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Spiele, die ich vermisse #109: Zak McKracken and the Alien Mindbenders

Zwei Wochen sind seit meinem letzten Eintrag vergangen – ich weiß, nicht das, was ihr von mir gewohnt seid. Das hatte allerdings einen guten Grund: Ich wurde gefragt, ob ich für den Point and Click Game-Jam für ein Adventure im 80s/90s-Stil die Musik beisteuern würde. Wer weiß, dass ein solcher Jam nur kurze Zeit dauert, kann sich vorstellen, dass das ein wenig stressig wurde. Auch wenn das Spiel namens „A Fragment of Her“ nicht ganz fertig geworden ist (die Jungs müssen noch fleißig weiterprogrammieren, meine Musik habe ich allerdings schon fertig abgeliefert), kann man sich den Beginn schon runterladen und anspielen. Warum ich das erzähle? Weil ich natürlich momentan ganz auf 80s Adventures gepolt bin, und gemeinsam mit der Tatsache, dass Ron Gilbert momentan ein Retro-Adventure auf Kickstarter hat (Thimbleweed Park, mehr darüber auch im aktuellen Shock2-Podcast), ist das Grund genug, einen echten Adventure-Klassiker zu vermissen. Und nein, ich meine jetzt nicht das auf der Hand liegende Maniac Mansion, sondern vielmehr dessen „Nachfolger“: Zak McKracken and the Alien Mindbenders.

In einer nicht allzuweit entfernten Zukunft – genauer gesagt: 1997: Zachary (kurz: Zak) McKracken ist Journalist und arbeitet für den National Inquisitor (leicht erkennbar wird hier der National Enquirer persifliert, ein bekanntes Revolverblatt). Dieser Job macht ihn nicht besonders glücklich, träumt er doch vom Purlitzerpreis und/oder seinem ersten Roman. Sein Chef ist davon allerdings nicht besonders begeistert und gibt ihm gleich zwei Aufträge: Einerseits einen Artikel über ein gewalttätiges, zweiköpfiges Eichhörnchen, das Camper attackiert, andererseits einen Text über das Auftauchen des ersten Ufos vor genau 50 Jahren. Doch bevor er aufbrechen kann, hat er einen seltsamen Traum: Er träumt von sich selbst, vom Mars (samt Karte), einer Frau, Aliens, einem seltsamen Gerät mit drei Kristallen und diesen seltsamen Brillen mit falscher Nase und Bart.

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Wie das alles zusammenhängt? Spätestens, als wir den Fernseher einschalten, ergeben sich gewisse Antworten auf diese Fragen: Die mysteriöse Frau stellt sich als Wissenschaftlerin Annie Larris heraus und die Verbindung zum Mars lässt sich durch Melissa China und Leslie Bennett erklären, zwei Yale-Studentinnen, die aufgrund einer Traumbotschaft ihren Van in ein Raumschiff umgebaut haben und zum Mars gereist sind, aber noch immer nicht genau wissen, was dort zu tun ist. Aber kaum lüften sich gewisse Mysterien, tauchen neue auf: Eine Verdummungsepidemie überrollt die Erde, ausgelöst durch einen Brummton in den Telefonleitungen. Noch weiß Zak nicht, dass dahinter Aliens stecken, die sich mit seltsamen Nasenbrillen und Hüten tarnen – und selbst wenn er es wüsste: Wer würde einem Autor eines Schmierblattes schon so eine Geschichte glauben? Also muss er – schon bald in Zusammenarbeit mit den drei Frauen – sich auf die Jagd nach den Einzelteilen der Maschine einer anderen außerirdischen Zivilisation begeben, die den Plan der Aliens vereiteln kann. Leider sind die Einzelteile über die ganze Welt verstreut – und auch der Mars ist eine lohnenswerte Destination …

