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Review: Civilization VI: The Gathering Storm

Kein Spiel für Klimaskeptiker

Ach, was musste ich auch Buda genau an den Hängen des Vesuvs errichten! Jahrhundertelang florierte die zweitgrößte Stadt meines Imperiums an diesem wunderschönen Ort – doch von einem Tag zum anderen war sie dem Untergang geweiht: Ein heftiger Ausbruch des wütenden Berges, ein zweiter … und statt der Metropole mit Tausenden von Menschen standen nur noch Ruinen mit einer Handvoll Bürger. Lektion gelernt: Wer das neue Add-on The Gathering Storm spielt, muss wissen, dass nun auch der Planet in einer Partie Civilization VI ordentlich mitzureden hat …

Feuer …

Schon länger gilt für Civilization-Fans: Das Spiel ist nicht komplett, bevor nicht zwei Add-ons erschienen sind, die das Gameplay ordentlich umkrempeln und erweitern. Nach Rise & Fall, das die diversen Epochen unserer Welt in den Mittelpunkt stellte, setzt Firaxis für die neue Erweiterung von Civilization VI auf die Spielwelt selbst, die zu unserem Freund oder Feind werden kann. Schon zuvor mussten wir natürlich darauf achten, wo wir neue Siedlungen errichten – Wasser, Ressourcen, die geographische Lage und seit Rise & Fall auch die Nähe anderer Zivilisationen bzw. der Abstand zu unserem Reich spielten eine große Rolle. Jetzt heißt es aber mehr denn je auf die Umgebung zu achten und Vor- und Nachteile ausführlich zu kalkulieren. Wo großes Risiko ist, ist nämlich auch großes Potential für Belohnung: Klar scheint es auf den ersten Blick unsinnig, an den Hängen eines Vulkans zu siedeln – bricht er aus, kann es zu Beschädigungen unserer Infrastruktur oder gar zu Toten kommen. Dennoch hat so ein Ausbruch langfristig auch seine Vorteile, denn einmal abgekühlt ist die Lava ein hervorragender Dünger, der unsere Siedlung florieren lassen kann – wenn sie nicht durch einen Ausbruch (fast) ausgelöscht wird.

… und Wasser

Aber auch die anderen Elemente haben es auf uns abgesehen: Stürme und Dürren verwüsten das Land und selbst Flüsse, an denen wir sonst gerne gesiedelt haben, sind jetzt mit Vorsicht zu genießen, treten sie doch ab und an über die Ufer. Auch dies ist gleichzeitig gut und schlecht, denn die Kraft des Wassers zerstörerisch, aber gleichzeitig wird das Flussufer gedüngt. Anders als die Feuerberge können wir die Ströme allerdings im Laufe des Spiels beherrschen, denn nach genügend Forschungsarbeit werdet ihr Dämme errichten können, die das Fluten (aber damit auch das Düngen) der Ufer verhindern. Doch auch dem Meeresspiegel solltet ihr Aufmerksamkeit widmen: Schmelzen die Polkappen „dank“ der Klimaerwärmung ab, steigt dieser und lässt niedrige Bereiche der Küstenlinie überfluten (Uferdämme können hier allerdings eure Rettung sein). Überraschen sollte euch eine solche Flut allerdings nicht, denn das Spiel teilt uns von Anfang an mit, welche Felder eines Tages überflutet werden. Das ist einerseits fair, aber andererseits irgendwie seltsam – warum sollten gerade sesshaft gewordene Menschen sich darüber Gedanken machen, dass vielleicht in ein paar Tausend Jahren die Küstenlinie geflutet wird, während andere Ressourcen erst auftauchen, wenn man einen Nutzen für sie gefunden hat?

Energie!

