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Review: XCOM 2: War of the Chosen

Das wird knapp: Nach vorsichtigem Anschleichen gelang es den Männern und Frauen der XCOM zwar, einige ADVENT-Soldaten in einen Hinterhalt zu locken, doch das resultierende Feuergefecht machte weitere feindliche Truppen auf uns aufmerksam. Die Uhr tickt, aber noch scheinen die Feindesmassen beherrschbar und das Ziel – ein Transponder der Besatzungstruppen – erreichbar zu sein. Das heißt, bis ER das Schlachtfeld betritt: Einer der Chosen, die schon lange Jagd auf uns machen und mit ihren gewaltigen Kräften Chaos auf dem Schlachtfeld anrichten. Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen, denn die letzten Begegnungen mit diesem mächtigen Gegner sind nicht gerade gut für unsere Truppen ausgegangen …

XCOM 2 War of the Chosen Review Test

Ist das XCOM 3?

Wenn Firaxis eine Erweiterung herausbringt, kann man damit rechnen, dass es nicht einfach nur Kinkerlitzchen wie ein, zwei neue Maps sind, die dem Spiel hinzugefügt werden. Schon bei der Civilization-Reihe und dem ersten „neuen“ XCOM haben sie beweisen, dass ihre DLCs zwar nicht günstig sind, aber dafür das Spielgefühl substanziell verändern und oft eine Vielzahl an Features bieten, die bei anderen Entwicklern schon Grund genug für einen neuen Vollpreistitel wären. Bei XCOM 2: War of the Chosen ist das nicht anders. Das Grundspiel bleibt als solide Basis vorhanden – noch immer führen wir einen Abwehrkampf gegen die Aliens, die die Erde übernommen haben, fliegen mit unserer mobilen Basis quer über den Globus, kämpfen in rundenbasierten Taktikgefechten gegen die Invasoren und erforschen außerirdische Technologien, um endlich einen Vorteil gegen unsere Unterdrücker zu haben und sie vielleicht von der Erde vertreiben zu können. Doch innerhalb dieses unveränderten Konzeptes wurde gehörig geschraubt und ergänzt, sodass eine Partie XCOM 2 euch mit diesem Add-on vor ganz neue Herausforderungen stellt.

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Neue Gegner

Ganz ohne klassische DLC-Inhalte kommt man allerdings auch bei Firaxis nicht aus – neben neuen Map-Typen gibt es einige neue Gegnervarianten, zum Beispiel ADVENT-Truppen mit Flammenwerfer bzw. psychischen Kräften. Wirklich im Fokus stehen allerdings zwei zusätzliche Arten von Feindeinheiten, die euch vor neue taktische Herausforderungen stellen. Da wären zunächst die Verlorenen, die XCOM-Version von Zombies. Diese sind allein recht schwach, treten aber immer in Massen auf. Gut, dass für sie eine Ausnahme von der klassischen „Zwei Aktionen pro Einheit und Runde und ein Angriff beendet die Runde für diesen Soldaten“-Regel gilt: Tötet ihr mit einem Angriff einen Verlorenen, bekommt ihr eine Bonusaktion. Dadurch kann man sich im Normalfall ganz gut durch die Gegnermassen metzeln – sofern man das denn will, denn die Zombies sind fraktionslos und greifen auch eure Gegner an. Das sorgt – genauso wie einige andere besondere Bedingungen, die auf manchen Karten herrschen – für Abwechslung in den Einsätzen. Ein ganz anderes Kaliber von Gegnern stellen die dem Add-on den Namen gebenden Chosen dar. Diese sind drei mächtige Krieger unterschiedlichen Typs, die euch eine ganze Weile beschäftigen werden. Sie beherrschen ein gewisses Gebiet und tauchen immer wieder unvermittelt in Einsätzen auf. Anders als die grundsätzlich ähnlich aufgebauten Alienherrscher des Alien Hunter-DLCs, die man normalerweise in mehreren Kämpfen nacheinander besiegen muss, ist es durchaus möglich, ihre HP in nur einem Einsatz auf Null zu bringen. Allerdings zwingt sie das nur zum Rückzug und wenig später werden sie euch erneut angreifen – voll geheilt, mit mehr Erfahrung und zum Teil auch neuen Fähigkeiten.

