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Review: Infinity (Band 1 von 2) + PDF-Leseprobe

Von August bis November 2013 lief in den USA das große Infinity-Event, rund ein halbes Jahr später gab es dann die deutschen Hefte dieses Marvel-Crossovers bei Panini. Nun erscheint Infinity als Sammelband. Anders als bei den vorangegangenen Events hat man sich bei Panini entschieden, das Event nicht in einem Band zu veröffentlichen, sondern auf zwei Wälzer aufzuteilen. Dahinter steckt jedoch weniger die große Geschäftemacherei als die verwobene Storyline von Marvel-Mastermind Johnathan Hickman. Ihr bekommt hier nämlich nicht nur die ersten drei Hefte von Infinity serviert, sondern die für den Lesefluss absolut essenziellen Ausgaben von New Avengers (8-10) und Avengers (18-20). Ohne diese Ausgaben würde die Story sehr viel verlieren…

Wenn Johnathan Hickman keine Comics schreiben würde, er wäre Mathematiker, oder Architekt, oder besser noch: Großmeister im Schach. Und zwar nicht im normalen Schach, sondern in diesem 3-5 stöckigen Star Trek 3D-Schach. Ein Mann mit fast autistischer Akribie, wenn es um das Planen und Durchführen eines seiner Projekte geht. Schon bei „Secret Warriors“ – meiner ersten Begegnung mit ihm als Autor – war ich fasziniert davon, wie viel Hintergrundwissen er anhand von Tabellen, Skizzen und schematischen Bonusmaterialien dem Leser angedeihen lässt, und dadurch seinem Werk eine Tiefe gibt. Ein Gefühl von: Da hat sich jemand was bei gedacht.
Und dieses Gefühl zieht sich auch hier durch die gesamte Lektüre von Marvels großen Infinity-Blockbuster.

„Bis zur Unendlichkeit … und noch viel weiter!“
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Als Leser wird man mitten ins Geschehen geworfen. Der Prolog ist eine Szene aus einem vorherigen New Avengers-Storys. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Hickman jongliert mit dem Marvel-Universum, dass ungeübten Leseraugen mit Sicherheit ein Schwindelgefühl ins zerebrale Zentrum übermittelt. Ein paar Avengers hier, ein wenig Inhumans da, hier eine außerirdische Rasse, dort ein Verweis auf Secret Invasion. Und doch schaut man den Artisten fröhlich dabei zu, wie sie sich gegenseitig die Bälle zuwerfen.

Mit chirurgischer Präziszion seziert sich Hickman durch die Vielzahl der Charaktere und verliert dabei eines nicht aus dem Blick: Das Ziel! Die Bedrohung durch Thanos und seinen Lakaien und ihr Wunsch, die Erde zu unterjochen … Doch ist es wirklich so einfach? Weltherrschaft? Zerstörung des Planeten? Hickman gibt einen Hinweis … Vordergründig zieht eine erneute Welle der Zerstörung auf den Heimatplaneten der Marvel-Helden hinauf, doch was will Thanos von Black Bolt, dem Führer der Inhumans? Diese kleine subtile Nuance kippt das 08/15-Schema eines gelangweilten Schurken.

„Thanos – Der verrückte Gott“
Überhaupt erfährt Thanos eine Frischzellenkur. Ich habe mich – quasi als Vorbereitung – durch die 90er Jahre Thanos-Events „Infinity Gauntlet“ und „Infinity War“ (2 von 4 Infinity-Kapiteln) gekämpft und auch sonst ist mir der Charakter immer mal wieder über den Weg gelaufen. Doch hier wird er eingeführt und aufgebaut, als wäre er ein neues Wesen der Gewalt und Zwietracht. Mit Sicherheit in Hinblick auf seinen neu entflammten Ruhm durch die Auftritte in Guardians of the Galaxy und den beiden Avengers-Filmen, dachte sich Marvel wohl, hier eine Art Neustart hinlegen zu müssen.

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Doch keine Panik: Die feinfühlige Feder von Hickman reißt hier keine Continuity-Brücken nieder, sondern mit unglaublicher Wucht gelingt es ihm in nur zwei Panels, Thanos neu zu definieren, ihn bedrohlicher zu machen als je zuvor. Hier regiert kein Möchtegern-Mega-Macho mit dem pubertären Wunsch, seiner Freundin (dem leibhaftigen Tod in Frauengestalt) zu imponieren, … Nein! Hier herrscht eine Naturgewalt, ein Mann mit einem Plan. Hickmans Plan.

„Schach Matt“
Wie eingangs erwähnt, fühlte ich mich bei der Lektüre an ein Schachspiel erinnert. Und zwar aus Sicht des Spielers. Figuren werden positioniert, Charaktere mit eigenen Zügen bewegt und aufeinander losgelassen. Dass dabei die eine oder andere Figur etwas blasser erscheint, ob der großen Konkurrenz anderer Spielfiguren ist dem Spiel selbst geschuldet. Die Bauern sind eben nur halb so interessant wie ein Springer, doch ebenso wichtig.

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„Der Startschuss“
Thanos versammelt seinen inneren Kreis um sich: Black Order heißt die Gruppe seiner Generäle, die er in den Kampf gegen das Universum schickt. Und wieder einmal ist die Erde der Mittelpunkt des Interesses. Ein Outrider – optisch die wohl verstörendste und interessanteste Neuerung des Marvel-Universums seit Jahren – wird als Herold zur Erde geschickt, um wichtige Informationen zu erlangen.

