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Review: Shenmue 3 (PS4)

Ganze 18 Jahre hat es gedauert, nun ist es endlich so weit. Sega-Mastermind Yu Suzuki hat den dritten Teil seines Kung Fu-Epos Shenmue veröffentlicht. Weshalb das fertige Spiel nicht für jeden Videospieler geeignet ist, lest ihr in unserem Review.

Seit der Veröffentlichung von Shenmue 2 im Jahr 2001 ist viel Wasser den Jangtsekiang hinuntergeflossen. Als die AM2-Legende Suzuki-San auf der E3 2015 die Bühne der Sony-Präsentation betrat und die Entwicklung von Shenmue 3 bekannt gab, tobte weltweit die Fangemeinde. Vier Jahre später wird uns bereits in den ersten Spielminuten klar, dass an Yu Suzuki Werk die Zeit scheinbar spurlos vorüberging – und das nicht alleine im positiven Sinne. Shenmue 3 beginnt genau dort, wo Teil 2 mit einem großen Cliffhanger endete – in einer Höhle. 

1000 Jahre sind ein Tag

Besagte Höhle ist somit Ausgangspunkt der Ereignisse von Shenmue 3. Wer die Vorgänger nicht gespielt hat, sollte sich unbedingt das Einführungsvideo ansehen, das Neulingen zumindest die wichtigsten Fakten der Hintergrundstory vermittelt. Nach dem Eröffnungsintro, in dem Ryo und Shenhua die großen, von Shenhuas Vater in Stein gehauenen Abbilder des Drachen- und Phönix-Spiegels entdecken, begeben sich die beiden gemeinsam auf die Suche nach dem verschwundenen Steinmetz. Eine erste Spur führt die beiden in das nahe gelegene Dörfchen Bailu, wo die Jagd nach Hinweisen beginnt. 

Wobei Jagd im Kontext zum eigentlichen Spielgeschehen der falsche Begriff ist. Denn wie schon in den Vorgängern entfalten sich Gameplay und Story nur sehr gemächlich. Wer Shenmue 3 spielen möchte, muss viel Zeit, besser gesagt Geduld mitbringen. Erneut gilt es zahlreiche Gespräche mit den unterschiedlichen Charakteren zu führen, bis man langsam und Stück für Stück an die nächsten Hinweise gelangt. Auch wenn die Suche nach Shanhuas Vater zu Beginn im Vordergrund steht, hat sich Ryos eigentliche Mission nicht verändert. Nach wie vor versucht er das Geheimnis um die mysteriösen Spiegel zu lüften und Lan Di, den Mörder seines Vaters, zur Strecke zu bringen.

Generell kann man sagen, dass Yu Suzuki und sein Team der zugrunde liegenden Formel mehr als treu geblieben sind. Teil 3 versucht weder etwas bahnbrechend neues, noch etwas völlig anderes zu sein, als seine Vorgänger. Zwar wurden da und dort einige kleine Änderungen und Verbesserungen an Gameplay, Spielkonzept und -Ablauf vorgenommen, jedoch allein unter der Prämisse das Spiel etwas zugänglicher zu gestalten. 

Fight!

Angepasst wurde beispielsweise das nun viel stärker auf Zweikämpfe ausgelegte Kampfsystem, das ursprünglich auf jenem von Segas Virtua Fighter-Reihe basierte, und ist nun zumindest zu Beginn etwas einsteigerfreundlicher. Mit der Zeit entpuppt sich das Kampfsystem aber ebenso umfangreich und fordernd wie eh und je – besonders in den höheren Schwierigkeitsgraden. Wieder erhält Ryo im Lauf seines Abenteuers eine große Anzahl an neuen Moves, die es in zahlreichen Trainingskämpfen, in einem der nahe gelegenen Dojos, zu verinnerlichen gilt. Diese Sparrings fördern nicht nur die eigene Fingerakrobatik, sondern sind auch ein wesentlicher Bestandteil, um Ryos Kampfkraft und Ausdauer kontinuierlich zu steigern. Um die einzelnen Moves zu meistern, müssen diese viele Male trainiert werden. Unterschiedliche Trainings-Minispiele, die beispielsweise Ryos Haltung oder Schlagkraft trainieren, leveln Ryos Attribute ebenfalls hoch.

Apropos Minispiele: Angefangen bei den zahlreichen, wenn auch leider zu oft eher uninspirierten Glücksspielen, über in der Spielwelt verteilten „Gacha“ Automaten, wo man erneut der Sammelleidenschaft unterschiedlichster Plastikfiguren nachgehen kann, bis hin zu den Einnahmequellen wie dem Sammeln von Kräutern, Holzhacken, Angeln oder der Fahrt mit dem bekannten Gabelstapler – die Spielwelt von Shenmue 3 bietet wieder zahlreiche Möglichkeiten, schnelles Geld zu verdienen, nur um es ebenso schnell wieder loszuwerden.

Leerer Magen

Für eine stetige Umkehrung des Cashflows sorgt auch das Ausdauersystem des Spiels. Die zahlreichen Aktivitäten in Shenmue 3 machen nämlich ganz schön hungrig. Vor allem nach einer Trainingseinheit oder einem Kampf, welche man nebenbei nie mit leerem Magen bestreiten sollte, knurrt Ryo schnell mal selbiger. Um dem entgegenzuwirken, muss unser Held regelmäßig essen. Ein Umstand der gerade zu Beginn des Abenteuers, wenn Ryos Ausdauer noch relativ niedrig ist, schnell nervig wird. Zum Glück findet man in der Spielwelt meistens schnell etwas zu essen – dennoch ist es klug stets einen gewissen Vorrat an Nahrungsmitteln bei sich zu tragen.

