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Special: Warum spielen wir? Die fünf Gründe fürs Spielen!

Schon seit unsere Vorfahren vor Äonen von Jahren in ihren primitiven Bauten Tennis auf dem Magnavox Odyssey spielten oder sich in heute ausgestorbenen Spielhallen zu High-Score-Jagden in Pac-Man und Space Invaders herausforderten, stellt sich der interessierte Mensch dieselbe Frage: Warum denn das Ganze? Warum spielen, wenn man doch eigentlich viel produktiver sein, Häuser und Brücken bauen oder Familien gründen könnte? Mit der zunehmenden Bewegung des Videospielmarktes in den unbestrittenen Mainstream und die dadurch einhergehende Erweiterung der Spielerbasis auf ein Vielfaches, wächst dabei auch die Auseinandersetzung mit dem Grund des Spielens, dem stundenlangen Verbringen in digitalen Welten, in fernen Galaxien oder auf apokalyptischen Schlachtfeldern. Wo liegt die Faszination, die uns als Spieler immer wieder zurück in unsere geliebten Cyber-Welten bringt? Ist es die Herausforderung, der wir uns stellen können und die uns jedes Mal aufs Neue an die Grenzen unserer Fähigkeiten und Geduld bringt? Ist es der Spaß, mit anderen zu spielen, sich per High-Scores und im Mehrspielermodus zu messen und seine spielerischen Fertigkeiten zu beweisen? Oder sind es – ganz im Gegenteil – die isolierte, alleinige Entdeckung faszinierender Welten, das Erkunden ihrer Geheimnisse und das Finden von durch clevere Entwickler versteckte Easter-Eggs? Tatsächlich ist diese Frage gar nicht einmal so einfach zu beantworten, viel zu facettenreich und voneinander differenziert sind die heutigen Videospieler, die sich in den globalen High-Score-Listen, Mehrspieler-Arenen und Spieleforen finden lassen. Ein einfacher, trivialer Grund, warum wir spielen, scheint sich nicht finden zu lassen – beziehungsweise ist schon gar nicht auf die allgemeine Spielerschaft anwendbar. Nach Monaten der Recherche, unzähligen verbrachten Stunden in Internetforen und auf bizarren Fanblogs und nach Dutzenden internationalen Spionageausflügen in die verstecktesten Winkel der digitalen und realen Welt gelang es uns aber doch, die komplexen Beweggründe für das Spielen von Videogames auf zumindest fünf Kategorien zu minimieren. Fünf Kategorien, die auf unterschiedliche Weise erklären, womit sich die Lust am Videospielen begründen lässt, und die für jeden Gamer einen Platz bieten sollten. Dabei muss aber auch angemerkt werden, dass diese Untergruppen keineswegs den Anspruch erheben, nicht in Zukunft erweiterbar zu sein, noch sind sie voneinander exklusiv. Ein durchschnittlicher Videospieler sollte dabei schon zumindest zwei Kategorien finden, in denen er sich heimisch fühlen kann, je nach Stimmung und Laune könnten sogar alle fünf Kategorien auf einen einzelnen Mensch angewendet werden. Im Vordergrund steht aber vor allem eines: Der Versuch zu erklären, was unseren allerliebsten Zeitvertrieb denn jetzt tatsächlich zu unserem allerliebsten Zeitvertreib macht und warum wir auch nach unzähligen frustrierenden Stunden in den endlos erscheinenden herausfordernden Welten von Dark Souls oder ewigem Warten vor dem Update-Bildschirm unserer Konsole auf die neueste Firmware immer wieder in unsere virtuellen Welten zurückkehren. Und vielleicht wird es uns dabei eines Tages sogar gelingen, einen einzigen, hieb- und stichfesten Grund für das Spielen zu finden, eine einzige Formel, die endlich alles erklären wird. Bis dahin sollten die folgenden Kategorien aber schon mal ausreichen.

