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Review: Beyond: Two Souls (PS4)

Es passiert gar nicht so selten, dass Hollywood-Regisseure nach einigen Jahren nochmals zu einem ihrer Werke zurückkehren um sich ihrer, mehr oder weniger stark verändert, als „Directors Cut“ nochmals zu widmen. Eigentlich nur logisch, dass auch der Mastermind der „interaktiven Filme“ David Cage seine „Spiele“ als HD-Versionen auf die PlayStation 4 bringt. Den Anfang macht Beyond: Two Souls, das vor einigen Tagen als Download im PSN-Store veröffentlicht wurde.

Dass man Beyond: Two Souls gar nicht so leicht in die üblichen Videospiele-Schubladen stecken kann, musste schon Kollege Martin Schubert bei seinem Test des PS3-Originals im Oktober 2013 anerkennen:

„Ich will nicht, aber ich muss.” Das waren die Worte, die mir durch den Kopf geisterten, als es nach guten elf Stunden an die Bewertung von Beyond ging.
Selten hat es ein Spiel gegeben, das so viele Leute in der Redaktion gereizt hat, aber gleichzeitig eine Grundsatzdiskussion über Wertungen, die Definition von Spielen und die Interaktion darin vom Zaun brach, wie der neuste Blockbuster von Quantic Dream. Leider fühle ich mich nach all dem Input immer noch etwas verloren, denn während die Reise zusammen mit den beiden Akteuren definitiv beeindruckend war, hat der Titel eindeutige Schwächen, die dem versierten Spieler gleich noch deutlicher ins Auge springen.

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Die Rückblenden in Jodies Jugend werden perfekt eingesetzt, um eine emotionale Brücke zu ihrem Charakter aufzubauen. Tiefes Mitgefühl für einen digitalen Charakter zu erwecken, ist eine starke Leistung!

Mein imaginärer Freund
Besonders kompliziert wird es jedoch, meine Erfahrungen aus dem Spiel zu kommunizieren, ohne etwas von den Ereignissen darin preiszugeben, die maßgeblich dazu beigetragen haben, eine emotionale Verbindung zu Jodie und ihrem beständigen Begleiter Aiden zu schmieden, die mich beinahe eisern an den Controller gefesselt hat und mich in jeder Minute des Spiels mitfiebern, mitleiden und mitfürchten ließ, bis schlussendlich die Credits über den Bildschirm liefen. Aber mal auf Anfang: Jodie (Ellen Page) hat es in ihrem Leben nicht leicht, denn seit ihrer Geburt ist sie mit der Entität Aidan verbunden, die für allerlei (aber nicht alle!) Vorfälle verantwortlich ist, die dazu führen, dass ihre Eltern sie in die Obhut des DPA-Forschers Nathan Dawkins (William Dafoe) abschieben, der nach einer persönlichen Tragödie so etwas wie eine Vaterrolle in ihrem Leben einnimmt. Im Zuge seiner Forschung erregt das begabte Kind jedoch bald die Aufmerksamkeit der CIA, die ihre Talente nur zu gerne im Feld einsetzen will. Somit beginnt für Jodie eine Odyssee rund um Verrat, ihre eigene Herkunft, ihren Platz im Leben und Dawkins Entdeckung, dass das Jenseits vielleicht nicht so unerreichbar zu sein scheint, wie wir alle glauben – und ihr als Spieler begleitet sie dabei.

Den asymmetrischen Koop-Modus kann man mittels App auch via Smartphone oder Tablet nutzen, was besonders für Mitspieler von Vorteil ist, die nicht so viel mit Controllern am Hut haben.
Den asymmetrischen Koop-Modus kann man mittels App auch via Smartphone oder Tablet nutzen, was besonders für Mitspieler von Vorteil ist, die nicht so viel mit Controllern am Hut haben.

