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Review: The Last Guardian

Lang erwartet, jetzt endlich da: Seit der Ankündigung von The Last Guardian sind Jahre ins Land gegangen – ganz zu schweigen von einem Plattformwechsel und mehreren Gerüchten, dass der Titel schon längst eingestellt sei. Nun hat die Wartezeit allerdings ein Ende gefunden – doch hält das Spiel der Erwartungshaltung stand? Wir haben uns auf eine Reise in finstere Ruinen begeben und The Last Guardian ausgiebig getestet.

Zu Beginn des Spiels erwachen wir in der Gestalt eines kleinen, etwas tollpatschigen Jungen in einer finsteren Höhle. Aber wir sind nicht allein: Angekettet und nicht weit von uns entfernt liegt eine gewaltige Kreatur, die ein abenteuerliches Potpourri diverser irdischer Wesen zu sein scheint – Federn wie ein Vogel, Hühnerbeine, Rattenschwanz, den Körperbau einer Katze. Dieses Fabelwesen, das unser Protagonist bald „Trico“ nennt, ist allerdings zunächst überhaupt nicht aufgelegt uns zu helfen, sondern wirkt eher, als würde es uns gleich fressen wollen. Doch nachdem wir unsere Angst überwinden, seine Wunden versorgen, ihm etwas zu Essen besorgen und schlussendlich die Kette durchtrennen, haben wir Tricos Vertrauen zumindest vorläufig gewonnen – und stehen damit am  Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

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Reduziert man Trico auf einen Gameplaymechanismus, ist er vor allem ein nützliches Hilfsmittel: Kommt man nicht auf einen Vorsprung hinauf, weil man zu klein ist, hilft es, auf ihn rauf zu klettern (was durchaus an Shadow of the Colossus erinnert); gilt es, ein wenig Zerstörung anzurichten, kann man Trico mit einem magischen Spiegel anweisen, Blitze auf das Ziel zu richten. Und mit ihm sind wir auch nie alleine unterwegs: Zwar kann er uns nicht immer gleich folgen, doch wenn die Kreatur mit ihren großen, schwarzen Augen nicht durch einen zu kleinen Gang passt, ist unsere nächste Aufgabe sicherlich, ihn auf irgendeine Weise nachzuholen. Die diversen Rätselräume sind nie besonders groß oder verwirrend, fügen sich allerdings nahtlos aneinander und ergeben ein interessantes Ruinen-Labyrinth. Dadurch fühlt sich das Spiel immer flüssig an, sodass man irgendwann gar nicht mehr unbedingt in Abschnitten denkt, sondern das Erkunden der zerfallenden Ruinen zu einem Abenteuer aus einem Guss wird, das mit seinen Rätseln und Plattforming-Einlagen an Lara Croft in ihren frühen Zeiten erinnert. Gut, abgesehen davon, dass Lara nie Trico dabei hatte.

Doch Trico ist eben nicht einfach nur eine Gameplaymechanik. Er ist eine gelungene KI-Kreatur, der man ihr Tier-sein in Sachen Verhalten, Animationen und auch Launen abnimmt. Er läuft mit einer katzenähnlichen Eleganz (und bisweilen feliner Sturheit) durch die Ruinen, wirft uns traurige Blicke zu, wenn er uns nicht folgen kann, spielt mit Ketten (was auch als Hint dient, dass man hier vielleicht vorankommen kann) und wirft sich für uns in die Schlacht gegen Gegner (was ihn so sehr aufregt, dass wir ihn danach erstmal ordentlich kraulen müssen). Zu Beginn macht er all dies noch ganz von selbst, denn das einzige, was wir tun können, ist Trico zu uns zu rufen. Später können wir ihm auch diverse Kommandos geben. Doch auch hier wird Trico nicht zum gehirnlosen Befehlsempfänger, denn stattdessen sehen wir ihn durchaus „denken“ und dann – vielleicht – auch reagieren. „Vielleicht“ deshalb, weil es gerade hier immer wieder zu Problemen kommt. Schon zu Beginn passierte es uns bisweilen, dass wir nach einer Lösung für einem Abschnitt suchen, die in Wahrheit dann doch „nur“ darin bestand, Trico richtig zu positionieren, auf seinen Rücken zu klettern und zu warten, bis er über ein Hindernis springt. Doch auch später gibt es Momente, in denen einem eigentlich klar ist, was zu tun ist, aber Trico einfach zu bockig ist, um diese auch umzusetzen. Dass man ihm trotzdem irgendwie nicht böse sein kann, zeigt wohl am besten, wie sehr uns die Kreatur im Laufe des Spiels ans Herz gewachsen ist.

