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Review: Sid Meier’s Civilization: Beyond Earth – Rising Tide

Vor etwa einem Jahr schickte uns Sid Meiers Entwicklerstudio Firaxis mit Civilization: Beyond Earth in die Zukunft der Menschheit, die weit außerhalb unseres Sonnensystems auf neuen Planeten wartete. Das Resultat wurde gemischt aufgenommen: Manche bewunderten das Spiel für seine Offenheit, die zum Beispiel im völlig anders als im Vorbild aufgebauten Forschungsbaum sichtbar wurde. Andere kritisierten, dass der Titel nicht an die Möglichkeiten von Civilization V heranreichte und auch das Flair seines spirituellen Vorgängers Alpha Centauri nicht erreichen konnte. Mit Rising Tide brachte Firaxis nun das erste Add-on in den Handel, das typisch für das Studio nicht einfach neue Maps und ein paar Einheiten hinzufügt, sondern ordentlich an der Spielmechanikschraube dreht.

An der grundsätzlichen Idee des Spiels hat sich wenig geändert: Noch immer landet ihr nach Jahren im All auf einem fernen Planeten und beginnt, dort eine neue Heimat für die Menschen aufzubauen. Beim Spielbeginn merkt man vom Add-on noch nicht viel – bis auf zwei Kleinigkeiten: Bei der Generierung gibt es jetzt neue Fraktionen zur Auswahl – allerdings nur vier, womit die Gesamtzahl auf lediglich zwölf anwächst. Das mag jetzt natürlich wenig wirken (vor allem im Vergleich mit Civ V, das mittlerweile über 40 Nationen mitbringt), wird aber natürlich nach wie vor durch das Baukastensystem, mit dem man seine gewünschte Fraktion vor dem Start anpassen kann, abgemildert. Außerdem finden sich zwei neue Planetentypen im Angebot – ein urtümlicher Planet mit jeder Menge Lava und Vulkanen sowie im Ausgleich Himmelskörper mit eisigem Klima können zur neuen Heimat der Menschheit werden. Das sorgt nicht nur für optische Abwechslung, sondern verändert unter anderem auch das Verhalten der Aliens, die ihr auf der Oberfläche kennenlernt.

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Seid ihr erst auf dem Planeten eurer Wahl gelandet und habt eure erste Siedlung gegründet, werdet ihr schon bald die wohl größte Neuerung des Spiels entdecken: das überarbeitete Diplomatiesystem, mit dem ihr mit den anderen Sponsoren (=Völkern) interagiert. Vorbei sind die Zeiten, in denen einfach Krieg erklärt oder Friedensverträge geschlossen wurden, jetzt regieren Furcht und Respekt in der Diplomatie, zwei eigentlich unscheinbare Zahlenwerte, die nichtsdestotrotz wichtig für eure Zusammenarbeit mit anderen Völkern sind. Will man enger mit einem Volk kooperieren oder gar verbündet sein, sollte das Gegenüber erst von unseren Taten beeindruckt sein (oder natürlich vor uns furchtbare Angst haben). Genauso schnell kann es aber bergab gehen, wenn wir die Ehrfurcht verlieren oder nicht mehr so furchtbar sind – dann kann der Weg schnell Richtung Kriegszustand weisen. Was die anderen Völker von uns denken, erfahren wir übrigens regelmäßig per kleinem Update, bei dem die anderen Anführer unsere Taten kommentieren. Haben wir zum Beispiel wenige militärische Einheiten, sind wir nicht besonders furchterregend, nutzen wir unseren Grund und Boden effizient oder errichten Wunder, bringt uns das Respekt ein. Andere Aktionen sind deutlich zweischneidiger, denn wer mag schon Abkommen mit dem Feind oder Kriegserklärungen gegen den Freund? Hier nicht anzuecken ist schwierig und manchmal auch einfach unmöglich.