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Er dringt ins Allerheiligste der Inhumans ein, in den Thronsaal und raubt dem schlafenden König Black Bolt seine Geheimnisse. In der Zwischenzeit werden die Avengers anhand der Aktivitäten von Thanos Lakaien auf die lauernde Gefahr aufmerksam. Im Zuge dessen hat nicht nur die E.T.-Polizei S.W.O.R.D. um ihre kodderschnäuzige Leiterin Abigail Brand einem markanten Auftritt, sondern auch die Space-Knights, zu deren berühmtesten Vertretern wohl der damalige ROM zählen dürfte, welcher aus rechtlichen Gründen aber in die ewigen Jagdgründen des Marvel-Universums verschwunden ist.

Hier sind es nun andere Roboter-Wesen, die den bunten Reigen der Helden vervollständigen dürfen. Dazwischen tanzen dann auch noch die Gardeners um Ex Nihilo mit – ein Charakter von Hickman für die Monatsserie „Avengers“ erfunden – und wie schon kurz erwähnt, werden auch die Inhumans noch eine wichtige Rolle spielen. Wer anhand dieser Aufzählung jetzt schon den Überblick verloren hat, darf aber keine Angst bekommen. Hickman schafft es, trotz der Continuity-Schwere alles spannend und schlüssig aufzubauen. Mehr noch: Er weckt das Verlangen, fehlende Informationen nachzuholen. Ich, für meinen Teil, werde mich mal auf die Suche nach den Comics begeben, in denen erklärt wird, warum Black Bolt auf einmal 5(!) Frauen hat?!

Infinity04 „Das große Ganze“
Hickman fügt „Infinity“ einfach mal so in seinen Masterplan ein. Und das Ganze funktioniert wunderbar organisch. Noch einmal die Gratulation an Panini, auch die passenden „Avengers“ und „New Avengers“ in den Band zu integrieren. Ihr erlebt hier wunderbare Aha-Momente, und dennoch prophezeihe ich Quereinsteigern ein Gefühl von Rausch und Größe, wenn sie Hickman auf seiner Safari durch das Marvel-Universum begleiten.

„Optische Offenbarung“
Vor allem Zeichner Jim Cheung ist ein Geschenk. Um den negativen Aspekt gleich herauszupoltern, um mich danach in Lobeshymnen zu ergehen, finde ich es fast irritierend, dass viele Charaktere plötzlich wie ihr eigenes jugendliches Ich wirken. Da blitzt wahrscheinlich noch die Routine hervor, die er sich mit Young Avengers erarbeitet hat. Und viele Mimiken sind gleich. Nicht nur von einzelnen Charakteren an sich, sondern auch Figuren übergreifend. Insbesondere, wenn sie Masken tragen, habe ich manchmal den Eindruck, hinter verschiedenen Heldenidentitäten steckt ein und dieselbe Person. Da wäre etwas mehr Abwechslung wünschenswert.

So, das musste schnell raus! Aber das ist Meckern auf allerhöchstem Niveau, denn was Cheung da, in Kombination mit seinen Inkern Mark Morales, John Livesay und David Meikis und dem Coloristen Justin Ponsor zaubert, ist ein wunderschönes Panel nach dem nächsten. Ich musste damals etwa das erste  Heft 4x hintereinander lesen, alleine wegen der Zeichnungen und das passiert mir eigentlich nie. Ich kann nicht mal Beispiele herauspicken, da wirklich jede Seite so verdammt gut aussieht. INFINITY ist eine Schönheit. Wenn man sich in Zeichnungen verlieben kann, dann ist es hier um mich geschehen.

Infinity01Fast schon ein Verbrechen, dass er nur das erste Heft gezeichnet hat, und dass die anderen im Sammelband enthaltenen Ausgaben von anderen Künstlern illustriert wurden. Doch auch Mike Deodato Jr., Jerome Opena und Dustin Weaver haben sehr gut das Erbe von Cheung angetreten und waren absolut nicht die schlechteste Wahl. Beide Zeichner haben mit Hickman schon zusammengearbeitet (Opena an Avengers und Weaver an S.H.I.E.L.D.) und auch hier herrscht eine kongeniale Aura, sodass man sich keine Sorgen machen muss!

Infinity ist auf den ersten Blick sperrig. Zu viele Charaktere tümmeln Henning Mehrtens Avatarsich auf der Schlachtplatte. Doch Hickman entlockt einem auf jeder Seite das Vertrauen darauf, dass alles ineinander passt und die vielen kleinen Zahnräder ihren Sinn erfüllen. Trotz der Informationsflut und Charakterschwemme überfordert er einen nicht, sondern lädt zum Staunen ein. Wo andere große Marvel-Events einfach drauf losballern oder sich in plotgesteuerten Nichtigkeiten verlieren, zelebriert Hickman hier das Epos. Typisch für den Autor ist das Entwerfen von Fahrplänen für seine Story!  Die enthaltenen Avengers- und New Avengers-Ausgaben geben dem großen Ganzen mehr Sicherheit, mehr Tiefe und die enthaltene Covergalerie rundet diesen ersten Infinity-Band wunderbar ab. 
InfoInfinity
Seiten: 284
Ppreis: ca. 20 Euro
Autor: Jonathan Hickman
Zeichner: Mike Deodato Jr., Jim Cheung, Dustin Weaver, Leinil Yu, Jerome Opeña
Verlag: Panini Comics
Orig. Verlag: Marvel

Leseprobe: Infinity #1 (PDF Download)

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