Da wir gerade bei den Polkappen und damit bei der Klimaerwärmung sind: Diese ist in Civilization VI definitiv vom Menschen verursacht. Ein eigener Bildschirm teilt uns mit, wie viel CO² global ausgestoßen wird und wie nahe wir dem Abschmelzen der Pole sind. Doch wieso und wofür produzieren wir Kohlendioxid? Vor allem für Energie: Ab einem gewissen Punkt im Spiel werden wir darüber informiert, dass unsere Gebäude nur dann wirklich effizient arbeiten, wenn sie mit genügend Strom versorgen. Gerade zu Beginn sind wir dafür meist auf fossile Brennstoffe wie Öl oder Kohle angewiesen – mit dem dementsprechenden Schadstoffausstoß. Wer hingegen einen Damm gebaut hat, kann nun auch umweltfreundlich auf Wasserkraft setzen. Im Laufe des Spiels erforschen wir sowohl gefährlichere (Atomkraft, die zwar kein Klimaschädling ist, aber das Risiko eines SuperGAUs birgt) als auch umweltschonende Methoden Energie zu produzieren, wie Geothermie oder Windräder.

Die Kunst der Diplomatie

Eine letzte Gameplayänderung müssen wir noch besprechen: Die Diplomatie wurde überarbeitet, was gewisse Entscheidungen der KI nun nachvollziehbarer macht, ohne aber alle Problemstellen, die schon die KI des Urspiels plagten, auszumerzen. Das liegt vor allem an zwei „Währungen“, die das Add-on einführt: „Groll“ sind diplomatische Minuspunkte, die man bei anderen Zivilisationen durch seine Taten sammelt. Erklärt man Krieg, bricht Versprechen oder erobert fremde Städte, sorgt das für diplomatische Verstimmung, die hier erstmals quantifiziert wird. Das Gegenteil ist diplomatische Gunst. Diese erhaltet ihr durch gewisse Handlungen (zum Beispiel indem ihr Schutzmacht eines Stadtstaaten seid) und könnt sie bei Verhandlungen mit anderen Völkern tauschen.

Bin ich die UNO?

Dass es sich dabei um mehr als eine Tauschware handelt, beweist der Weltkongress, der nun sein Comeback in Civilization feiert. Hier wird regelmäßig über Resolutionen abgestimmt, durch die zum Beispiel gewisse Luxusgüter (die nun übrigens nicht mehr nur „vorhanden“ sind, sondern auch pro Runde in gewisser Menge eingesammelt werden) mehr oder weniger Bedeutung erlangen, Handelsrouten zu einem gewissen Volk mehr oder weniger effizient sind oder wir ein Event wie eine Weltausstellung starten können. Leider muss man ehrlich sagen, dass sich die Umsetzung des Weltkongresses dabei ein wenig unausgegoren anfühlt. Welche Resolutionen vorgeschlagen werden, ist zum Beispiel zufallsgeneriert – wir können uns nur noch zwischen einer Variante A oder B und dem Ziel der Resolution entscheiden. Das kann ziemlich lästig sein, wenn man über ein Luxusgut abstimmen muss (immerhin können wir noch bestimmen, welches!), wo wir doch lieber Energie aus Kohle verbieten würden, um den Klimawandel zu stoppen. Dazu kommt, dass es nicht möglich ist, die Abstimmung zu verweigern – man muss seine Stimme abgeben. Für ein so wichtiges System im Spiel – denn große Probleme wie die Umweltverschmutzung sind nur gemeinsam zu lösen – scheint uns die Diplomatie nicht hundertprozentig ausgereift. Doch was hat das mit diplomatischer Gunst zu tun? Sollten wir wirklich sicher gehen wollen, dass eine Resolution durchgeht, können wir mit ihrer Hilfe mehrfach abstimmen, was sich spätestens bei der Wahl, einem Spieler Siegpunkte zu verleihen auszahlt – denn sammelt ihr genügend davon, erreicht ihr den neuen Diplomatiesieg. Wer genügend Gunst gesammelt hat, kann hier recht einfach – oder eigentlich fast zu einfach – eine Partie drehen und noch gewinnen.