Zak McKracken gilt als das zweite LucasFilm-Adventure (was nicht ganz stimmt, denn eigentlich ist Labyrinth auch ein Adventure und deshalb der erste Titel des Genres aus der LucasFilm-Schmiede noch vor Maniac Mansion), unterscheidet sich aber gewaltig von seinem direkten Vorgänger. Maniac Mansion erzählte die eigentlich recht dünne Geschichte von der Entführung eines Mädchens, die drei Freunde aus einem sehr seltsamen Haus retten mussten. Im Vergleich dazu ist die Geschichte von Zak McKracken deutlich komplexer (wird aber dennoch nicht nur durch Cutscenes, sondern auch durch Ereignisse während des Spiels erzählt) und die Menge der zu erkundenden Orte viel größer. Schon nach einer kurzen Tour durch San Francisco (inklusive einigen ersten bemerkenswerten Ereignissen, wie der Begegnung mit dem steinharten Brot (und ja, das Zeug IST hart)) steht ihr nämlich auf dem Flughafen und könnt durch die Weltgeschichte gondeln. Klar – die meisten Locations bestehen aus nur wenigen Räumen (wenn nicht sogar überhaupt nur einem), aber dennoch haben sie alle eine Funktion im Laufe der Handlung. Ich will an dieser Stelle gar nicht spoilern, aber erwähne kurz, dass dabei so illustre Orte wie Stonehenge, das tiefste Tibet und auch das Bermudadreieck (mit einer Rock-Begegnung der ganz besonderen Art) einen Auftritt haben. Ich persönlich wäre fast so weit, Zak McKracken als DAS Open World-Adventure der Spieleschmiede zu bezeichnen, die sich ja nur allzu oft auf kleinere, abgeschlossene Gebiete konzentrierte, denn selbst Sam & Max: Hit the Road mit seiner Vielzahl an Schauplätzen kann nicht an die Menge an Locations in Zak McKracken anschließen.

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Andere Beobachter gehen soweit, Zak McKracken als das „erwachsenste“ Adventure LucasArts‘ zu bezeichnen. Damit meinen sie aber nicht Themen, die nur für Erwachsene gedacht sind – Sex und Gewalt haben in LucasArts-Spielen generell keinen hohen Stellenwert, und dieses ist nicht anders. Damit gemeint ist wohl eher, dass Zak McKracken mit Popkultur und NewAge-Ideen aufwartet und etliche Verschwörungstheorien aufgreift – nicht umsonst gibt es einen weiteren Vergleich, der oft und gerne gebracht wird: Zak McKracken sei ein wenig wie Akte X. Nachdem ich zugeben muss, dass diese Serie ein wenig an mir vorbeigegangen ist (ja, ich weiß, ein weißer Fleck auf meiner Serienlandschaft), kann ich das jetzt nicht unbedingt bestätigen, aber ich wollte es nicht unerwähnt lassen.

Zum Thema „erwachsenstes“ Adventure habe ich mir allerdings schon meine eigenen Gedanken gemacht: Zak McKracken hat seinen ganz eigenen Humor – so wie bei (fast) jedem Lucas-Adventure ist jede Menge Augenzwinkern im Spiel versteckt. Tatsache ist aber auch, dass dieser nicht unbedingt auf kleinen Pointen basiert, sondern mehr das Gesamtkonzept des Spiels durchzieht. Natürlich ist die Handlung schräg – Aliens, die per Telefonnetz die Menschheit verdummen und glauben, Hüte mit Nasenbrillen sind eine gute Tarnung (dass diese auch noch funktioniert, ist da ja das Tüpfelchen auf dem i)? Studentinnen, die per Minivan zum Mars reisen? Elvis? –, aber in sich gibt es schon das Gefühl einer großen Bedrohung, die wir abwenden müssen. Sozusagen ein Epos (wir retten die Menschheit) nach dem „Kammerspiel“ und einer persönlicheren Aufgabe, die wir in Maniac Mansion durchführen mussten. Dennoch würde ich mit einem Blick auf das Gesamtwerk von LucasArts den Titel „erwachsenstes Adventure“ nicht an Zak McKracken verleihen – der Preis würde wohl an The Dig gehen.

