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Review: Act of Aggression

Das Warten hat endlich ein Ende! Damit ist aber nicht etwa das Warten auf einen neuen Titel von Eugen Systems gemeint, haben diese uns doch erst letztes Jahr mit Wargame: Red Dragon beehrt. Das Warten von dem hier die Rede ist geht aber noch viel weiter zurück, genauer gesagt bis ins Jahr 2008, als für viele mit Alarmstufe Rot 3 der letzte anständige Command & Conquer-Titel erschien. Danach kam mit Tiberian Twilight nur noch ein von Fans unerwünschter Versuch, das ganze Genre neu zu erfinden und ab diesem Moment herrschte – abgesehen von ein paar Browserspielen und einer iOS-Version – Stille um das Franchise. Wer gerne realistische Panzer, Hubschrauber und Artillerie-Geschütze haben wollte, musste leider wie bei z.B. Wargame-Teilen gänzlich auf den von vielen heiß geliebten Basisbau verzichten. Und in diesen Zustand mussten RTS (Real-Time Strategy zu dt. Echtzeitstrategie)-Fans bis zum 2. September 2015 verweilen. Doch an diesem Tag hatte besagtes Warten endlich ein Ende und Eugen Systems schenkte der Menschheit Act of Aggression.

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Und sie sah, dass es gut war
Verzeiht die etwas theatralische Einleitung, aber als RTS-Fan fällt es schwer, die Euphorie zurückzuhalten, musste die letzten fünf Jahre doch fast befürchtet werden, das dieses heiß geliebte Genre gänzlich ausgestorben sei. Doch die RTS-Spezialisten von Eugen Systems haben dann letztendlich doch die Lücke erkannt, welche durch die Wargame-Teile bisher nur teilweise geschlossen werden konnte. Act of Aggression (kurz AoA) bietet nun nicht nur genau die ausgefeilte Form des Basisbaus, die Fans jahrelang vermisst haben, sondern hat sich allgemein so Einiges von ihrem sieben Jahre alten Konkurrenten abgeschaut. So teilt auch AoA die in einer nahen Zukunft angesiedelte Welt in drei Fraktionen. Diese entstehen nach dem gänzlichen Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft, nachdem eine der Fraktionen, welche Kartells genannt wird, hinterrücks die wirtschaftliche Weltmacht an sich reißen wollte.

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Die Kartells stellen dabei sozusagen die Urmutter aller NGOs (Non Goverment Organisation) dar. Geleitet von den reichsten und mächtigsten Männern der Welt, setzt sich diese Militärgewalt größtenteils aus eingekauften Söldner zusammen, hat dafür aber Zugriff auf die neuste Stealth-Technologie und Prototypen wie zum Beispiel Railgun-Geschütze. Obwohl diese Fraktion mit Sicherheit die realitätsfernste der drei ist, bleibt dabei alles in einem ansatzweise realistisch erklärbaren Rahmen und verlangt von euch nie mehr Fantasie, als man zum Beispiel für einen Tesla-Panzer gebraucht hat.

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Die zweite Fraktion ist wiederum die direkte Antwort der UNO auf die Kartells, genannt Chimera. Diese befinden sich auf dem neusten Stand der Militärtechnologie ohne jedoch wie die Kartells den Schritt weiter in die Prototyp-Abteilung zu machen. So zeichnen sie sich vor allem durch ihre Verwendung von Drohnen und durch Exo-Skellett verstärkte Soldaten aus, können aber auch ganz klassisch auf Panzer und Hubschrauber aller Art zurückgreifen. Außerdem wird Upgrade bei Chimera groß geschrieben, weswegen sie unter anderem den multifunktionalsten Geschützturm aller Fraktionen bauen. Dieser macht mit Vollausttattung nicht nur Soldaten und Panzern das Leben schwer, sondern kann auch Flugzeuge und dank CIWS (Close-In Weapon System zu dt. Nahbereichsverteidigungssystem) sogar fliegende Raketen vom Himmel holen. Billig ist die Angelegenheit dann allerdings nicht mehr.