Eine Seefahrt …

Keine Runde Civilization wäre komplett ohne Völker, mit denen wir um den Sieg konkurrieren könnten. Civ VI erweitert ihre Anzahl erneut, so dass nun mit allen DLCs und Add-ons über 40 davon zur Verfügung stehen. Spielerisch haben die Neuzugänge natürlich alle ihre eigenen Vor- und Nachteile, spielen sich aber im Großen und Ganzen ähnlich wie die schon vorhandenen Zivilisationen. Eine kleine Ausnahme bieten die Maori, die unter anderem einen etwas anderen Start hinlegen. Sie haben von Anfang die Seefahrt erforscht und können auch schon Ozeanfelder befahren, beginnen aber dafür mitten am Meer und müssen erst das Land erreichen. Abgesehen von einigen weiteren (und in diesem Fall durchaus spielerisch reizvollen) spezifischen Vor- und Nachteilen, wie sie jede Zivilisation hat, ist das aber auch schon der einzige Unterschied zu den „normalen“ Völkern. Das soll diese allerdings nicht abwerten: Mit ihren jeweiligen Eigenheiten zwingen sie euch immer wieder dazu, ein wenig anders an das Spiel heranzugehen, ohne so anders zu sein, dass das Balancing unmöglich wird.

Fazit

Wertung - 8.5

8.5

Unterhaltsame Klima-Lehrstunde

Gathering Storm wagt einen neuen, erschreckend aktuellen Ansatz, der durchaus zum Nachdenken über das Spielprinzip hinaus anregt. War die Reihe bislang davon bestimmt, wie wir den Planeten formen und aufteilen, zeigt uns das aktuelle Add-on, dass wir gegen die Kräfte der Natur oft nur Passagier sind und hinterher aufräumen können – zumindest solange, bis wir Technologien besitzen, die die Katastrophen beherrschbar machen. Trotzdem haben wir es hier mit einem Spiel zu tun, das ja trotz ernsten Themas Spaß machen soll. Und damit sind wir bei der Frage aller Fragen: Macht Gathering Storm Civilization VI zu einem besseren Spiel? Die Antwort darauf lautet „Ja“, aber nicht im vollem Brustton der Überzeugung. Ja, die Natur einzubinden ist eine interessante Idee, auch wenn sich gerade das Fluten der Küsten, jenes Ereignis, auf das wir fast Jahrtausende warten, letzten Endes fast ein wenig klein anfühlt. Ja, in drei Stufen verschwinden Felder in den Tiefen des Meeres, aber dann ist es wieder vorbei – fast, als wäre ein großer Sturm gekommen und vorbeigezogen, die Konsequenzen aber dann doch nicht so schlimm wie zuerst befürchtet. Eine echte ökologische Katastrophe, die eintreten kann, wenn man den Klimawandel global völlig ignoriert, gibt es nicht. Man rückt einfach ein wenig enger zusammen, es gibt vermutlich Streit und Krieg um die etwas geschrumpfte Landmasse und veränderte Ressourcenlage, aber das Gefühl „da hätte mehr passieren können“ bleibt. Auch das neue Diplomatiesystem hätte ausgegorener sein können und lässt mich Civ V mit eigenen Vorschlägen von Resolutionen im Weltkongress vermissen. Dafür sind Gunst und Groll willkommene Ergänzungen, die die Diplomatie nun ein wenig logischer ablaufen lassen, auch wenn der Diplomatiesieg mit ein wenig Vorbereitung allzu leicht gelingt. Bei all diesen Detailänderungen werde ich den Eindruck nicht los, dass die Entwickler zwar an allen Rädchen gedreht und das Spiel tatsächlich aufgewertet haben, dabei aber einen wirklich großen Game-Changer, wie man in von einem Firaxis-Add-on erwarten würde, schuldig geblieben sind. Aufgrund des doch ordentlichen Preisschilds sollte man sich deshalb überlegen, ob man nicht doch auf einen Sale wartet.

Genre: Rundenstrategie
Entwickler: Firaxis
System: PC/Mac
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 40 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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