Gewohnt repetitiv gestaltet sich auch der Alltag des Spiels. Morgens aufstehen, Hinweisen folgen, Kampftraining, Geld verdienen, Einkaufen, dazwischen Essen und das ein oder andere Glücksspiel riskieren. Auch in der Welt von Shenmue müsste der Tag eigentlich 48 Stunden haben, um wirklich alles erledigen zu können. Zum Glück haben sich die Entwickler im neuen Teil etwas erbarmt und lassen Ryo zu einem wichtigen Termin mit einem Tastendruck in die Zukunft springen. Wer möchte, kann aber, so wie in den Vorgängern fix vorgegeben, die verbleibende Zeit nutzen, um eine der zahlreichen Tätigkeiten auszuüben. 

Wo sind die Automaten?

Eine dieser beliebten Tätigkeiten in Shenmue 1 & 2 war für uns ein Besuch in den Arcades, die ihr in der Hafenstadt Niaowu findet. Konnte man sich in den Vorgängern seine Zeit noch mit gelungenen Emulationen alter Sega-Automaten wie Space Harrier oder Hang On die Zeit vertreiben, muss man in Shenmue 3, aufgrund von fehlenden Lizenzen leider mit eigens für das Spiel entworfenen und eher weniger gelungenen Arcade-Automaten vorlieb nehmen – sehr schade!

Seid ihr einmal in Niaowu angekommen, nimmt auch die Story langsam an Fahrt auf, deren Höhepunkte sich Yu Suzuki und sein Team dennoch für das Ende der rund 30 Stunden dauernden Episode aufgehoben haben. Fans der ersten Teile werden dennoch durchwegs gut unterhalten, bietet der neue Teil doch zahlreiche Referenzen an die beiden Vorgänger. 

Purer Fan-Service

Wenn uns in Zukunft jemand fragen sollte, welches Videospiel den Inbegriff von Fan-Service darstellt, gehört Shenmue 3 ganz sicher sehr weit oben unserer Liste. Während des ganzen Spiels hat man das Gefühl, dass Suzuki-San Teil 3 in Wahrheit bereits für den Sega Dreamcast programmiert hatte und die letzten drei Jahre lediglich damit verbrachte an der grafischen Umsetzung für die aktuelle Konsolen-Generation arbeiteten. Betrachtet man die technischen Mankos, die die fertige Version jedoch aufweist, weiß man, dass dies nicht der Fall ist.

Angefangen bei den Lokalisierungsproblemen mit den nicht immer ganz nachvollziehbaren Dialogen, unsichtbaren Mauern, die Ryos Ationsradius erneut künstlich beschränken, über Framerate-Probleme, bis hin zu den oftmals altbackenen Gesichtsanimationen – man merkt Teil 3 einfach an, dass dieses Mal kein großer Konsolenhersteller, sondern vielmehr ein kleines Indiestudio im Hintergrund werkelte. Die damals neuen aber nicht immer unumstrittenen QuickTime-Events finden sich auch in Teil 3 wieder und das knappe Zeitlimit nervt auch dieses Mal immer wieder. Wer eine moderne Iteration des Franchise erwartet hat oder noch nie einen der Vorgänger gespielt hat, wird vermutlich enttäuscht sein.

Schöne alte Welt

Dennoch ist Shenmue 3 ein wirklich schönes Spiel geworden mit netten Grafikeffekten, detailreichen Bildern und gelungener Atmosphäre – zu der auch die schönen Musikstücke beitragen. Und sobald Shenmue-Fans Ryos vertraute englische Synchronstimme von Corey Marshall vernehmen sind auch die gelegentlichen Patzer in der Lokalisierung vergessen. Highlight von Shenmue ist auch heute ganz klar die lebendige Spielwelt, mit all ihren Geheimnissen, den zahlreichen und unterschiedlichen Charakteren, denen man im neuen Abenteuer begegnet und das schwer zu meisternde Kampfsystem. Bei aller Kritik ist es Yu Suzuki und seinem Team, nicht nur gelungen die Essenz der Shenmue-Formel bis ins heute zu konservieren, sondern auch bedingungslos umzusetzen.

Fazit

Wertung - 7.5

7.5

Fan-Empfehlung

Als Fan der ersten Stunde fällt es mir besonders schwer, dieses Spiel mit einer abschließenden Wertung zu beziffern. Yu Suzuki und seinem Team ist mit Shenmue 3 eine würdige, wenn auch anachronistisch anmutende Fortsetzung gelungen, die vermutlich gerade deswegen den Großteil der Fangemeinde glücklich machen wird. Während des Spielens hat man durchwegs den Eindruck, in das Jahr 2001 katapultiert worden zu sein. Viele Spielelemente sind heute nicht mehr zeitgemäß und das behäbige Spieltempo wird Neueinsteiger eine Menge Geduld abverlangen. Auch die unsaubere technische Umsetzung trübt ein wenig den Gesamteindruck, eines ansonst nostalgisch-schönen Spiels. Unterm Strich haben die Entwickler die Umsetzung des 18-jährige Spielkonzeptes fast uneingeschränkt weiterverfolgt und mit Shenmue 3 ein Spiel für Fans geschaffen. Nicht mehr und nicht weniger.

Genre: Action-Adventure
Entwickler: YS Net
System: PS4, PC
Erscheint: Erhältlich
Preis: ca. 60 Euro

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