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Die letzte Fraktion, welche dann den Weltkrieg vervollständigt, ist – wie könnte es anders sein -die US Army. Als eine Armee aus kriegserfahrenen Veteranen und mit einem Haufen Atomraketen im Schlepptau sind die Amerikaner mit Sicherheit die brachialste der drei Parteien. Auf neu moderne Technik wird hier nicht viel Wert gelegt, weswegen diese Fraktion vor allem Realismusbegeisterte erfreuen wird. Langsame gut gerüstete Panzer und mit verschiedenen Geschützen ausrüstbare Multifunktionsfahrzeuge stellen das Herzstück dar. Letztendlich hat es aber fast alles was in der realen United States Army so herumfährt und fliegt unter Originalnamen ins Spiel geschafft, was für Militärwissenschaftler und solche die es gerne wären, wohl ein gefundenes Fressen darstellen dürfte.

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Noch ein kleines Stück weiter links und…verdammt!
Hat man sich eine Fraktion ausgewählt, kann man auch schon in die Schlacht starten. Das Gameplay gestaltet sich im Groben genau so, wie man es von den guten alten RTS-Titeln gewohnt ist: Ressourcen sammeln, Basis ausbauen, Armee aufstellen, Gegner überrollen. Eugen Systems hat es sich aber zur Aufgabe gemacht, jeden einzelnen Teilbereich dieses altbewährten Systems mit viel Liebe zum Detail zu perfektionieren und dem Ganzen noch eine große Portion zusätzlichen taktischen Tiefgang zu verleihen. So gibt es z.B. nicht nur Geld als abzubauende Ressource, sondern auch Aluminium und seltene Metalle. Um diese überhaupt finden zu können, muss man ein Fahrzeug mit passendem Scanner (Jede Fraktion hat hierbei ihren eigenen mit eigenen Vor- und Nachteilen) durch die Landschaft schicken, um den Boden abzusuchen. Wurde dabei eine Rohstoffquelle ausfindig gemacht, wird Selbige in Form von verschiedenfarbigen Bohrlöchern markiert. Zu diesen könnt ihr dann eine passende Raffinerie bauen, welche das wertvolle Metall oder Erdöl (welches Geld bringt) zu Tage fördert. Der Clou hierbei: Die Raffinerie hat nur einen begrenzten Radius, mit dem man natürliche so viele Löcher wie möglich abdecken möchte, passende Positionierung ist hier also spielentscheidend. Hat man die Raffinerie dann passend platziert, beginnt diese sofort, das Material auf Transporter zu packen.

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Wieso ist das jetzt meine Schuld?
Die KI dieser Transporter ist dabei eine wahre Wohltat im Vergleich zu den aus C & C bekannten Sammlern, welche ohne weitere Aufforderung auch gerne einmal untätig in der Gegend herum gestanden sind. Die Logistikfahrzeuge hingegen rauschen durch die Map, lassen sich mit zwei kurzen Mausklicks eine neue Abhohl- oder Auslieferstelle zuweisen und suchen sich, sollte man dies nicht tun, sofort eine neue Arbeit, wenn zum Beispiel die Ölquelle einer Raffinerie versiegt ist, während eine andere noch nicht logistisch ausgelastet ist. Allgemein steht Eugen Systems hier ein großes Lob für ihre intelligent mitdenkende KI zu. Soldaten gehen im Falle eines Angriffs dynamisch in Deckung, Panzer reihen sich automatisch in Wandformation vor den im Nahkampf leicht zerstörbaren Artilleriefahrzeugen ein und Helikopter und Flugzeuge stationieren sich wenn möglich so, dass sie ihr Ziel außerhalb der Reichweite einer nahe gelegenen Flak angreifen. Es ist fast Schade, dass man sich faktisch kaum mehr über die eigenen Einheiten ärgern muss, hat man so doch im Falle eines Fehlschlag die Schuld nur bei sich selbst zu suchen.

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Entschuldigung, wo kann ich bitte meinen Geschützturm aufladen?
Damit hören die Detailverbesserungen aber noch nicht auf. So muss man etwa neben den Ressourcen auch die Energieproduktion managen, ohne welche die Basis, vor allem aber die Verteidigungsmechanismen, schwer ihrer Funktion nachgehen können. Allerdings sitzt man nicht gleich auf dem Trockenen nur weil ein paar Kraftwerke zerstört worden sind. Eine Art Notstromaggregat schaltet sich auf der Stelle ein, sollte der Stromverbrauch einmal größer werden als die Produktion. Dies wird in Form einer Batterie symbolisiert, welche sich je nach ungedecktem Stromverbrauch langsam oder eben relativ flott leert. Hat man seine Energieproduzenten aber gut verteilt, reicht die Zeit normalerweise problemlos aus, um schnell noch ein Kraftwerk zu platzieren oder einen unnötigen Stromverbraucher zu eliminieren. Einzig die Option ,ein Gebäude einfach vom Strom zu nehmen ohne es zu zerstören, sucht man leider vergebens.