Einen gewichtigen Anteil, wie die anderen Völker zu uns stehen, haben neben unsere Taten auch unsere Affinitäten, die nach wie vor einen wichtigen Anteil an den meisten Siegbedingungen haben, und auch die Eigenschaften unseres Charakters. Ja, neu in Rising Tide ist auch, dass wir unseren Anführer im Laufe der Zeit weiterentwickeln und mit Eigenschaften ausstatten können. Nur eine davon (die Charaktereigenschaft) ist von vornherein durch die Wahl unseres Sponsors festgelegt (aber levelbar), während wir für Militär, Inland und Politik frei eine Eigenschaft wählen und aufleveln dürfen. Damit könnt ihr euren Anführer an eure Spielweise anpassen. Auch eure KI-Gegner setzen auf dieses System – welche Eigenschaften sie mitbringen, seht ihr auf dem Diplomatiescreen -, wodurch sich eure Gegner in verschiedenen Partien trotz gleichem Namen unterschiedlich anfühlen können.

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Damit aber noch nicht genug Diplomatie, denn ein letztes System gilt es in dieser Kategorie noch zu erwähnen: Um euren Charakter aufzuleveln, benötigt ihr Demokratie-Kapital, eine neue Währung. Wie ihr sie bekommt? Durch Abkommen mit anderen Völkern, die allerdings anders funktionieren als die Forschungsabkommen in Civ V, denn in Rising Tide bestimmen die Eigenschaften eines Anführers, welche Abkommen verfügbar sind, und die Effekte gelten immer nur für eine Seite. Klingt kompliziert? Ist es nicht, wie ihr gleich an einem Beispiel sehen werdet: Wir sind in diplomatischen Verhandlungen mit der Nordsee-Allianz unter Duncan Hughes. Wir haben die militärische Eigenschaft „effizient“ gewählt. Duncan hat uns kontaktiert und bietet uns an, das dazu passende Abkommen abzuschließen, durch das er schneller militärische Einheiten bauen kann. Im Ausgleich bekommen wir Diplomatiekapital pro Runde, in der das Abkommen aktiv ist, das wir wiederum in neue Eigenschaften, Eigenschaftslevel oder auch in eigene Abkommen bzw. Verbesserungen unseres diplomatischen Status investieren können. Gleichzeitig riskieren wir aber auch, dass Duncan eine Armee aufbaut, die er gegen uns wendet – man sollte sich also gut überlegen, welche Abkommen man mit wem schließt …

Gesamt gesehen ist die Diplomatie die wohl umfassendste Veränderung an Rising Tide, aber auch bei weitem die problematischste. Auf der Bühne der Diplomatie kann viel schiefgehen und leider ist die KI hier auch oft sehr empfindlich. Gerade geschlossene Abkommen werden plötzlich wieder gebrochen, eure Werte bei anderen Völkern sinken zum Teil aufgrund von Trivialitäten oder Problemen, die ihr gar nicht beheben wollt oder (zumindest im erforderlichen Tempo) könnt, und plötzlich steht ihr im Krieg, obwohl die größte Kritik der Gegenpartei war, dass ihr euer Land nicht gut genug nutzt. Was die Konkurrenz an euch stört, bekommt ihr regelmäßig per Einblendung am oberen Screen mitgeteilt. Das ist einerseits informativ, andererseits kann es bei einer Partie mit vielen Mitspielern durchaus lästig werden.

