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Review: Sea of Thieves

Ra-ARRRR-es Comeback

Wer seinerzeit einen N64 hatte, besaß mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch einen Titel des britischen Kult-Entwicklerstudios Rare. Ganz egal ob Goldeneye, Banjo Kazooie, Perfect Dark oder Conker’s Bad Fur Day, das Studio stand für Abwechslung und Qualität, die in keinem Wohnzimmer fehlen durfte. Seit das Studio 2002 von Microsoft übernommen wurde, nahm auch die Erfolgsgeschichte ein Ende. Xbox-360-Exklusivtitel wie Perfect Dark Zero und Banjo-Kazooie: Schraube Locker fanden zwar wegen ihrer kreativen Ansätze vereinzelt ihre Fans, verkauften sich aber insgesamt eher schlecht und seit gut zehn Jahren war kaum mehr etwas von dem über 30 Jahre alten Studio zu hören. Mit Sea of Thieves will nun aber endlich wieder alter Glanz erlangt werden und das mit solidem, wenn auch nicht bahnbrechenden Erfolg.

Alle hier denken es, ich spreche es aus. Piraten!

In Sea of Thieves dürfen gemeinsam mit Freunden oder Fremden liebevollst designte Meere voller Schätze, Mythen und Gefahren mit dem Piratenschiff bereist, Abenteuer erlebt und mit Beutezügen Reichtum angehäuft werden. Das „gemeinsam“ wird dabei großgeschrieben und so darf zwar auch mit einem kleineren Kutter alleine losgezogen werden, der Fokus liegt aber klar woanders. So ist einer der Hauptreize des Spiels das sich entwickelnde Teamwork. Denn durch die minimalistische Benutzeroberfläche und die fehlenden Komfort-Funktionen à la Assassins Creed: Black Flag ist es gar nicht so leicht ein Schiff über das Meer von A nach B zu bekommen.

Ich bin abgeneigt, eurem Ersuchen die Einwilligung zu erteilen

Ein typischer Beutezug bei Sea of Thieves läuft also so ab: Zuerst holen sich jeder der maximal vier Crew-Mitglieder eine Mission von einer der drei Fraktionen des Spiels, die jeweils entweder verlangen Schätze zu finden, Tiere zu fangen oder Gegner zu besiegen. Anschließend wird per Messerwurf abgestimmt, welche Mission als nächstes angegangen wird und sich gemeinsam um die Karte versammelt, um den Zielort zu finden.

Was ein Mann kann, und was ein Mann nicht kann. Klar soweit?

Während nun einer das Steuer übernimmt, kümmert sich ein anderer darum, dass die Segel jeweils schön in den Wind gestellt oder gegebenenfalls, beispielsweise während zu heftiger Stürme, eingezogen werden. Wieder ein anderer läuft zwischen Bug und Vogelnest hin und her und achtet auf Riffe, Felsen und interessante Punkte, wie versunkene Schiffe, die der Steuermann meist aufgrund der Segel nicht sehen kann. Der letzte behält wiederum die Karte im Auge und dirigiert den Steuermann mit Angaben von Himmelsrichtungen und Routen, um auch bei tobender See auf Kurs zu bleiben.

P-Parlé?

Natürlich kann alternativ auch jeder jeden Job übernehmen und dynamisch die Aufgabe, die als nächste zu erledigen ist angehen. In beiden Fällen ist aber Kommunikation überlebensnotwendig, wenn das Ziel mit einem heilen Schiff und einer lebendigen Crew erreicht werden will. Rare bietet für sprachfaule Spieler alternativ auch ein Kontext-Menü, mit dem die wichtigsten Aussagen per Rad-Menü ausgewählt werden können und automatisch in die Sprache der jeweils anderen Crew-Mitglieder übersetzt werden. Da das Spiel einen aber ohne große Erklärungen ins kalte, salzige Wasser wirft, sind diese meist nur dann sinnvoll verwendbar, wenn alle Spieler zumindest einmal alle Aufgaben an Deck vollzogen haben und wissen was gemeint ist.

Er hat die Ruderkette außer Gefecht gesetzt, Sir

Andernfalls bricht schnell und gerne das Chaos aus und das Schiff muss nach verzweifelten Versuchen die von Riffen aufgerissenen Lecks mit Brettern zu stopfen und das eingelaufene Wasser mit Eimer wegzuschaffen, aufgegeben werden. Hat die Kommunikation jedoch funktioniert darf auf malerischen Inselparadiesen nach Schätzen gegraben, gegen Skelette und Schlangen gekämpft und nach exotischen Tieren gesucht werden. Ist die Beute dann eingesackt und an einer belieben Stelle auf dem Schiff verstaut, wird die Heimreise angetreten.