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Undercover

Dennoch gibt es eine Möglichkeit, die Chosen endgültig zu vernichten. Dafür benötigt ihr ein weiteres neues System, das War of the Chosen mit sich bringt: verdeckte Operationen. Damit könnt ihr eure Soldaten auf Einsätze schicken, die sie ohne euer weiteres Zutun absolvieren. Dadurch beschaffen sie zum Beispiel neue Wissenschaftler oder Ingenieure, sabotieren das Avatar-Projekt (das noch immer euer Spiel beendet, wenn es vollendet wird) oder ermöglichen euch mit dem Auffinden einer Chosen-Basis den finalen Kampf gegen einen Alien-Boss. Diese Missionen sind natürlich nicht ganz ungefährlich, aber bringen neben Erfahrung auch Reputation bei den diversen Fraktionen des Widerstandes. Ja, auch das ist eine Neuerung: Statt nur einem Widerstand gibt es nun drei zusätzliche, sehr spezifische Gruppierungen, die sich zu Beginn des Spiels noch bekriegen, allerdings etwas unrealistisch schnell ihre Vorurteile vergessen und euch unterstützen. Mit ihrer Hilfe könnt ihr gewisse Boni aktivieren (das dazugehörige Platzieren von „Karten“ auf je nach Reputation verfügbaren Slots erinnert uns spontan an Civilization VI), bekommt aber auch Zugriff auf drei neue Heldenklassen: Der Scharmützler nutzt seinen Enterhaken, um sich über die Karte zu bewegen, aber auch Gegner zu sich zu ziehen; der Schnitter ist ein Scharfschütze mit mächtigen Stealth-Fähigkeiten; und der Templer ein psionischer Nahkämpfer, der durch seine Angriffe stärker wird. Mit ihren mächtigen Fähigkeiten sind sie gerade in der Anfangsphase des Spiels eine wertvolle Unterstützung, und da sie anders als die normalen Soldaten sich nicht beim Aufleveln für einen von zwei Skills entscheiden müssen, sondern in einem Rollenspiel-artigen System Erfahrungspunkte (die ihr unter anderem für gutes taktisches Verhalten bekommt) für Fähigkeiten ausgeben können, werden sie rasch noch stärker. Deshalb ist allerdings auch ein Ableben dieser Einheiten schwerer zu verschmerzen.

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Soldatenbindung

Apropos Ableben: XCOM war schon immer bekannt dafür, weniger auf eine ausgefeilte Storyline zu setzen (die es aber dank gewisser gescripteter Maps natürlich trotzdem gibt), sondern eher sogenannte „emergent narrative“ zu bieten. Damit ist gemeint, dass ihr durch das Spielen eine Geschichte erlebt, die das Spiel so gar nicht vorgibt. Wird ein Soldat von kleinen Anfängen zum großen Krieger des Widerstands und stirbt dann einen Heldentod, kann das durchaus berührend sein, ohne vom Spiel mit Zwischensequenzen oder ähnlichem unterstützt zu werden. Genau hier legt XCOM 2 ein Schäufelchen nach und bietet neue Mechanismen, die nur zum Teil auch spielerische Auswirkungen haben. So können zum Beispiel Soldaten, die gemeinsam Einsätze durchstehen, eine Bindung eingehen und in Zukunft besonders gut zusammenarbeiten, was sich in der einfachsten Stufe zum Beispiel darin äußert, dass einer der beiden dem anderen einmal pro Einsatz eine zusätzliche Aktion schenken kann. Allerdings ist diese Bindung nicht ohne Haken, denn segnet ein wichtiger Kamerad das Zeitliche, wird das den überlebenden Soldaten aus der Bahn werfen. Auch sonst gibt es einige neue Effekte, wie Erschöpfung, die Soldaten von ihren Einsätzen mitbringen, und Ticks, die Veteranen plagen. Zwanghaftes Nachladen oder Panik, wenn gewisse Alientypen auftauchen, können ziemlich böse enden, geben euren Soldaten aber auch ein ganz eigenes Profil. Nur dem Flair dienend, aber dennoch spaßig ist die Möglichkeit, Poster zu erstellen. So könnt ihr den Abschluss einer Mission oder andere wichtige Ereignisse zu Propagandazwecken abbilden.

