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Review: Die Säulen der Erde, Buch 1: Aus der Asche

Mit „Die Säulen der Erde“ schrieb Ken Follett einen historischen Roman, der gekonnt das England des 12. Jahrhunderts heraufbeschwört. Es ist die Zeit der mächtigen Kathedralen, aber auch der Intrigen des Adels und eines Thronfolgekriegs, der das Land lange Jahre beschäftigen sollte. Und dennoch beschäftigt sich das Buch weniger mit den großen Machtspielen und den wichtigen Persönlichkeiten, als vielmehr mit dem Schicksal einzelner kleiner Leute, deren Name man (wären sie real) kaum in den Geschichtsbüchern finden würde. Die Geschichten von Bruder Philip, Tom Builder, Jack Jackson und der Grafentochter Aliena, die sich rund um den Bau einer neuen Kathedrale entwickeln, begeistern seit der Veröffentlichung des Buches 1989 die Leser. Mittlerweile gibt es auch zwei Fortsetzungen, die in späteren Perioden der Geschichte, aber denselben Ortschaften spielen, sowie eine 2008 erschienene Miniserie, die mit Darstellern wie Rufus Sewell, Eddie Redmayne, Ian McShane und Haley Atwell punkten konnte. Und jetzt darf die Geschichte ein neues Medium erobern: die Videospiele.

 

Entscheidungen, Entscheidungen …

Gleich zu Beginn begegnen wir Tom Builder, seiner Frau Martha und ihren zwei Kindern irgendwo im winterlichen Wald. Bei Martha setzen die Wehen ein und ohne Unterstützung einer kundigen Hebamme muss ihr Mann das Ruder übernehmen. In diesen ersten Momenten spielt sich Die Säulen der Erde wie ein typisches Adventure – zum Wasserholen benötigt man erst einen Topf, den man einsammeln muss, und natürlich eine Gelegenheit, das köstliche Nass zu schöpfen. Doch bald schon zeigt sich, dass die Entwickler doch einen etwas anderen Pfad weg vom klassischen Point&Click-Adventure wagen. Wenn wir in kurzer Zeit Entscheidungen treffen müssen, die wir meist nicht mehr revidieren können und Auswirkungen auf die Geschichte haben, wird klar, dass Die Säulen der Erde sich weniger als Erbe von Monkey Island & Co sieht, sondern die Entwickler vielmehr Richtung Telltale geschielt haben. Diese Mischung aus Itemjagd und Entscheidungen begleitet uns durch das gesamte Spiel – egal, ob wir mit Bruder Philip versuchen, den Vorgängen im Kloster nachzugehen, oder als Tom Arbeit suchen.

Was bin ich?

Tatsächlich merkt man dem Spiel durchaus an, dass es anders als die schon erwähnten Vorbilder von Telltale seine Adventure-Wurzeln nicht ganz so stark verleugnet. Immerhin schickt man die Figuren im klassischem Adventure-Stil durch die Gegend, und benutzt Items aus dem Inventar. Aber auch in diesen Momenten sprechen wir eher von einem „Aventure light“ – was zu tun ist, ist immer klar formuliert. Der Fokus liegt viel mehr auf der Erzählung, auf den Gesprächen, unseren Entscheidungen und in einigen wenigen Fällen auf (harmlosen) Quicktime-Events. Am Ende eines Kapitels (der hier getestete erste Teil umfasst sieben Kapitel und einen Prolog, deckt damit aber wenig mehr als den Beginn der Story ab. Zwei später erscheinende Episoden werden den Rest der Geschichte erzählen) bekommt ihr eine Bilanz eurer Taten präsentiert. Die größte Schwäche des Spiels ist allerdings, dass der Fokus zwar sehr auf unseren Entscheidungen liegt, wir aber nur Kleinigkeiten wirklich beeinflussen können und sich die Handlung konsequent dem Roman folgend entwickelt, statt uns auch einen alternativen Storyfaden zu präsentieren. Dafür wird die doch recht umfassende Geschichte gut erzählt, dass selbst Nicht-Kenner des Buches eine Chance haben sollten, auch wenn diesen viele Details und Anspielungen entgehen oder einzelne Sprünge unklar sein werden. Immerhin wechselt das Spiel fröhlich und auch innerhalb der Kapitel zwischen einzelnen Spielfiguren und Handlungsorten und bietet auch etliche Nebenfiguren, die man erst kennenlernen muss.

Ein Gesamtkunstwerk?

In einem Spiel, das weniger von seinen Rätseln als von der Erzählung an sich abhängt, ist natürlich die Präsentation umso wichtiger. Und die ist durchaus gelungen. Sowohl die deutsche als auch die englische Sprachausgabe, die übrigens Autor Ken Follett in einer Nebenrolle bietet, ist durchaus gelungen, die Hintergründe verströmen handgemaltes Flair und die Musik versetzt uns ins Mittelalter. Einzig das Charakterdesign und die Animationen sind Geschmackssache. Hier wird stilisiert und mit groben Animationsphasen gearbeitet, was durchaus interessant aussieht, aber nicht jedem gefallen wird. Gut gelungen sind allerdings geschickt eingesetzte Kameraperspektiven, die mit Close Ups Filmstilmittel imitieren, genauso wie die Einfachheit, mit der zum Beispiel die Reiseabschnitte umgesetzt wurden, bei denen wir unser nächstes Ziel wählen und oft nur ein Bild samt Text dazu präsentiert bekommen. Das wirkt vielleicht spartanisch, hält die Geschichte aber nicht großartig auf. Dies ist eine Tugend, die auch so mancher „normale“ Abschnitt, der vielleicht ein wenig zu langatmig erzählt wird, vertragen hätte.

Review Overview

Wertung - 7.5

7.5

Weniger Adventure als Roman zum Spielen

Wie gut Die Säulen der Erde beim Spieler ankommt, hängt wohl stark von der Erwartungshaltung ab. Hat man sich bei der Erwähnung von Entwickler Daedalic ein herausragendes Point&Click-Adventure erwartet, wird sich wohl recht schnell Enttäuschung breit machen. Hier wird geredet, gewandert, aber selten wirklich gepuzzelt - und selbst wenn wir ein Rätsel lösen sollen, ist die Aufgabe so leicht, dass sie uns kaum aufhält. Allerdings kann man das kaum als Etikettenschwindel bezeichnen, denn die Entwickler nennen ihr Spiel nicht Adventure, sondern interaktiver Roman. Leider versteckt sich hier aber wohl der größte Fallstrick von „Die Säulen der Erde“: Um die Geschichte des Buches ohne große Abweichungen erzählen zu können, können eure Taten und Gespräche nur geringen Einfluss haben – und das in einem Spiel, das großteils auf Entscheidungen aufgebaut ist! Einen Lichtblick gibt es allerdings noch: Bislang ist nur das erste Buch der Handlung veröffentlicht – es kann durchaus sein, dass unsere Entscheidungen im zweiten (erscheint im Dezember) und dritten (Erstes Quartal 2018) Teil mehr Relevanz haben. Bislang macht es allerdings selbst bei einem zweiten oder dritten Anlauf für das große Gesamtbild kaum einen Unterschied, wie wir uns entscheiden, was ein wenig die Frage hinterlässt, ob die Wahl des Gameplays für diese Art der Geschichte die richtige Wahl war.

Genre: Interaktiver Roman
System: PC, PS4, Xbox One
Entwickler: Daedalic
Erscheint: Erhältlich
Preis: ca. 30 Euro (umfasst alle drei Episoden)

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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