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Wenn wir schon bei der Schelte sind, sollten wir noch drei Punkte ansprechen: Die Kamera funktioniert weder in den engen Gängen der Ruinen noch in den etwas weiteren Außenbereichen hundertprozentig gut – gerade wenn wir auf Trico herumklettern, passiert es regelmäßig, dass wir nur noch einen Berg Federn oder gleich einen schwarzen Bildschirm sehen. Und auch bei der Steuerung gibt es immer wieder Ungenauigkeiten, die bei einem Puzzle-Plattformer einfach nicht passieren sollten und präzise Sprünge immer wieder zum Glücksfall werden lassen. Das alles könnte anderen Spielen das Genick brechen, aber nicht The Last Guardian, das mit seiner Atmosphäre, seinem vagen Storytelling, durch das wir immer mehr erfahren wollen, und eben insbesondere Trico seinen ganz eigenen Charme verströmt. Problematischer ist dagegen, dass das letzte Drittel des Spiels nicht mehr an die Qualität der vorherigen Abschnitte heranreicht, sondern sich ein wenig in die Länge gezogen anfühlt. Auch Bugs sind uns noch einige aufgefallen, die allerdings eher kosmetischer Natur waren, sowie einige Framerate-Einbrüche. All diese Dinge können durchaus ärgerlich sein und uns ans Aufgeben denken lassen. Aber dann sind dann wieder diese großen Augen von Trico, sein klägliches Schreien … und die Reise geht doch weiter. Immerhin können wir ihn doch nicht im Stich lassen, oder?

Review Overview

Score - 8.5

8.5

Wir lieben Trico!

The Last Guardian ist kein perfektes Spiel. Von der Steuerung über die Kamera bis hin zu einem störrischen Trico gibt es immer wieder genügend Probleme, die uns wahlweise an unseren Fähigkeiten, der von uns gewählten Lösung für den aktuellen Bereich oder am Gamedesign zweifeln lassen. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass die Atmosphäre und das besondere Band, das zwischen Trico und uns entsteht, dies wettmachen kann. Die Symbiose zwischen dem kleinen, tollpatschigen Jungen und dem großen Fabelwesen, die beide nicht ihr Gefängnis verlassen können, wenn sie nicht zusammenarbeiten, ist das schlagende Herz des Spiels – und das liegt vor allem daran, dass Trico mehr ist als „nur“ ein KI-Wesen. Natürlich könnte man diskutieren, ob Tricos Störrigkeit ob mancher Befehle jetzt ein genialer Schachzug ist, um ihn als Lebewesen glaubwürdiger zu machen oder ob es sich dabei nicht eher um einen Bug handelt (und ehrlich gesagt ist letzteres vor allem in jenen Momenten, in denen man Minuten damit verbringt, darauf zu warten, dass Trico endlich in der Position ist, die er braucht, um eine Aktion auszuführen, die wahrscheinlichere Variante). Doch hinter diesen Mängeln verbirgt sich ein Spiel, das sich vor allem durch sein Herz auszeichnet und mit seiner Atmosphäre punktet. Und allein dafür hat sich die Wartezeit gelohnt.

Genre: Action-Adventure
System: PS4
Entwickler: Sony Japan Studio
Erscheint: 7. Dezember
Preis: ca. 60 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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