Der Entdecker
Typische Spiele: Super Mario Galaxy, Journey, Assassin‘s Creed

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Bevor wir uns damit beschäftigen, warum Spiele denn eigentlich Spaß machen, müssen wir uns zu Beginn erst einmal die Frage stellen, was Spaß denn überhaupt ist. Eine relativ simple, biologische Erklärung dafür bietet die Neurowissenschaft. Wird der Mensch nämlich mit einer neuen Situation oder Information konfrontiert, schickt das Gehirn diese an den Hippocampus weiter, den Sitz des Langzeitgedächtnisses. Dort wird die Information mit bereits bekannten Mustern verglichen, werden keine oder nur wenige Übereinstimmungen mit bereits erfahrenen Erinnerungen gefunden, lässt das Gehirn den Neurotransmitter Dopamin frei, das berühmte Glückshormon. In der „Too Long, Didn‘t Read”-Fassung bedeutet das dann einfach: neue Informationen und Erfahrungen = Spaß. Ein Zugang, der sich besonders bei unserer ersten Spielergruppe, dem Entdecker, erkennen lässt. Der findet sein Grundbedürfnis am Spielen nämlich hauptsächlich durch eines befriedigt: die ständige Auseinandersetzung mit neuen Spielinhalten, mit versteckten Boni oder besonders schönen, aber schwer erreichbaren Spielorten. Er ist der Abenteuerurlauber unter den Spielern, der nicht nur versucht, die Grenzen eines Spiels zu entdecken, sondern darüber hinaus diese auch zu brechen, versteckte Glitches zu finden, die einem dabei helfen, ein Level zu überspringen und damit die vom Entwickler vorgefertigten Mechaniken zweckzuentfremden. Manchmal will der sich Entdecker aber auch nur wunderschöne Spielwelten ansehen und bewundern. Das macht nämlich auch Spaß.

Der soziale Mensch
Typische Spiele: Nintendo Land, Borderlands 2, Guitar Hero
wii-avatarIn eine andere Richtung als der Entdecker bewegt sich der soziale Spieler. Der findet seinen Spaß am Spielen nämlich durch die Interaktion mit anderen Menschen, im Online-Mehrspielermodus genauso wie gemeinsam mit anderen vor dem Fernseher. Hierbei steht einerseits die Bedürfnisbefriedigung durch das Messen mit seinen Mitspielern im Vordergrund, das direkte Antreten am Schlachtfeld, auf der Rennbahn oder mit der Gitarre in der Hand, andererseits bietet sich hier auch noch die Möglichkeit an, eher passiv – durch das Vergleichen von High-Scores, Achievements und Bestenlisten – gegen seine Herausforderer anzutreten. Dabei müssen Spiele nicht einmal wirklich für Mehrspielerpartien ausgelegt sein, online hochgeladene Videos von Speed-Runs oder Boss-Challenges beweisen, dass auch Einzelspielertitel Platz zum Gegeneinanderantreten bieten. Aber nicht nur die gegnerische Auseinandersetzung, auch das Miteinanderspielen steht für den sozialen Gamer im Vordergrund. Denn gerade menschliche Mitspieler bringen oft die ausreichende Prise Chaos ins Spiel, die KI-Partner nicht bieten können und die ein Spiel gerade besonders interessant machen. Warren Spector, Erfinder von Deus Ex und Mickey Epic, nennt seine Faszination am Miteinanderspielen, zu seiner Zeit noch mit Bleistift und Papier und Dungeons & Dragons, als einen der Hauptgründe, warum er sich überhaupt einen Job in der Videospielindustrie gesucht hat: „Wir spielten dieses Spiel und erzählten unsere eigene Geschichte zusammen”, sagt Spector beispielsweise. „Es war nicht als ob wir eine Geschichte lesen würden oder eine Geschichte erzählt bekommen haben, sondern unsere ganz eigene Geschichte, die niemand anderes auf der Welt so erfahren hat. Und nichts war cooler als das.”

Der Adrenalin-Junkie
Typische Spiele: Uncharted, Call Of Duty, Gears of War

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Möglicherweise eine der jüngsten Gattungen von Spielern – aber auf jeden Fall eine der am schnellsten wachsenden – ist der Adrenalin-Junkie, der Gamer, bei dem schnelle Action, ein mitreißender Soundtrack und cineastische Effekte im Vordergrund stehen. Als der Blockbuster-Fan unter den Spielern sucht der Adrenalin-Junkie in erster Linie nicht die extrem schwere Herausforderung oder unendlich erkundbare Welten, sondern vor allem das Abschalten vor dem Fernseher, wo man sich ohne zu langes Warten oder Tutorials schnell und effizient auf eine unterhaltsame Achterbahnfahrt begeben kann. Die ausgeschütteten Glückshormone ähneln hier in etwa denen, die ein richtig packender Actionfilm im Kino oder ein Tag im Vergnügungspark auslösen können. Das lineare Vorwärtsstreben auf ein Ziel, dessen Erreichen durch laute Musik, heftige Explosionen und heroische Charaktere unterstützt wird, löst dabei besondere Mengen an Dopamin aus und gibt dem Spieler schnell den von ihm gesuchten Spaß. Im Gegensatz zum passiven Kinogehen, hat das Spielen hier aber bereits einen deutlichen Vorteil in der Bedürfnisbefriedigung seiner Spieler, denn durch die Möglichkeit, auf den Handlungsverlauf und die Action aktiv einzugreifen, wird gleichzeitig das Gefühl von Kontrolle vermittelt. Kontrolle, die gleichzeitig auch eine gewisse Sicherheit und Selbstbestimmung mit sich bringt und dadurch das mögliche Vergnügen noch weiter steigert.

