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Review: Drawn to Death

Wer kennt das nicht. Man sitzt in der Schule und langweilt sich, also wir das Notizbuch herausgeholt und zu zeichnen begonnen. Man zeichnet seinen Bruder, der gerade in den Krieg gezogen ist, als starken Helden. Oder man zeichnet seinen blöden Stiefvater, als hässlichen alles zerstörenden Wahnsinnigen mit einer Kettensäge. Dann lässt man die beiden gegeneinander kämpfen während ein riesiger Alien im Hintergrund eine Stadt zerstört und irgendwann gerät das Ganze außer Kontrolle und man zeichnet einen Cyborgvampir, der den oberen Teil eures halbierten Sportlehrers auf der Schulter hängen hat und beginnt, brennende Völkerbälle nach einer Kunoichi mit einem Haifisch-Kopf zu werfen. Willkommen bei Drawn to Death.

Der God of War-Papa
Als David Jaffe (Twisted Metal, God of War) 2014 sein neues Studio The Bartlet Jones Supernatural Detective Agency gründete, war schon zu vermuten, dass deren erstes Projekt etwas Besonderes sein würde. Nun, bald drei Jahre später, dürfen alle PlayStation Plus-Abonnenten den Multiplayer-Shooter Drawn to Death gratis spielen und eines sei gleich gesagt: Besonders ist dieser auf jeden Fall.

Spielworte
Das Spiel startet in einem Klassenzimmer, ihr hört einen Lehrer fachsimpeln und werdet von einem Typen mit Football-Weste provoziert. Dann wendet ihr euch eurem Notizbuch zu und faktisch jeder noch so kleine Teil von Drawn to Death findet hier und in gekritzelter Form statt. Das fängt bereits bei dem Menü an, welches aus verschiedenen beweglichen Stickern und Sprüchen auf dem Cover besteht. Auch die Bezeichnungen besagter Menüpunkte halten sich dabei an den Stil und möglichen Gedankengang eines rebellierenden, gelangweilten aber äußerst kreativen Teenagers. So findet sich beispielsweise unter dem Punkt Suck-less (zu Deutsch „Sei weniger schlecht“) das Tutorial des Spiels, welches man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Creative Overkill
Hier stürzt ihr als abgedrehter Punker mit einer Köpfe zerschmetternden E-Gitarre in besagtes Notizbuch und dürft euch mit einigen Mech-bedienenden Kätzchen und Dämonenhexen bekriegen, während euch die grundlegende Steuerung des Spiels von einem offensichtlich kürzlich seziertem Frosch mit Zylinder und Monokel näher gebracht wird. Drawn to Death spielt sich dabei wie ein 3rd-Person-Shooter der alten Schule. So könnt ihr nicht in Deckung gehen oder über Mauern schießen, dafür aber Doppelsprünge und Dashes, sowie Rückwärts- und Vorwärtssaltos und – je nachdem mit welchem der sechs Charaktere ihr spielt – zwei bis vier weitere Spezialmanöver vollziehen. Geballert wird mit jeweils zwei von insgesamt 24 verschiedenen Waffen, die von dem Sportlehrer bis hin zur Äxte verschießenden Schrotflinten reichen, dynamisch ausgewechselt werden können und an Kreativität kaum zu übertreffen sind. Wer übrigens mehr über die liebevoll erdachten Charaktere und Waffen sowie ihren „Zeichner“ erfahren möchte, kann dies in interessant präsentierter Form unter dem Menüpunkt „STATS N SHIT“ tun. Ein Blick lohnt sich.

Er hat mir mein Herz gestohlen!
Leider war es das ab dieser Stelle mit der Story des Titels und der Rest spielt sich in Online-Matches für zwei bis vier Spieler ab. Hier wird in klassischen Deathmatch-Modi in verwinkelten, aber gut designten Arenen gegeneinander angetreten, um neue Waffen und Outfits für eure Charaktere freizuspielen. Leider gestalten sich die meisten Matches mitsamt all der abgedrehten Waffen und Fertigkeiten äußerst chaotisch und lassen größtenteils jedwede Taktik vermissen. Etwas besser funktioniert der „Organ Donor“-Modus, in dem dem Gegner das Herz herausgerissen und dieses anschließend einem Succubus geopfert werden muss. Die daher auf diese – oft sogar beweglichen – Opferzonen konzentrierten Matches bringen ein wenig Ordnung in das Chaos und fordern somit auch überlegteres Handeln von den Spielern. Am besten geht das Gameplay jedoch in den 1-vs-1-Versionen der Modi auf. Hier greifen alle Systeme gut ineinander und sowohl Stärken als auch Schwächen jeder Waffen- und Charakterkombination lassen sich wunderbar ausspielen.

„Git Gud“ und andere
Taktisch und optisch ansprechend ist es auch, wenn nach jedem Tod und zum Start jedes Matches aus der Notizbuchseite von oben in die Arena gestürzt werden und so ein beliebiger Spawnpunkt auf der Map gewählt werden darf. Für eine ausreichende Anzahl an Kills lässt sich außerdem die Hand des Zeichners selbst in die Welt beschwören und anschließend reiten. Vor und nach dem Match lässt sich der Gegner dann noch per – ebenfalls freispielbaren – animierten Bildern bzw. Memes verhöhnen, denen es gelingt auf äußerst humoristische Art und Weise genau den richtigen Tiefton für diesen Kontext zu treffen.

Das wars?
Alles in allem wirkt der Multiplayer-Modus aber eher wie ein nettes Extra, das zwar dank vieler Unlockables und vielfältigen Fertigkeiten durchaus für kurzweiligen Spaß sorgen kann, dem tollen Humor und der fantastischen Aufmachung aber zu keinem Zeitpunkt ausreichend gerecht wird. Umso trauriger ist daher der Umstand, dass das zum Schreien komische Tutorial eigentlich eindrucksvoll demonstriert, wie außergewöhnlich eine dazu passende Kampagne hätte sein können. Zumindest bleiben alle per Mikrotransaktionen freispielbare Gegenstände auf einem optischen Level und zerstören somit zu keinem Zeitpunkt das Balancing des Titels.

Review Overview

Wertung: - 7

7

Unused Potential to Death

Sowohl optisch als auch humoristisch hat Drawn to Death bei mir sofort einen Nerv getroffen. Gerade wenn man aber nach dem irrsinnig witzigen Tutorial in diese fantastisch aufbereitete Welt eintauchen möchte, endet die Achterbahnfahrt in einem mittelmäßigen, irgendwie generisch wirkenden Multiplayer-Modus, der zwar kurzweiligen Spaß verspricht, aber zeitgleich Unmengen an Potenzial verschenkt. Den taktischen Tiefgang und das eSports-taugliche Niveau eines Splatoon oder Overwatch - an dessen Erfolgen hier offensichtlich angeknüpft werden wollte - erreicht der Titel nämlich zu keinem Zeitpunkt. PlayStation Plus-Abonnenten dürfen dennoch einen Blick riskieren und sich von der tollen Aufmachung begeistern lassen.

Genre: Multiplayer-Shooter
Entwickler: The Bartlet Jones Supernatural Detective Agency
Preis: ca. 20 Euro, Gratis mit PlayStation Plus
System: PS4
Erscheint: Erhältlich

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