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Und sonst?

Auch sonst hat Firaxis an XCOM 2: War of the Chosen deutlich gefeilt. Die im Basisspiel heftigen Ladezeiten wurden deutlich gekürzt und die viel kritisierten Missionen mit Timer wirken deutlich entschärft. Ganz ohne Kritikpunkte geht es allerdings nicht, auch wenn es dabei vor allem um kleinere Dinge geht. So wirkt das Spiel nun fast überladen mit Features und auch das Flair des Spiels wirkt nun nicht mehr ganz so ausgeglichen. Gab es im Basisspiel diese bedrückende Stimmung, wenn sich normale Menschen gegen eine außerirdische Übermacht stellten, leidet dieses Gefühl nun sowohl durch die etwas comichaften Chosen sowie die neuen Supersoldaten auf unserer Seite. Darüber hinaus sind die Showdowns mit unseren neuen Gegenspielern so spannend erzählt, dass der eigentliche Schluss des Spiels fast antiklimaktisch wirkt. Auch sollten wir erwähnen, dass in der Grundeinstellung die kleineren DLCs Shen’s Last Gift und Alien Hunters nur in abgespeckter Form (sprich: ohne die Hintergrundstory-Missionen) integriert werden. Wer diese also noch nicht aus einem bisherigen Durchlauf kennt, bekommt nicht die ganze Erfahrung geliefert, sondern nur eine abgespeckte Form. Wer die dazugehörigen Storymissionen allerdings gespielt hat, sieht dies vielleicht auch mit einem lachenden Auge, denn XCOM 2 brilliert vor allem dann, wenn die Missionen sich frisch und mit unerwarteten Wendungen präsentieren, während die vorgefertigten Missionen, die die vorgegebene Geschichte zu erzählen haben, zumindest bei wiederholten Durchläufen unnötig repetitiv wirken.

Review Overview

Wertung - 9

9

Tolles Spiel, jetzt noch besser

XCOM 2 war mein Spiel des Jahres 2016 – und mit War of the Chosen sind die Chancen groß, dass das Spiel den Titel ein weiteres Mal in der Tasche hat. Firaxis beweist einmal mehr, dass sie sich bei ihren Add-ons ordentlich ins Zeug legen und dabei sowohl Schwachstellen ausmerzen als auch das Spiel ordentlich erweitern. War XCOM 2 schon abwechslungsreich, sind nun die Möglichkeiten gewaltig angewachsen. Das wird vor allem Veteranen ansprechen, die das Grundspiel zumindest einmal gemeistert haben, denn für Neueinsteiger ist die Lernkurve wohl zu steil; aber für jene, die die Aliens bereits von der Erde vertrieben haben, zahlt sich spätestens jetzt ein neuer Anlauf (der auch notwendig ist, um das Add-on zu aktivieren) aus. Mit den Chosen, den Heldenklassen, den Beziehungen der Soldaten, den Verlorenen und den Postern wird an allen Enden neuer Content ins Spiel gestopft, der euch eine ganze Weile beschäftigen wird – hoffentlich zumindest solange, bis XCOM 3 angekündigt wird.

Genre: Strategie
System: PC, PS4, Xbox One
Entwickler: Firaxis
Erscheint: Erhältlich (PC), 12. September (Konsolen)
Preis: ca. 40 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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