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Review: Ever Oasis

In einer schier endlosen, trockenen Wüste sind Oasen die wohl wichtigsten Orte überhaupt. Hier gibt es nicht nur Wasser, hier treffen viele Reisende zusammen und es kann getauscht und geplaudert werden. Doch habt ihr euch schon einmal gefragt, was es braucht, um eine Wasserstelle in der Wüste erfolgreich zu machen? Nein? Dann solltet ihr euch diese Frage spätestens jetzt ernsthaft stellen, denn Ever Oasis macht euch zum Häuptling einer Oase – und glaubt uns, es ist ein Fulltime Job!

Am Anfang war das Chaos
Natürlich haben die Oasen im Spiel eine mystische Komponente und sind nicht nur einfach Wasserlöcher mit ein paar Palmen drum rum. In Ever Oasis sind sie Bollwerke gegen die Macht des Chaos. Oasen entstehen, wenn sich ein Sprössling mit einem Wassergeist verbündet und so aus einer einfachen Wasserquelle eine (wenn auch begrenzte) blühende, sichere Umgebung erschafft. Ihr schlüpft in die Rolle eines Sprösslings namens Tethu – ihr könnt den Namen allerdings genauso wie das Geschlecht und in sehr begrenztem Maße auch das Aussehen eures Charakters zu Beginn des Spieles anpassen. Aufgewachsen in der sicheren Oase eures Bruders beginnt euer Abenteuer, als das Chaos den friedlichen Hort überrennt und ihr euch plötzlich in der Wüste wiederfindet. Dort verbündet ihr euch mit dem Wassergeist Esna und werdet zum Häuptling eures eigenen Reichs. Was für ein Karrieresprung – aber gleichzeitig ein Schritt in Richtung sehr viel Verantwortung.

Sind alle zufrieden?
Doch was macht so ein Häuptling eigentlich? Verflixt viel, wie sich bald herausstellt, denn ob eure Oase blüht und gedeiht, hängt von euren Taten ab. Zum Beispiel liegt es an euch, neue Bewohner anzulocken beziehungsweise Besucher zum Bleiben zu überreden, damit euer Reich wächst. Manche dieser Neuankömmlinge möchten dann sogar kleine Shops eröffnen, die ihr erst errichten müsst (was neben der Währung Tautropfen auch einen passenden Platz in der Oase benötigt); diese Geschäfte locken weitere Besucher an (neben weiteren potenziellen Einwohnern sind dies vor allem Pinguhus, die nur zum Shoppen kommen), müssen aber regelmäßig mit Rohstoffen versorgt werden, um auch Inventar zum Verkaufen haben. Und woher kommen die Rohstoffe? Richtig, darum müsst ihr euch kümmern. Tut ihr das nicht, werden eure Bewohner unzufrieden, denn nur ein Häuptling, der sich um seine Leute kümmert, ist ein guter Häuptling, und die Zufriedenheit hilft euch bei eurem weiteren Weg. Außerdem schneidet ihr am Verdienst der Shops mit, weshalb ihr auch ein wirtschaftliches Interesse daran haben solltet, dass alles glatt läuft.

Da ist ein Action-Adventure in meiner WiSim!
An diesem Punkt müssen wir wohl ein Missverständnis aufklären, das beim Lesen des letzten Absatzes entstanden sein könnte: Ever Oasis ist keine Wirtschaftssimulation, kein Sim City mit Oasen-Flair. Ja, das Management ist ein wichtiger Teil des Spiels, aber die meiste Zeit verbringt ihr damit, euch außerhalb eurer Oase ins Abenteuer zu stürzen. Dort erfüllt ihr Quests, die euch in der Handlung voranbringen oder Bewohner bei euch ansiedeln lassen, hier bekämpft ihr Monster, sammelt Rohstoffe, erkundet Dungeons und löst Puzzles. In diesem Teil des Spiels merkt man am meisten, dass Entwickler Grezzo vor allem dafür bekannt ist, Ocarina of Time und Majora’s Mask auf den 3DS portiert zu haben, denn im Erkunden und Kämpfen steckt eine ordentliche Prise Zelda: Wenn wir in einem Dungeon Schalterpuzzles lösen oder nach Schlüsseln suchen, fühlt sich das ebenso nach der klassischen Nintendo-Reihe an, wie wenn wir durch die 3D-Landschaften laufen, Krüge zerdeppern und Monster kloppen. Trotzdem gibt es bedeutende Unterschiede – so gibt es zwei verschieden starke Angriffe, Tethu kann darüber hinaus auch Windmagie einsetzen und statt verschiedener Items für verschiedene Situationen setzt Ever Oasis auf eine Party. Ihr könnt maximal zwei Bewohner eures Dorfes mitnehmen, wobei die Figuren unterschiedliche Waffen (die gegen verschiedene Monster unterschiedlich effektiv sind) und Fähigkeiten mitbringen. So können manche Erze schürfen, andere im Boden graben, Schalter mit ihrem Speer bedienen oder sich per Blume zu einem Ball verwandeln. So kommt ihr nicht nur an Rohstoffe, sondern löst auch Puzzles; auch lohnt es sich deshalb, bisweilen an einen schon besuchten Ort zurückzukehren, um Rätsel zu lösen, die ihr mangels gewisser Fähigkeiten bisher noch nicht knacken konntet.

