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Review: Her Story

Her Story als klassisches Spiel zu bezeichnen, wäre eigentlich falsch. Angesichts der fehlenden Tutorials, Cutscenes und sonstiger Hinweise ist es eher eine Geschichte, die man sich erarbeiten muss. Anstelle von Reaktionsschnelligkeit oder Tasten-Kombos sind bei Her Story einzig ein Notizblock, Augen, Ohren und viel Gehirn gefragt.

Nach dem Titelbildschirm erscheint ein PC-Interface der späten 90er-Jahre, auf dessen Desktop im Grunde nur zwei wichtige Anwendungen zu finden sind. Die Video-Datenbank Cornerstone und der Database-Checker, der anzeigt, wie viele Videos auf der Festplatte wiederhergestellt wurden.

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Das 90er-Interface eines Polizeicomputers

Zu Beginn ist der Begriff „murder“ in der Video-Datenbank eingegeben und vier Videos tauchen in der Suche auf. Auf einem VHS-Mitschnitt ist eine junge Frau namens Hannah Smith in einem Wachzimmer der Polizei zu sehen, die eine Vermisstenanzeige aufgibt, da ihr Mann Simon Smith spurlos verschwunden ist. Jedes Video kann mit eigenen Meta-Tags und Notizen ergänzt werden, um später besser gefunden zu werden.

Hat man sich die ersten vier Videos angesehen, beginnt das eigentliche Spiel und die fantastische Reise, die damit einhergeht. Durch die Suche von Begriffen und Schlagworten tastet man sich von Video zu Video und versucht, die in unterschiedlichen Zeiträumen aufgenommenen Einvernahmen der Polizei zu einem großen und ganzen Bild zusammenzusetzen. Die junge Britin Hannah Smith, gespielt von der Schauspielerin und Musikerin Viva Seifert, beantwortet die Fragen der Polizei, die man auf den Videos nie selbst hören, sondern nur erahnen kann und macht Worte, Körpersprache, Mimik und Gestik zu den einzigen Anhaltspunkten, an denen man sich orientieren muss.

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Sarah Smith

Der Sherlock-Effekt tritt früh im Spiel ein und das Erfolgserlebnis bei der Suche nach dem richtigen Begriff ist kaum mit anderen Spielen im detektivischen Genre zu finden. Nach und nach fügt sich also so etwas wie eine Geschichte zusammen, was am Tag des Verschwindens von Simon Smith passiert sein könnte, wobei die eigenen Theorien immer wieder verworfen und neu konstruiert werden. Das stimmungsvolle Gameplay im 90er-Stil, inklusive verstaubter Bildschirm-Oberfläche, zieht den förmlich in das Spiel hinein und lässt wie wahnsinnig nach Hinweisen und Schlüsselsequenzen suchen.

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Notizblock zum Tracken von Ideen

Die Seiten des eigenen Notizbuches sehen nach wenigen Minuten wie die Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen aus,  vollgekritzelt mit Schlagworten, Fragen und Namen von Personen. Gespielte Minuten werden zu Stunden und ehe man sich versieht, hat man fünf Stunden am Stück neue Videos gesucht, gefunden und angesehen. Das Gefühl, sinnlos Zeit verschwendet zu haben, ist de facto nicht existent, denn Neugier und Ehrgeiz motivieren und die Auflösung der ganzen Geschichte ist Erfüllung und Belohnung zugleich.

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Genre: Crime-Fiction
System: PC, MAC, iOS
Entwickler: Sam Barlow
Erscheint: bereits erhältlich
Preis: ab ca. 6 Euro

Review Overview

Wertung - 9

9

Nonlineares Meisterwerk

Selten gibt es Spiele, die eine Geschichte dermaßen innovativ, spannend und interessant vorantreiben. Die fehlende Einbahn durch das Spiel, die damit verbunden Selbstständigkeit und Einzigartigkeit im Erfahren des Ganzen machen Her Story zu einem der besten Erfahrungen, die man in der Welt der Videospiele machen kann. Jeder, der detektivisches Arbeiten und wahnsinnig gute Stories mag, sollte unbedingt Bekanntschaft mit Hannah Smith machen.

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