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Doch nun genug Diplomatie, kommen wir zu den anderen Veränderungen, die Rising Tide mit sich bringt. Alpha Centauri-Spieler werden erfreut sein zu hören, dass man nun (nach ein wenig Forschung) auch Städte auf dem Wasser errichten kann. Diese sind allerdings nicht einfach ein 1:1 Pendant ihrer Brüder auf dem Festland, sondern folgen eigenen Regeln. Manche Gebäude lassen sich nur im Wasser errichten (und natürlich umgekehrt) und auch die Erweiterung der Grenzen läuft anders ab. Während an Land die Ausdehnung automatisch per Kultur erfolgt, müssen wir hier per Bauprojekt die Stadt auf ein anderes Feld weiterbewegen, woraufhin das neue Umland ebenfalls zu den Stadtgrenzen gehört. Damit erfordern die Wasserstädte etwas mehr Mikromanagement (immerhin muss man sich nicht nur darum kümmern, was hier gebaut wird, sondern eben auch entscheiden, ob man statt einem Ausbau lieber neue Rohstoffe erschließt), spielen sich aber auch erfrischend anders und gleichzeitig bekannt genug, dass man nicht völlig umlernen muss, sondern Wasserstädte als sinnvolle Ergänzung wahrnimmt. Außerdem eröffnen sie neue taktische Möglichkeiten, da selbst auf einer Karte mit vielen Inseln der Bauplatz nicht mehr so beschränkt ist. Warum allerdings die Bauliste nicht gefiltert wird, sodass nur Gebäude angezeigt werden, die in der jeweiligen Stadt auch errichtet werden können, bleibt fraglich – hier muss man momentan den Zusatztext lesen, um zu erfahren, ob ein Gebäude überhaupt an Land oder Wasser gebaut werden können.

Auch das Affinitäten-System wurde leicht überarbeitet – wenn auch nur in einem Punkt: War es im Hauptspiel wenig ergiebig, sich auf mehr als einen der Pfade (Reinheit, Überlegenheit und Harmonie) zu konzentrieren, gibt es nun auch Vorteile für Hybrid-Spieler, die von speziellen Perks für eure Fraktion bis hin zu passenden Einheitenverbesserungen reichen. Da man diese Punkte normalerweise beim Forschen ohnehin gesammelt hat, ist dies eine durchaus sinnvolle Verbesserung, die wir gerne schon im Hauptspiel gesehen hätten. Eine nette Kleinigkeit ist auch das Sammeln von Artefakten, die wir aus Expeditionen generieren und in Boni umwandeln können – wer es sich leisten kann, spart hier darauf, gleich drei auf einmal „umzutauschen“ und nicht nur Ressourcen, sondern auch einzigartige Boni, wie neue Gebäude oder Wunder, freizuschalten.

Review Overview

Wertung - 8.5

8.5

Mehr als nur ein paar Maps und Einheiten

Civilization: Beyond Earth hatte es nie ganz leicht. Zwischen Civilization V und Alpha Centauri eingeklemmt, war vor allem darüber zu lesen, was es schlechter machte als die beiden großen Vorbilder und welche Features fehlten. Mit Rising Tide geht der Titel definitiv einen Schritt weiter Richtung Eigenständigkeit, kann aber den Schatten seiner Vorgänger noch immer nicht ganz verlassen. Keine Frage: Alle Veränderungen, die hier vorgenommen wurden, sind durchaus sinnvoll und erweitern die taktische Tiefe des Spiels. Gerade das Diplomatiesystem ist dabei ein wenig zweischneidig, da es gleichzeitig sehr interessant, aber auch ein bisschen zu empfindlich ist – wer hier nie in einen Krieg geraten möchte (der rasch auch auf weitere Parteien expandiert), muss sehr viel Fingerspitzengefühl einsetzen. Dennoch lege ich allen, die Civilization Beyond Earth mochten, Rising Tide ans Herz, da es ähnlich wie die Add-ons bei Civ V sehr viele Verbesserungen und Möglichkeiten hinzufügt - eine Rückkehr zum Basisspiel ohne Erweiterung war für mich schwer vorstellbar. Wer mit Civilization Beyond Earth allerdings von vornherein nicht klar kam, wird auch mit dem Add-on nicht glücklich werden.

Genre: Strategie
Entwickler: Firaxis
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 30 Euro
System: Windows, Max, Linux

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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