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Review: Original Sin – Sündenfall

Was wäre das Marvel-Universum ohne seine großen Events, die oft auch die Grundlage für die erfolgreichen Kinofilme bilden?Original Sin – Sündenfall erschien ursprünglich zwischen April und September 2014 in den USA und ab Ende 2014 auch im deutschsprachigen Raum. Der nun vorliegende Sammelband beinhaltet die Ausgaben #0 bis #8 der Haupthandlung sowie eine Kurzgeschichte aus Marvel Point One #1 (2014) von Autor Ed Brubaker und Zeichner Javier Pulido.

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Während DC in den letzten Jahren etwas zurückhaltender wurde, feuert Marvel weiterhin gefühlt vierteljährlich neue “alles“ verändernde Super-Ultra-Events ab. Die Auswirkungen spürt man meist (wenn überhaupt) in den ersten ein bis zwei Monaten nach dem Event. So wie der „große“ Status-quo-Wechsel nach dem Event Infinity, Inhumanity genannt. Dieser war nach kaum einem Monat schon verflogen und der große „Game Changer“ für das Marvel-Universum blieb aus. Doch 2014 wollte Marvel in die Offensive gehen. Original Sin, dessen Konzept etwas an DCs Identity Crisis erinnert, sollte dieses Mal wirklich wieder alles verändern und alle Figuren in ihren Grundfesten erschüttern.

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Hierfür opfert Marvel mit dem geheimnisvollen Bobachter Uatu eine sehr beliebte Figur, die bereits 1963 von den beiden Altmeistern Stan Lee und Jack Kirby geschaffen wurde. Der außerirdische schweigsame, glatzköpfige Riese, der alles sieht und jedes Geheimnis kennt, weiß über jede Entscheidung, jede Sünde und jeden alternativen Geschichtsverlauf im Marvel-Universum bescheid. Still beobachtete er vom Mond aus alle Realitäten und Parallelwelten. Eine lange Zeit, die nun mit seiner brutalen Ermordung endet. Die Avengers, Nick Fury, Dr. Strange und Co. ermitteln. Welche gigantische Sünde hat Uatu gesehen – und wieso musste er dafür sterben?

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Neben der bereits erwähnten gut gemachten Kurzgeschichte aus Marvel Point One, in der dem Leser einige Hintergründe der Handlung näher gebracht werden, ist auch ein weiterer Prolog enthalten, der ursprünglich als Ausgabe #0 veröffentlicht wurde. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass ein komplett anderes Kreativ-Team für dieses Heft zuständig ist. Und mit Mark Waid und Jim Cheung wurden zwei Kreative ins Boot geholt, die ein Garant für ein außergewöhnlich gutes Heft sind. Mark Waid ist nicht gerade für Geschichten mit sehr viel Bombast und Action bekannt. Viele seiner Serien liefern Charaktermomente und intime Momente, die viel Eindringlicher sind als es brachiale Action je sein könnte.

In Original Sin #0 ist genau das der Fall. Zwar treten zumindest die Avengers auf (was ziemlich überflüssig wirkt) und man bekommt sogar einen kurzen Kampf zu sehen, der auch sehr deplatziert wirkt, trotzdem fühlt sich das ganze Heft wie ein kleines Charakterstück an. Es geht hauptsächlich um die Beziehung zwischen Sam Alexander, dem neuen Jungspund unter dem Nova-Helm, und dem Watcher. Wer die ersten Hefte der neuen Nova-Serie bereits gelesen hat, wird erfahren haben, dass der Watcher einer der ersten Figuren ist, auf die Sam traf. Der Beobachter wurde ein enger Freund des neuen Nova, der einen stillen Zuhörer brauchte, um mit ihm über sein neues Leben zu sprechen. In dieser Geschichte erleben wir, wie die beiden Figuren sich noch näher kommen. Zwar spricht der Watcher nicht direkt, er zeigt aber Sam vieles aus seiner eigenen Welt. Wir erfahren, wer die Watcher wirklich sind.

