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Spiele, die ich vermisse #101: Lazy Jones

Willkommen zurück zur 101. Ausgabe von „Spiele, die ich vermisse“. Nachdem ich mich in der Jubiläumsedition recht ausgiebig einem bekannten Klassiker gewidmet habe, steht für die 101. ein eher unbekannter Retro-Titel an, der – wie schon zuletzt immer öfter – von meinem letzten Urlaub inspiriert wurde. Kennt ihr das auch? Große Hotels, überall Türen und man fragt sich, was dahinter lauert? Vielleicht verstecken sich dahinter ja Retro-Klassiker wie in Lazy Jones. Nie gehört? Dann lest einfach mal weiter.

Stellt euch vor, ihr seid ein Angestellter in einem Hotel, der eigentlich überhaupt keinen Bock auf seinen Job hat – eben der namensgebende „Lazy Jones“. Statt eure Arbeit zu machen, streift ihr aus der Seitensicht durch die drei Stockwerke des Hotels, die mit einem Aufzug verbunden sind, und macht die Zimmer unsicher, von denen es sechs pro Etage gibt. Aufpassen müsst ihr allerdings dabei auf die Wächter, die euch den Weg von Tür zu Tür schwer machen wollen – darunter der Hotelmanager, der euch natürlich zurück zur Arbeit bringen will, der Geist eines seiner Vorgänger, und ein verzauberter Putzwagen. Zum Glück kann man mit dem richtigen Timing über diese einfach drüberspringen, damit man keines seiner Leben aushaucht.

LazyJones_Animation

Der eigentliche Kern des Spiels ist allerdings nicht der Weg zu den Türen, sondern das, was sich hinter den Türen versteckt. Dort befinden sich nämlich(im Normalfall) keine typischen Zimmer für ein Hotel, sondern Arcade-Maschinen mit Minigames, die oft an bekannte Klassiker erinnern. So müsst ihr in Jay Walk ganz im Stil von Frogger eine stark befahrene Straße überqueren, um eine Frau zu küssen (und das ganze dann gleich wiederholen, um eine andere auf der anderen Seite zu erreichen), und hinter Laser Jones versteckt sich eine Variante von Space Invaders. Andere Spiele sind nicht ganz so einfach einzuordnen: In „The Turk“ müsst ihr eine Gabel so abschießen, dass sie gebratene Truthähne auf einem Förderband aufspießt, ohne dabei die Gabel in das Telefon (!) zu schießen, das sich zwischen Gabel und Förderband von links nach rechts bewegt. Eines haben diese 13 Minigames aber auf jeden Fall gemeinsam: Sie sind eher einfach und dennoch leicht zu begreifen.

Wenn ihr mitgerechnet habt, werdet ihr feststellen, dass natürlich noch drei Türen fehlen, wenn ich von nur „13“ Minigames, aber „drei Stockwerken á sechs Türen“ spreche. Das liegt daran, dass es noch die Bar (die ein eigenes Minigame beinhaltet, das aber nicht an einem Computer gespielt wurde) sowie eine Toilette und eine Abstellkammer gibt, die keine eigene Funktion beinhalten, außer witzige Animationen. Dennoch müsst ihr auch diese Räume betreten – und zwar aus einem ganz simplen Grund: Erstens weiß man im Vorfeld nie, welches Minigame sich wo verbirgt, zweitens müsst ihr alle Räume betreten haben, bevor das Spiel einen Durchlauf als beendet anerkennt und das Spiel von neuem startet – diesmal mit höherer Geschwindigkeit.

Lazy_Jones

Entwickelt und designed wurde der Titel von David Whittaker und von Terminal Software 1984 für C64, Spectrum, MSX und Tatung Einstein veröffentlicht. Der Entwickler sagt euch nichts? Dann solltet ihr euch mal die Liste seiner Credits ansehen, denn da ist ziemlich sicher etwas dabei, das ihr kennt. Nur ein paar Auszüge: Knight Games, Star Wars (1983), Elite, Wonderboy in Monsterland, die erste kommerziell lizenzierte Version von Tetris, Contra, Golden Axe, Lemmings 2: The Tribes, Wing Commander III und sämtliche LEGO-Titel von Traveller’s Tales. Allerdings war er bei all diesen Spielen nicht als Designer verantwortlich, sondern konzentrierte sich nach Lazy Jones vor allem auf sein Spezialgebiet – die Computermusik (bei Traveller’s Tales ist er auch seit Jahren Head of Audio). Auch bei Lazy Jones stammt die Musik natürlich von ihm bzw. wurde von ihm umgesetzt und brachte ihm dabei einen echten Hit: Sein Musikstück #21 wurde von Zombie Nation 1999 als Basis für den Dance-Hit Kernkraft 400 verwendet.