Er ist entweder wahnsinnig oder brillant

Nun wird es aber erst wirklich interessant, denn die mit Abstand größte Gefahr auf See sind neben Riesenkraken und Stürmen vor allem die anderen Spieler. Mit Kanonen und hinterhältigen Taktiken wollen diese euer Schiff versenken und Beute stehlen. So werden Säbel, Pistolen, Donnerbüchsen oder Gewehre gegeneinander gerichtet und hinterlistig Schätze gestohlen sowie Schießpulverfässer angezündet.

Gleichzeitig werden Segel ausgerichtet und der Gegner dynamisch umkreist, um das Schiff in eine günstige bzw. für den anderen ungünstige Position zu bringen. Wenn dann ein von dem letzten Besäufnis noch bis zum Anschlag mit Erbrochenem gefüllter Kübel zum Blenden der Gegner genützt wird und in halsbrecherischen Manövern ein Pirat per Kanone auf das feindliche Deck geschossen wird, während die anderen versuchen mit der Beute zu entkommen, dann zeigt Sea of Thieves seine wahre Stärke.

Ich kauf dir einen Hut. Einen richtig GROSSEN!

Die durchdesignte und daher zwar große, aber nicht unbeschränkte Map, wird glücklicherweise weder mit Spielern überfüllt, noch ist das Aufeinandertreffen zweier Schiffe einer Seltenheit, weswegen hier offensichtlich eine gute Matchmaking-Balance gefunden wurde. Gelingt es dann die Beute in einem der gleichmäßig über die Karte verstreuten Häfen bei der jeweiligen Fraktion abzugeben, gibt es für alle Crew-Mitglieder eine Belohnung in Form von Gold. Dieses kann jeweils in rein optisch relevante Inhalte, wie einen neuen Hut, eine hübsch verzierte Laterne, einen goldenen Säbel oder eine Gallionsfigur für das Schiff investiert werden.

Das ist zweifellos der schlechteste Pirat, den ich je gesehn habe

Dafür, dass die Belohnungen in Sea of Thieves aber rein kosmetischer Natur sind, ist deren Vielfalt jedoch leider sehr überschaubar. So darf man weder als Davy Jones-artiges Tentakel-Monster, noch als Untoter auftreten und es ist nicht einmal möglich eine Augenklappe oder ein Holzbein auf der jeweils anderen Seite zu tragen. Zwar kann man gemeinsam mit Ziehharmonika und Drehorgel muszieren, eine teure vergoldete Version selbiger spielt aber trotzdem nur dieselben drei Lieder. Da diese Inhalte jedoch die Hauptmotivation und den gesamten „Fortschritt“ des Spiels darstellen, bleibt nur zu hoffen, dass Rare bald ein ordentliches Content-Update nachreicht.

…trinkt aus Piraten, joho!

Auch variieren die Missionen selbst im späteren Spielverlauf sehr wenig und die zu besiegenden Gegner beschränken sich auf verschieden starke Skelete, die letztlich nichts anderes sind als vom Computer gesteuerte Spieler ohne Schiffe. Das lässt den Titel leider oft zu einem relativ abwechlungsarmen Grind verkommen. Das angenehm minimalistisch gehaltene Kampfsystem, die abwechslungsreiche, bildschöne Spielwelt, der realistische, teils Erfurcht gebietende Wellengang sowie die dynamischen PvP-Kämpfe, schaffen es diesen zwar immer wieder aufzulockern, trotzdem wird leider sehr viel Potential verschenkt, das den Titel auf ein ganz anderes Niveau hätte heben können.

Fazit

Wertung: - 8

8

Piraten-Abenteuer mit Lecks

Ich hatte jede Menge Spaß mit Sea of Thieves. Sowohl mit Fremden als auch mit Freunden dürfen fantastische Abenteuer erlebt werden und das Gefühl ein Entdecker auf hoher See zu sein wird schön vermittelt. Wenn dann die wie eine gut geölte Maschine funktionierende Crew in einer epischen Seeschlacht auf eine andere trifft, schießen Adrenalin und Endorphin zu selben Teilen durch den Körper und sorgen für Begeisterung und Hochgefühle. Leider verschenkt Rare aber sehr viel Potential an allen anderen Stellen, an denen die extrem polierte Basis des Titels einfach nicht weiter genutzt wird. Vier verschiedene Hüte in zwei verschiedenen Farben sind einfach nicht genug für ein Piraten-Spiel, in dem optische Verbesserungen den einzigen Fortschritt darstellen. Wenn dann auch noch die wundervoll designte Spielwelt mit nur vier verschiedenen Gegnertypen besiedelt ist, möchte man vor Empörung fast zum Himmel schreien. Hinzukommt, dass der Titel aktuell auch einfach zu teuer ist. Derartig überschaubaren Content zum Vollpreis zu verkaufen, sorgt zurecht für Unzufriedenheit bei den Käufern und so bleibt nur zu hoffen, dass Rare hier schleunigst einen ordentlich vollgepackten Gratis-DLC nachreicht.

Genre: Action-Adventure
Entwickler: Rare
System: Xbox One, PC (Play Anywhere)
Erscheint: Erhältlich
Preis: ca. 70 Euro

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