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Einige Autoren hätten eine solche Story verwendet, um schon vor dem Event richtig auf den Putz zu hauen und mit viel Pathos und Schnickschnack die letzten Tage des Watchers zu zeigen. Mark Waid zeigt den gutmütigen Glatzkopf aber von einer anderen Seite, von dem man ihn bis jetzt noch nicht gesehen hat. Er ist nicht mehr die göttlich anmutende Entität, die zwar die Helden beobachtet und In- und Auswendig kennt, sie ihn aber nicht, sondern ein verletzliches Wesen, das ein eigenes, sehr schweres Kreuz zu tragen hat. Auch die Charakterisierung von Sam Alexander ist Waid gut gelungen. Seine Überforderung mit dem kompletten Thema und die Tatsache, dass er sich zu Gast in einer Basis auf dem Mond bei einem glatzköpfigen Riesen befindet, wird gut dargestellt.

Hier trägt auch Jim Cheung dazu bei, der brillant wie gewohnt zeichnet. Er zaubert den Figuren Emotionen in die Gesichter wie nur Wenige. Man versteht schnell, wieso der gute Herr so lange braucht, um ein Heft fertigzustellen. Wohl kein anderer Zeichner wäre in der Lage gewesen, dem Beobachter eine solche Melancholie und Angst vor dem bevorstehenden Tod ins Gesicht zu Zeichnen wie Cheung. Man empfindet allein anhand der wortlosen Gesten der Figur Mitleid für ihn.

Die ersten Seiten des eigentlichen Events sind da anders. Machte die #0 den Leser noch mit dem Watcher bekannt, geht es nun schon rasant los. Wir erleben, wie der „Big Bald Guy“ auf den ersten vier Seiten umgebracht wird. Die Ermittlungen beginnen sofort und viele Teams machen sich auf, um das Mysterium zu lösen. Besonders interessant dabei ist die Konstellation der Teams. Doctor Strange und der Punisher, Bucky mit Gamora und Moon Knight oder auch Ant-Man mit Emma Frost und Black Panther. Gerade ihre Intention und das Zusammenspiel machen neugierig auf die weiteren Geschehnisse.

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Der Autor Jason Aaron hat schon viele Marvel-Figuren geschrieben und das zeigt er gekonnt in diesem Comic. Anders als in den meisten Events wird zumindest jetzt noch kein Fokus auf einen gewissen Helden gelegt. Wir bekommen eine bunte Mischung aus so ziemlich jeder Ecke des Marvel-Universums. Das provoziert natürlich oft das Problem, das es einfach keinen Mittelpunkt gibt. In diesem Fall ist das jedoch nicht so. Jede Gruppierung bekommt genug Zeit für sich. Das ist zumindest zu Beginn noch gut gelungen, wird jedoch später zu einem Problem, wenn immer vier bis fünf Handlungen parallel laufen und schließlich das Ziel aus den Augen verloren geht.

Mike Deotado Jrs Zeichnungen sind problematisch. Er verlässt sich in den letzten Jahren immer mehr auf 3D-Hintergünde und mit Photoshop-Filtern bearbeitete Fotos, auf die er später die Figuren zeichnet. Leider passen gezeichnete und in 3D erstellte Objekte nicht immer besonders gut zusammen. Da hilft es auch nicht, dass seine Charaktere eine starre Mimik besitzen und die Koloration sich meist auf einige Farbverläufe im Hintergrund beschränkt.

Meinung:
Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, doch  dieses Event war für mich eine der größten Marvel-Enttäuschungen der letzten Jahre. Nicht weil es komplett schlecht war, sondern hier eine geradezu gigantische Chance vertan wurde. Ein epischer Kriminalfall mit galaktischem Ausmaß und noch dazu eine Story, die gerade am Anfang genial geschrieben ist und man jeder Info, jeder Wendung entgegenfiebert. Ich habe selbst einige Tie-Ins verschlungen in denen die Marvel-Helden mit ihren größten Sünden konfrontiert werden. Und wenn der Punisher und Doctor Strange gemeinsam operieren ist das Stoff, aus dem großartige Buddy-Movies entstehen könnten Doch leider ist die Lösung des „Falls“ alles andere als genial und das große Finale gerade zu farblos… Schade. Nur gut, dass mit Secret Wars in kürze auch auf Deutsch ein durch und durch großartiges Marvel-Event startet.

ORIGINALSINPAPERBACKSOFTCOVER_Softcover_791Info

Seiten:
 260
Preis: ca. 20 Euro
Autoren: Jason Aaron, Mark Waid, Ed Brubaker
Zeichner: Mike Deodato Jr., Paco Medina, Javier Pulido
Verlag: Panini Comics
Orig. Verlag: Marvel
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