Darf ich mal?
Begleiten ist auch ein sehr gutes Stichwort, denn die meiste Zeit dürft ihr dem Geschehen beiwohnen, allerdings kaum Einfluss darauf nehmen. Dadurch entsteht ein starker narrativer Eindruck, aber es fühlt sich oft unbefriedigend an, wenn ich nur ab und zu auf ein Knöpfchen drücken darf oder im richtigen Moment den Analogstick zur Seite reiße. Ähnlich verhält es sich mit der Entität Aiden, sobald dessen Einsatz erforderlich ist. Das höchste der Gefühle hierbei ist die Suche nach blauen Punkten, die euch zeigen, dass Aiden diesen Gegenstand/Person/Entität manipulieren kann. Eine bestimmte simple Aktion mit den Analogsticks und die Sache hat sich – leider minder spannend und die Suche nach besagten blauen Punkten entartet manchmal in ein wildes Herumgefliege, bis der gewünschte Farbklecks am Bildschirm auftaucht. Ebenfalls etwas ärgerlich ist die sehr unflexible Steuerung, die entweder extrem sensitiv wirkt (Stichwort: Pferd) oder aber wie eine Fliege im Sirupglas. Gepaart mit dem Unvermögen, Jodie in gewissen Szenen laufen zu lassen, ist man oft gezwungen, die junge Dame dabei zu beobachten, wie sie durch die Szenerie schlendert, obwohl ein flotterer Schritt der Stimmung keinen Abbruch getan hätte; das könnte ungeduldigen Naturen nicht bekommen. Apropos Szenerien: Diese sind auf den ersten Blick wunderschön gestaltet, doch auf den zweiten wirken viele Locations wie Theaterbühnen – hübsch, aber unflexibel. Stapft ihr z.B. durch den Schnee oder Sand, fühlt ihr euch wie Legolas, denn von Abdrücken fehlt jede Spur. Gräser, durch die ihr wandert, glänzen mit fehlender Substanz und Bewegungsarmut und auch sonst sind die Dinge, die nicht mit dem unmittelbaren Fokus der Charaktere zu tun haben, eher fahl und lieblos positioniert. Doch der starke Bezug auf die Charaktere hat auch sein Gutes, denn diese glänzen dafür umso mehr.

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Manchmal dürft ihr entscheiden, wie Jodie auf eine Frage reagiert, auch wenn nicht immer klar ist, wie diese Reaktionen zustanden kommen.

Oscarverdächtig
Egal was man Beyond auf spielerischer Linie vorwerfen kann, in puncto Besetzung und Inszenierung der Charakter macht es alles richtig. Die schauspielerischen Leistungen von Ellen Page, William Dafoe, Kadeem Hardison (Dr. Cole) und Eric Winter (CIA-Agent Ryan) sind absolute Spitzenklasse und das aufwendige Motion Capturing für die Produktion des Titels entschädigt für viele der oben angesprochenen Punkte. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man haargenau die Stimmung der einzelnen Charaktere an ihren Gesichtern ablesen kann (vor allem dank der ausdrucksstarken Mimik von Page und Dafoe) und wie hoch das Niveau ist, auf dem diese Charaktere miteinander interagieren. Genau aus diesem Grund werden viele auch die erwähnten Mängel gar nicht erst wahrnehmen, denn die Charaktere und ihre Geschichten sind oft so faszinierend und interessant, dass das Drumherum schnell in den Hintergrund tritt, um den Akteuren das Spotlight zu lassen. In Beyond herrscht ein ganz starkes Hollywood-Flair, das allerdings auch einige Probleme mit sich bringt.

Wenn in Actionszenen die Slow Motion einsetzt, müsst ihr den Analogstick schnell in die richtige Richtung drücken, um Jodie Schmerzen zu ersparen.
Wenn in Actionszenen die Slow Motion einsetzt, müsst ihr den Analogstick schnell in die richtige Richtung drücken, um Jodie Schmerzen zu ersparen.

Zwei Welten
Spiele und Filme erzählen ihre Geschichte auf eine unterschiedliche Art, und das hat auch seine guten Gründe, schließlich muss in einem Spiel ein gewisser Fluss herrschen, der nur unterbrochen werden sollte, um punktuelle Akzente zu setzen. Beyond, das sich selbst als interaktiven Film sieht, folgt in diesem Fall leider dem Hollywood-Ansatz und lässt euch die Geschichte von Jodie in Etappen erleben, die knappe fünfzehn Jahre ihres Lebens umspannen. Der Clou: Diese sind nicht in chronologischer Reihenfolge und werfen euch entweder als 9-Jährige in ein Labor, als 18-Jährige ins CIA-Trainingscamp und dann wieder vier Jahre zurück auf eine Geburtstagsparty. Besagte Szenen erzeugen eine tolle Stimmung und es ist spannend mitzuerleben, welche Ereignisse Jodie und andere Charakter formen, doch aus Spielersicht wird das Zeit-Hopping bald verwirrend, da man in einigen Szenen Jodies Verhalten bestimmen kann, ohne zu wissen, wieso sie auf eine Frage ausweichend oder ehrlich antworten sollte. Zwar sind diese Entscheidungen wie viele andere auch nicht maßgeblich für den Spielverlauf, wenn man aber erst zwei Etappen später den Grund für ihr Verhalten erfährt, fühlt man sich als Spieler außen vor gelassen, da man eine Entscheidung ohne Kontext fällen muss. Leider funktioniert eben nicht alles wie im Kino, speziell wenn interaktive Elemente im Spiel sind. Für die PS4-Neuauflage steht euch daher von Anfang an auch die Möglichkeit zur Verfügung, das Spiel in chronologischer Reihenfolge zu erleben, was besser funktioniert müsst ihr für euch selbst entscheiden, denn es ist Geschmackssache.