Geht das nicht einfacher?
Damit sind wir aber schon beim größten Kritikpunkt, den sich Ever Oasis gefallen lassen muss: Es ist bisweilen umständlicher, als es sein müsste. Es ist zum Beispiel unmöglich, in einer Party alle Talente und Waffen abzudecken, weshalb man regelmäßig die Gruppe anpassen muss. Allerdings geht das nur in der Oase, weshalb die Erkenntnis „oh, da bräuchte ich jemand anders“ zwar immerhin nicht zwangsläufig in einem langen Fußmarsch zurück endet, aber doch in einem Warp in die Heimat, einem kurzen Wechsel am Partystand und dann einer Rückkehr per Aquaportal resultiert. Ja, es ist gut, dass der Warp quasi jederzeit funktioniert und uns auch sofort wieder dorthin zurückbringt, wo wir waren. Aber dafür, dass wir diese Wechsel so oft benötigen, ist es dann doch einfach zu umständlich. Ähnliche Probleme plagen auch andere Teile des Spiels – von der Belieferung der Shops mit Rohstoffen, dem Gärtnern und der Abholung der Einnahmen hätte man es uns einfacher machen können. Gut, immerhin werden diese Systeme im Laufe der Zeit ein wenig entschärft (beispielsweise dadurch, dass wir Rohstoffe ab einem gewissen Punkt an einem zentralen Ort an die Shops abgeben können), aber auch wenn fast alle dieser Kritikpunkte in die Kategorie „nervig, aber nicht spielspaßverderbend zu nervig“ fallen, bleibt dennoch oft der Gedanke „könnte man das nicht noch weniger umständlich lösen?“ hängen. Immerhin bleibt das Rohstoffsammeln weniger lästig, als wir uns zu Beginn des Spieles dachten – wer brav Gegner bekämpft und Pflanzen und Gefäße nach Rohstoffen durchsucht, kommt kaum in Verlegenheit, dass diese ausgehen. Denn egal kann euch das nicht sein: Sinkt die Zufriedenheit in der Oase (eben zum Beispiel, weil eure Shops nichts mehr anbieten können), sinken auch eure Kampfwerte. In Ever Oasis gehören Management und Abenteuer eben fest zusammen, und eines geht ohne das andere nicht. Aber das macht das Spiel auch einzigartig.

Review Overview

Wertung - 8

8

Netter Genremix mit Komfort-Schwächen

Dass Ever Oasis von Koichi Ishii, dem Erfinder der Mana-Reihe, erdacht wurde, spürt man deutlich in den Konzepten und dem Look des Spiels, und dass Entwickler Grezzo die Zelda-Reihe gut kennt, ist auch deutlich zu merken. Das Resultat ist ein Titel, der zwei sehr unterschiedliche Spielideen eigentlich gelungen verbindet, aber bei dem man im Detail doch immer wieder das Gefühl hat, hier hätte man noch ein wenig mehr polieren und das Spiel dadurch weniger umständlich machen können. Und das ist schade, denn Ever Oasis punktet eigentlich mit einem netten Kampfsystem (auch wenn es oft darauf hinausläuft, zum richtigen Zeitpunkt auszuweichen und dann zuzuschlagen), liebevoller Grafik und einigen guten Ideen, die aber im Endeffekt nicht ganz ein perfektes Ganzes ergeben. Dennoch wollen wir auf einer versöhnlichen Note enden: Bei aller Kritik hat uns Ever Oasis immer wieder zurück in die Oase gelockt und zum Weiterspielen verführt – gerade in kleinen Häppchen genossen (und damit eigentlich optimal für einen Handheld) nervten die schon genannten Probleme deutlich weniger, als wenn man mehrere Stunden am Stück spielt …

Genre: Action-Adventure
Entwickler: Grezzo
Erscheint: 23. Juni
Preis: ca. 40 Euro
System: 3DS

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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