wurm in zwei Hälften zu teilen und die zurückgebliebenen Teile danach langsam zu verspeisen (ob anhand dieses Spielprinzips eine Diskussion über Grausamkeit in Videospielen angefacht wurde, habe ich nicht mehr recherchieren können – vermutlich ist es aber nur der moderne Videospielkonsument in mir, der sich dies sofort denkt). Jedes gefressene Segment bringt Punkte, steigert aber die auch die Geschwindigkeit des Dratapillar, schaltet aber quasi zum Ausgleich die Gefährten des Dratapillars kurz aus. Gelingt es euch, den Dratapillar aufzufuttern, bevor ihr eure Leben aushaucht, geht es ins nächste Level, wo die Labyrinthe kniffliger und die Gegner schneller sind.

Wie so oft in diesen frühen Spielen ist das Spielprinzip rasch erklärt, was nicht heißt, dass es leicht zu meistern war. Das wiederholbare Gameplay, die Jagd nach dem Highscore stellten die große Motivation dar, immer und immer besser zu werden. Ja, nach heutigen Standards ist die HighScore-Jagd irgendwie für viele Spieler keine große Motivation, damals hingegen war sie ein wichtiger Teil des Spielprinzips, um mit geringen technischen Mitteln großen Spielspaß herauszuholen. Selbst dann, wenn die Listen nach einem Reset und dem Abschalten der Konsole im digitalen Nirvana verschwanden (was ich persönlich immer für einen großen Nachteil dieses Highscore-Prinzips hielt, wenn man außerhalb einer Spielhalle unterwegs war).

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Apropos ich: Supermampfers Rache war definitiv bei meinen ersten passiven Spielerlebnissen dabei – und zwar wohl deshalb, weil es das Lieblingsspiel meiner Schwester auf dieser Konsole war. Das heißt zwar nicht, dass sie es oft spielte, aber wenn die G7000 (die damals keinen fixen Platz in unserem Wohnzimmer hatte, sondern immer erst aufgebaut werden wollte) lief, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass es eben genau dieses Spiel war, das auf dem Fernseher zu sehen war. Und in dem Alter, in dem ich damals war (wir sprechen hier von wirklich früher Kindheit), war es kein Wunder, dass ich das auch bald probieren wollte. Aber im Gegensatz zu manch anderem Spiel (Burgenschlacht war z.B. viel leichter erlernbar) verzweifelte ich hier immer wieder am Schwierigkeitsgrad, an der taktischen Planung und ging eher mit dem Kopf durch die Wand – ich war einfach noch nicht so weit, hier wirklich taktisch vorzugehen. Spiele werden oft als „Kinderkram“ abgetan, aber ich war definitiv noch zu jung, als ich meinen ersten Kontakt mit Super Mampfers Rache hatte, um die Feinheiten des Gameplays zu begreifen. Aber typisch Kind gab ich nicht auf, sondern versuchte es immer und immer wieder. Und nach einiger Zeit (die G7000 war wirklich lange Jahre aktiv, sogar, als der C64 schon daheim stand) wurde ich sogar noch recht gut darin.

Vielleicht vermisse ich Supermampfers Rache sogar deswegen – es war kein leichter Sieg. Es war im Gegenteil eine Erfahrung, an der ich erst wachsen musste. Es war aber auch eines jener Spiele, bei denen die Qualität so sehr passte, dass ich selbst nach dem C64 (wo das Spieleangebot ja zum Teil nicht nur technisch, sondern auch spielerisch besser war) immer wieder zu diesem Titel zurückkehrte. Es machte einfach Spaß, den Wurm zu jagen und aufzufuttern, eine gute Abkürzung zu nutzen oder einfach nur zu hoffen, dass einem ein Gegner nicht den lebensrettenden Ausgang versperrte. Und so denke ich noch heute oft an Super Mampfers Rache zurück – nicht nur, weil es eine schöne Kindheitserinnerung war, sondern auch, weil es eigentlich qualitativ (in meinen Augen) mit PacMan mitspielen hätte können. Dieser Ruhm blieb dem Titel dann aber leider doch verwehrt.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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