Der Herausforderer
Typische Spiele: Demon’s Souls, ZombiU, Mega Man

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Eine der mittlerweile klassischsten Gruppen von Gamern ist der Herausforderer, der Spieler, der sich seinen eigenen Grenzen stellt und diese zu brechen versucht, der sich auch durch die frustrierendste Sequenz hindurch nicht davon abbringen lässt, sein Spielziel zu erreichen. In der Neurowissenschaft wird dieser Zugang zur Bedürfnisbefriedigung bei Spielen durch das Streben nach Belohnung und dem dadurch ausgelösten Ausstoß von Glückshormonen erklärt. Werden besonders herausfordernde Aufgaben bewältigt, belohnt einen das eigene Gehirn mit einer guten Portion Dopamin, ein biologischer Prozess, der vor allem beim Lernen von neuen Informationen oder Bewältigen von neuen Aufgaben besonders hilfreich ist. Bei Videospielen ändert sich dabei auch nicht besonders viel, wichtig ist hierbei jedoch vor allem, dass die Herausforderung – egal wie schwer – nie als unfair wahrgenommen wird. Denn dann kann sich der Spaß des Spielers schnell in Frustration umwandeln. In der realen Welt zeigt sich das besonders oft im Arbeitsalltag und den damit einhergehenden Herausforderungen, die auf einer täglichen Basis bewältigt werden müssen. Untersuchungen zeigen nämlich, dass gerade hier die Belohnung für das erfolgreiche Überwinden eines Problems von vielen als zu gering wahrgenommen wird. Bei Videospielen verhält sich der Belohnungsaspekt genau gegenteilig und gibt Spielern den Erfolgsmoment, der durch das Bezwingen einer Herausforderung erwartet wird. 

Der Identitätssuchende
Typische Spiele: The Elder Scrolls: Skyrim, Die Sims, Minecraft
steveminecraft_610Eine der am öftesten gegebenen Antworten auf die Frage nach dem „Warum des Spielens“ ist der persönliche Wunsch nach einer anderen Realität, das Abschalten seiner täglichen Probleme und das Annehmen einer anderen Identität, in einer anderen Welt mit neuen Herausforderungen. Das bedeutet aber bei weitem nicht, dass der identitätssuchende Spieler Realitätsflucht begeht oder in anderen Worten es in seiner eigenen Welt nicht mehr aushält. Eine im Jahr 2011 an der Universität Essex durchgeführte Untersuchung zeigt vielmehr, dass Spieler oft einfach nur einmal ein anderes Paar Schuhe anprobieren und erleben wollen, wie es sich anfühlt, die Identität einer virtuellen Figur anzunehmen. „Wir waren besonders ermutigt durch die Funde, die uns zeigten, dass Leute nicht vor sich selbst davonlaufen, sondern vielmehr auf ihre persönlichen Ideale zulaufen”, sagt Dr. Andy Przybylski, der Initiator der Untersuchung. „Sie flüchten nicht ins Nirgendwo, sondern ins Irgendwo.” Der tägliche Stress kann leichter vergessen werden, wenn man sich für ein paar Stunden in eine andere Welt bewegt, oft ist es dabei auch gar nicht mehr der pure Spaß, der uns dazu bringt, ein Spiel zu spielen, sondern vielmehr die simple Entspannung, das Ausklinken, Zurücklehnen und Entdecken einer neuen Welt, mit neuen Bewohnern, Problemen und Herausforderungen. Und hier zeigen sich schlussendlich Facetten von jeder der fünf Spielergruppen, das Entdecken und Miteinanderspielen genauso wie die Herausforderung und die mitreißende Action im Körper seines virtuellen Helden. Und all das macht das Videospielespielen zum besten Hobby der Welt. Ist ja schlussendlich doch ganz einfach. (Christoph Sepin)

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