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Darf’s ein bisschen mehr sein ?
Auch Superwaffen haben es ins Spiel geschafft und so ballert man dem Gegner je nach Fraktion Atomraketen, Orbitalschläge oder im Fall von Chimära Riesenraketen um die Ohren. Diese haben dabei realistischerweise keine zeitlichen Limitationen, sondern müssen lediglich für einen ordentlichen Haufen Ressourcen produziert werden. Auch die Abschussplattformen selbst können beliebig oft gebaut werden und so hält euch niemand davon ab, dem Gegner gleich 12 Atomraketen entgegen zu schießen. Dieser ist ihnen dafür aber auch nicht wehrlos ausgeliefert, kann doch auch jede Fraktion eine passende Gegenmaßnahme für einen ähnlich großen Ressourcenhaufen produzieren. So gewinnt so manche Runde den Charakter einer Simulation des Kalten Krieges, bei der Angriffs- und Gegenmaßnahmen immer weiter aufgestockt werden und der Gegner immer nur dann gefährlich wird, wenn er jeweils eine Rakete oder einen Orbitalschlag mehr auf Lager hat.

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Kommt dann doch ein mal einer der Angriffe durch, lässt Act of Aggression seine Grafikmuskeln ordentlich spielen. Gebäudeteile fliegen durch die Luft, der Boden reißt auf, partikelreiche Staubwolken bäumen sich auf und überdecken die glücklichen Ãœberlebenden mit schwarzen Ruß. Hat sich der Staub dann verzogen, bleiben tiefe plastische Löcher im Boden die nachträglich teilweise gar nicht mehr bebaut werden können. Ach wie schön Zerstörung doch sein kann. Vor allem, weil sich Eugen Systems‘ Liebe zum Detail auch grafisch gesehen durch das ganze Spiel zieht. Abgesehen davon, dass fast schon in Thirdperson-Sicht hinein gezoomt werden kann, damit jeder in der Lage ist zu überprüfen, ob die eigenen Soldaten ihre Adjustierung auch ja nicht vernachlässigen, ist jedes Aufeinandertreffen mit gegnerischen Einheiten eine wahrer Augenschmaus.

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Nur eine Fleischwunde
Raketen sausen durch die Luft und ziehen Rauchschwaden hinter sich her, Kugeln und Mörser rauschen in alle Himmelsrichtungen und knallen in Hauswände, Mauern und unschuldig in der Nähe parkende Autos. Auch fallen eure Soldaten nicht einfach tot um, sondern fangen sich manchmal nur einen Treffer ins Bein oder in den Arm ein, woraufhin sie versuchen können, zum nächsten Sanitäter oder zurück in die Basis zu humpeln, um in der nächsten Schlacht wieder mitmischen zu können. Schafft ihr es die verwundeten Soldaten eures Gegners vor ihrer Rettung gefangen zu nehmen, erhaltet ihr eine nette Geldspritze dafür. Wer vorher noch ein Gefängnis gebaut hat, kann sich überhaupt eine dauerhafte Geldquelle sichern.

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Das ist mir hier zu stressig!
Wer bei all dem Tohuwabohu voller herumfliegender Raketen, Explosionen und humpelnder Soldaten nicht den Überblick verlieren möchte, zoomt einfach ein wenig nach oben und wechselt in den Satellitenbildmodus. Hier könnt ihr das Schlachtfeld in einer detail- und farbentsättigten Version überblicken, wobei eure und gegnerische Einheiten, sowie interessante Gebäude und Punkte, farblich markiert werden. Das ganze Spiel lässt sich dabei problemlos rein in dieser Perspektive steuern, wer also immer die die größtmögliche Übersicht haben will, bleibt in dieser Ansicht und zoomt nur für die optisch beeindruckendsten Momente an die Schlachten oder das Auftreffen einer Atombombe heran.