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Mit einem Blick auf das Gesamtwerk muss man auch das Spiel sehen, das als erst zweites SCUMM-Spiel natürlich Parallelen zu den späteren Verben-Adventures wie Indiana Jones and the Fate of Atlantis und Monkey Island 1 bzw. 2 aufweist, aber auch ganz klar zeigt, wie stark sich die Spiele in den folgenden Jahren noch entwickeln sollten. Der Bildschirm ist hier quasi noch viergeteilt – ganz oben eine Textzeile, in der die Dialogtexte eingeblendet werden, dann der Blick auf die diversen Räume, gefolgt von den Verben und dann darunter das Inventar. Diese Aufteilung gab es in dieser Form bereits in Maniac Mansion und sollte es auch noch im folgenden Indiana Jones and the Last Crusade geben und waren laut den Entwicklern der Entwicklungsplattform C64 geschuldet – erst mit dem ersten Monkey Island (Loom lassen wir hier mal außen vor) wurde hier umgestaltet, wobei das Inventar neben die Verben und die Dialogzeilen in die Szene verlegt wurde (was es auch leichter machte, zu erkennen, wer hier eigentlich spricht).

Und auch sonst zeigen sich Unterschiede – darunter zum Beispiel, dass Zak McKracken noch 14 Verben besitzt (zum Vergleich: die letzte Version des Verbeninterfaces, die von Monkey Island 2 bis Day of the Tentacle benutzt wurde, hatte nur noch neun). Interessant dabei: Es gibt noch ein eigenes „Gehe zu“-Verb (dieses wurde später impliziert, wenn man kein anderes Verb verwendete), es gibt kein „Schau an“ (was bedeutet, dass man sich keine Beschreibungen von Gegenständen geben lassen kann – „lesen“ ist allerdings als eigenes Verb möglich); dafür gibt es Verben, um Dinge ein- und auszuschalten (später macht man das einfach mit „benutze“) sowie zwei Schlüsselwörter, um Dinge an- und auszuziehen (auch dies übernimmt später „benutzte“). Das wohl unklarste Verb (auf den ersten Blick zumindest) ist allerdings „Was ist“. Dabei handelt es sich nicht um eine Variante von „Schau an“ (wie schon gesagt, ist diese Funktion in den frühen SCUMM-Spielen nicht vorgesehen), sondern vielmehr um ein spezielles Verb, das es euch erlaubt, den Screen nach Hotspots abzusuchen. Richtig gehört: Wer einen Hotspot sucht, kann hier noch nicht einfach über den Screen fahren, sondern muss zuerst das richtige Verb aktivieren und DANN den Cursor über den Bildschirm bewegen. Das ist auch einer jener Punkte, an denen sich Zak McKracken für den Adventurespieler von heute leider so richtig alt anfühlt – der Bedienkomfort ist einfach nicht der, der er sein sollte.

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Moment, nur für den Adventurespieler von heute? Leider nein, denn eigentlich beginnt auch meine persönliche Geschichte mit dem Spiel mit genau dieser Erfahrung. Da meine eigene Adventuregeschichte erst mit Monkey Island so richtig begann, habe ich die Frühwerke von LucasArts erst danach nachgeholt. Und hier zeigt sich, dass im Vergleich zu heute manchmal sehr wenig Zeit (Zak McKracken: 1988, Monkey Island: 1990) sehr viel ausmachen kann. Der Bedienkomfort (gemeinsam mit der natürlich nicht ganz so gut gealterten Grafik) schreckte mich lange Zeit davon ab, mich zu sehr mit dem Spiel zu beschäftigen. Und damit nicht genug, darf man nicht vergessen, dass Zak McKracken noch nicht der LucasArts-Designphilosophie folgt, laut der man a) nicht sterben und b) niemals steckenbleiben kann. Zwar sprechen wir hier noch immer nicht von einem Sierra-Adventure, bei dem der Tod oder die Sackgasse an jeder Ecke lauern, aber dennoch ist es nicht ausgeschlossen, einen Fehler zu machen, der sich eventuell deutlich später rächt und euren Fortschritt blockiert.