Auch wenn ich mich an meine Zeit mit Lazy Jones (natürlich am C64) erinnere, fällt mir sehr schnell Musik ein – aber nicht #21, sondern die Untermalung des Minigames 99 Red Balloons, die – wie könnte es anders sein – eine Chiptunes-Version von 99 Luftballons war. Soweit ich mich erinnern kann, war das das erste Mal, dass ich den Song bewusst wahrnahm (vermutlich war das zweite Mal, dass es in den Songbüchern meiner Schwester für Gitarre aufschien – aber da bin ich mir nicht sicher). Das war zwar das Aufregendste an dem Spiel (in dem Titel musste man zwei Ballons einsammeln, mit diesen nach oben schweben, ohne von den Pfeilen, die ein fliegender Bogen abschoss, abgeschossen zu werden, um (mal wieder) eine Frau zu küssen, und dann wieder nach unten gelangen, ohne abzustürzen, um zur nächsten zu gelangen), aber dennoch hat es sich irgendwie eingebrannt.

lazy-jones-c64-99-red-balloons

Das trifft aber generell auf Lazy Jones zu. Es war bei den ersten Spielen, die ich auf dem C64 gespielt habe, dabei, und eigentlich aus heutiger Sicht nichts Besonderes. Die Spiele waren damals schon fast zu simpel und oft nichtmal besonders gut umgesetzt, aber dennoch machte es Spaß, die Gänge zu durchstreifen; eben ein klassischer Fall von: Die Summe aller Teile ist irgendwie deutlich besser als die Einzelteile selbst. Das klingt jetzt aber vielleicht negativer, als ich vorhatte, zu klingen, denn die Minispiele taten das, was sie sollten: Sie machten eine kurze Weile – und besonders lang war das Zeitfenster, in dem man sich mit ihnen beschäftigen konnte, bevor man den Raum verlassen musste, ohnehin nicht – Spaß. Ja, sie waren schon damals irgendwie retro und heute fragt man sich ernsthaft, wie soetwas jemals Spaß machen konnte, aber es hat funktioniert und unterhalten. Ob man dann nach einem Durchlauf wirklich noch einen zweiten Durchlauf wagen wollte, blieb einem ja selbst überlassen – ich hatte danach allerdings meistens genug.

Also, warum vermisse ich Lazy Jones? Weil ich das Konzept irgendwie witzig fand. Jede Menge Türen, dahinter ein Minispiel, das man kurz spielen konnte, und dann musste man zum nächsten weiter, weil die Tür in Zukunft verschlossen blieb. Aus heutiger Sicht – damals hätte ich das nicht sagen können – war Lazy Jones also eigentlich mein erster Titel, den man irgendwie zum Partyspiel-Genre zählen konnte (wenngleich es keinen Multiplayer gab, der das Spiel endgültig zu diesem Genre zugehörig gemacht hätte). Außerdem: Auch wenn sie simpel waren, sind doch einige Minigames für immer hängen geblieben – darunter die Geschichte mit den Truthähnen oder die Ballons – nicht nur, wegen des Chiptunes, der aber auch irgendwie für immer 99 Luftballons mit Lazy Jones verknüpfte (was auch ein Grund ist, dieses Spiel zu vermissen). Zu „vermissen“ gehört wohl auch, dass die Lazy Jones-Spiele zwar fast allesamt Klassiker-Rip-offs waren, die ich aber oft nicht kannte – meine erste Version von Break Out spielte ich deshalb hier und nicht im Original. Und zuletzt vermisse ich das Spiel wohl auch deshalb, weil Lazy Jones für immer ein gutes Beispiel bleiben wird, wie einfach die spielerischen Zeiten damals in den 80ern waren und wie die einfachsten Dinge damals Spaß machen konnten … heute würde das wohl nicht mehr funktionieren. Aber das ist eben retro, wie es leibt und lebt …

Lazy-jones

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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