Aiden kann nicht nur Gegenstände manipulieren, auch Menschen sind vor ihm nicht sicher; besonders wenn sie Jodie wehtun wollen.
Aiden kann nicht nur Gegenstände manipulieren, auch Menschen sind vor ihm nicht sicher; besonders wenn sie Jodie wehtun wollen.

Technisch kann das Spiel zwar mit nativ für die PS4 entwickelten Spielen nicht mithalten, sieht aber noch immer sehr gut aus. Vor allem die Charaktere mit ihrer Mimik und Emotionen sind kaum noch erreicht. Exzellent sind auch die deutschen und englischen Tonspuren sowie der Soundtrack. Dieser stammt unter anderem von Hollywood-Komponist Hans Zimmer, der wie gewohnt das Gesehen stimmungsvoll untermalt. (Martin Schubert/mf)

Folgendes wurde gegenüber der PS3-Version verändert:

Das Spiel läuft nun mit einer Auflösung von 1080p und zudem deutlich flüssiger.

Die Grafik wurde dank Effekten wie Bewegungsunschärfe, Tiefenunschärfe, Bloom sowie Licht und Schatten verbessert und wirkt noch realistischer.

Der Lautsprecher des PS4-Joypads kommt zum Einsatz und bring ein Plus an Atmosphäre.

Das Spiel kann nun auch alternativ zur Originalreihenfolge der Abschnitte chronologisch durchgespielt werden.

Einige Kämpfe sind nun deutlich schwerer, dafür ist aber auch die Steuerung in diesen Actionsequenzen genauer.

Der DLC „Fortgeschrittene Experimente“ wurde integriert.

Das Spiel vergleicht nun nach jeden Abschnitt eure Entscheidungen mit denen anderer Spieler.

Review Overview

Wertung - 8

8

Directors Cut

Auch auf der PlayStation 4 ist Beyond kein anderes Spiel und bietet all die Stärken und die Schwächen des Originals auf der PS3. Vor dem Kauf solltet ihr euch also klar sein was euch erwartet und ob ihr euch auf die Story rund um Jodie einlassen wollt. So war und ist es auch nicht leicht das Spiel zu bewerten, der Titel strotzt nur so von Gegensätzlichkeiten. Bewertet man ein Spiel gut, wenn das Gameplay für das narrative Erlebnis so stark geopfert wird, dass man kaum noch von einem Spiel sprechen kann? Wie wertig ist dieses Erlebnis, wenn sich viele tolle Ideen darin finden, obwohl genau sooft auf stupide Hollywood-Action & Stereotypen gesetzt wird? Kann ich ein Spiel gut finden, das eigentlich die größte Sünde begeht und den Spielern über große Teile die Zügel einfach aus der Hand nimmt? Da ich Beyond quasi in einem Stück durchgespielt habe und komplett in Jodies und Aidens Leidensweg versunken bin, muss ich sagen, dass der Titel vielleicht nicht in ein klassisches Schema passt, aber, als Experiment gesehen, ein beeindruckendes Erlebnis ist, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Wer den Epilog erreicht hat, wird mir zustimmen, dass es mehr wie ein cooler Pilotfilm wirkt, leider hat David Cage erst vor kurzem wieder erwähnt, dass er derzeit an keinen direkten Nachfolger denkt. Wir haben uns dazu entschlossen die Vorzüge zu schätzen und freuen uns schon auf das angekündigte nächste Quantic Dream-Spiel. Im Frühjahr erscheint Beyond übrigens zusammen mit Heavy Rain auch auf Disc.

article_imgEntwickler: Quantic Dreams
Genre: Adventure
Plattform: PS4
Spieler: 1
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 30 Euro

 

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