Darüber hinaus macht es Zak McKracken dem Spieler nicht ganz einfach, ins Spiel zu kommen. Die offene Natur des Spiels gibt euch zwar ein paar Anfangsclues, aber recht rasch zeigt sich die offene Natur des Titels mit einer grundlegenden Aufgabe, aber recht wenigen klaren Hinweisen. Wohin soll ich fliegen? Was kann ich wo tun? Wird meine Kreditkarte den Flug noch aushalten? Und wie zum Geier soll ich jemals die richtigen Lottozahlen erraten? All diesen Fragen muss man sich im Laufe des Spiels stellen und sich die Antworten dazu oftmals selbst zusammenreimen. Klar, im Laufe der Zeit muss man alle Locations besuchen und fast alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist, aber da man aufgrund der schon genannten „Was ist?“-Problematik und einigen sehr kleinen Hotspots leicht Gegenstände übersieht, kann hier schon ein wenig Frust aufkommen.

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Jetzt habe ich einiges an Kritik anklingen lassen – und dennoch möchte ich hier, mitten in meinem persönlichen Block dieses Blog-Eintrages, betonen, dass man sich davon nicht abschrecken lassen sollte. Denn nicht umsonst ist Zak McKracken bis heute ein beliebtes Adventure, das ganz oben auf der Wunschliste für ein Sequel steht. Wo liegen also die Qualitäten des Spiels? Wenn ihr mich fragt, vor allem darin, wunderschöne Momente und Szenen zu inszenieren. Was sich mir eingebrannt hat? Die Szene mit dem stahlharten Brot, das wirklich niemand mehr essen sollte, dafür andere Qualitäten hat; die grandiose Lösung der Frage, wie man eine Stewardess dazu bringt, einen nicht mehr beim Durchsuchen des Flugzeuges zu stören (die gleichzeitig meine Lektion dafür war, Eier niemals in der Mikrowelle zu garen); die Szene in Stonehenge und die Begegnung mit einem Guru in Tibet; der Flug ins Bermudadreieck samt unglaublicher Begegnung der dritten Art. Etliche Hommagen an Maniac Mansion, wie das Benzin für die Kettensäge oder das Werbeplakat in San Francisco. Und vor allem das, was passiert, wenn man dem Verdummungston ausgesetzt wird: Nach und nach verschwinden die Verben, eines nach dem anderen, bis man schließlich nicht einmal mehr gehen kann. Nein, das ist nicht fatal – kann man dem Ton entkommen, kehren die Möglichkeiten nach und nach wieder zurück und man kann normal weiterspielen. All diese Punkte kompensieren die schon erwähnten Schwachpunkte – ja, fast bin ich sogar geneigt, dem Spiel die zahlreichen Labyrinthe zu verzeihen, in denen man sich heillos verlaufen kann und die man nicht unbedingt gebraucht hätte.

Aber wir wollen diese Ausgabe wie immer positiv beenden: Warum vermisse ich Zak McKracken? Weil es ein wunderbares, offenes Adventure ist, das eine abgedrehte Geschichte erzählt, aber dennoch nicht die Dringlichkeit vermissen lässt, die die Story rund um die Bedrohung Außerirdischer benötigt, um Fahrt aufzunehmen. Weil Zak ein sympathischer Kerl ist, der mit seinen dazwischen getexteten Schlagzeilen das Geschehen wunderbar kommentiert und nie vergessen lässt, welchem Beruf er nachgeht. Und weil etliche Szenen im Spiel prädestiniert dafür sind, sich immer wieder an sie zu erinnern. So überdauert Zak McKracken in meiner Erinnerung die veraltete Bedienung und die altbackene Grafik (eine mit verbesserter Grafik ausgelieferte Version für den FM Towns wurde leider nie auf eine hierzulande verfügbare Plattform portiert). Und so ende ich mit einer (vermutlich vergeblichen) Hoffnung: Vielleicht gibt es ja doch eines Tages ein (offizielles) Wiedersehen mit dem Journalisten? Wobei, ich würde auch ein verbessertes Remake nehmen …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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