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Kein Low-End-Shaming!
Wer übrigens keinen High-End Gaming-PC zuhause hat, muss sich nicht groß sorgen. Die Grafik von Act of Aggression lässt sich nämlich stufenlos nach unten korrigieren, wobei vor allem die Option der prozentuellen Detailreduktion eine große Rolle spielt. So könnt ihr sogar auf einem Notebook ohne Grafikkarte mit Intel-Grafikchip in Full-HD ein flüssiges Spiel auf die Reihe bekommen. Klar sieht das Spiel dann nicht mehr viel besser aus als sein sieben Jahre alter geistiger Vorgänger, aber das Bild bleibt zumindest jederzeit scharf, wird daher auch nicht anstrengend für die Augen und wer sich ein wenig mit der Feinjustierung spielt, kann auch immer alles gut erkennen.

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Kane kann’s besser
Natürlich haben die Entwickler dem Titel auch einen Storymodus spendiert, welcher euch die Geschichte von AoA in visuellen Missionsbriefings und simulierten Newsreportagen näher bringt. Mit dem Kultfaktor der realen Zwischensequenzen in Alarmstufe Rot mit Schauspielern wie George Takei, J.K. Simmons und Tim Curry kann Act of Aggression aber leider nicht mithalten. Vor allem, weil die meisten Charaktere nicht im Gedächtnis bleiben und man vergeblich nach einem kultigen Bösewicht á la Kane sucht. Zumindest sind die Missionen verhältnismäßig abwechslungsreich geworden und schaffen es einen immer wieder aufs Neue zu fordern. Anfänger werden aber einige Frustmomente erleben, da der Schwierigkeitsgrad vor allem bei den späteren Missionen ziemlich knackig wird und die Autosave-Funktion leider nicht sehr zuverlässig ist.

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Oh, man Vokabel lernen?
Das Hauptaugenmerk liegt aber mit Sicherheit auf den Multiplayer-Partien. Diese funktionieren gut, dynamisch und größtenteils  stabil. Kaum kommt man ins Spiel, hat man auch schon ein großes Chatfenster im rechten Eck, in dem sich weltweit unterhalten, Meinungen ausgetauscht und Matches ausgemacht werden können. Das Ganze läuft über einen Eugen-Account, welchen ihr euch vor dem ersten Einloggen gleich im Spiel erstellen könnt. Das raubt dem Spiel leider jede Möglichkeit auf ein Spiel über LAN, wodurch ein Spiel ohne Internetverbindung unmöglich ist und sollten bei Eugen Systems jemals die Server abgeschalten werden, wie es auch bei Alarmstufe Rot schon der Fall war, kein Multiplayer mehr gespielt werden kann. Wer diese schmerzhafte Designentscheidung verdaut hat, geht mit bis zu sieben Mitspielern in die Schlacht, wobei einem als Laie kaum Balacing-Probleme auffallen. Zwar bevorzugen viele Neulinge die Kartell, da dieses mit seinen fliegenden Logistikfahrzeugen einen leichteren Zugang zu Ressourcen ermöglicht, wer aber ein wenig übt und vor allem die Namen der Einheiten und ihre Funktionen verinnerlicht, wird schnell mit jeder beliebigen Fraktion seine Siege einstreichen können.

Review Overview

Wertung: - 8.5

8.5

Echtzeitstrategie vom Feinsten

Alles im allem gibt es wenige Kritikpunkte an Eugen Systems' neuem Meisterwerk. Klar, wahre Command & Conquer-Fans werden ein paar Punkte vermissen und der abgedrehte Humor eines Alarmstufe Rot wird hier durch knallharten Realismus ersetzt. Auch ist das ganze System ein wenig komplexer und eben auch weniger einsteigerfreundlich. So sollte man sich wirklich merken, welches Gebäude welche Funktion hat und wo man es auf der Map platziert hat, da man lediglich das Hauptquartier auch ohne anklicken des Gebäudes erreichen kann und ein Schnellauswahlmenü wie in den C & C-Teilen vergeblich sucht. Wer aber die anfänglichen Komplikationen überwindet, bekommt einen Tiefgang und Realismus geliefert, der unter RTS-Titeln seinesgleichen sucht und bei dem ein Sieg auch wirklich dem eigenen taktischen Denken zu verdanken ist. Das Ganze verpackt in eine wunderschöne Grafik und wahre RTS-Fans werden nicht viel zu meckern haben. Einzige der fehlende LAN-Modus birgt finstere Zukunftsaussichten und lässt hoffen, dass das Studio einen Offline-Modus zumindest im Fall einer Serverschließung nachliefert.

Genre: Echtzeitstrategie
Entwickler: Eugen Systems
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 45 Euro
System: PC
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