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Review: Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don’t Dry

Eine 80er-Ikone in der Jetztzeit

Leisure Suit Larry ist einfach nicht umzubringen. Nein, damit spielen wir gar nicht darauf an, dass Larry als in dieser Hinsicht typische Hauptfigur einer alten Sierra-Adventurereihe regelmäßig über den Jordan wanderte, aber dennoch immer wieder aufstand. Sondern eher darauf, dass die Adventure-Tage des Schwerenöters schon oft zu Ende schienen: Nach Teil drei erklärte Erfinder Al Lowe, dass er keine Ahnung hatte, wie er nach diesem „perfekten Ende“ ein Sequel schreiben sollte – dieses Problem löste er schlussendlich, indem er Teil vier ausließ und mit Larrys fünftem Abenteuer weitermachte. Sierra zog nach dem Cliffhanger-Ende von Teil sieben den Stecker. Dann musste/durfte Larry die zwei Gaming-Gurken rund um seinen Neffen Larry Loveage auf der Ersatzbank ausharren. Zuletzt gab es ein Kickstarter-gebacktes Remake des ersten Teils samt des Versprechens auf eventuelle Sequels, die sich dann allerdings auch im Sand verloren. Und jetzt? Jetzt ist der ewige Polyesterträger mit einem neuen Teil zurück auf der Adventurebühne.

Sex in der Gegenwart

Beginnen wir mit einer guten Nachricht für Neueinsteiger: Wet Dreams Don’t Dry, so der Untertitel des neuen Larry-Abenteuers, erfordert trotz der langen Adventure-History ihres Protagonisten keine Vorkenntnisse irgendwelcher alten Serienteile. Es existieren zwar kleine Anspielungen, aber dennoch bleibt die Story einsteigerfreundlich und knüpft nur lose an das erste Spiel an – so lose, dass nicht einmal klar ist, welche Teile überhaupt zuvor stattgefunden haben oder ob die Entwickler einfach alles nach Land of the Lounge Lizards ausblenden. Das liegt daran, dass Larrys Abenteuer mit einem interessanten Kniff beginnt: Der Möchtegern-Aufreißer mit dem 70er-Polyester-Outfit und dem dazu passenden Frauenbild findet sich zu Beginn des Spiels in einem seltsamen Labor wieder, und als er es verlässt, ist er zwar an einem vertrauten Ort, aber zur falschen Zeit. Irgendwie ist er zwar wieder nach Lost Wages gelangt, aber statt den 80ern oder 90ern schreiben wir nun die Jetztzeit. Ein ordentlicher Kulturschock ist die Folge.

Liebe in Zeiten des Smartphones

Larry mag noch im Larry sein – auf seine gewohnt unbeholfene und doch irgendwie liebenswerte Art auf der Jagd nach sexuellen Eskapaden –, doch die Zeiten haben sich geändert. Männlicher 80s-Chauvinismus, aber auch tollpatschige Hilfsbereitschaft treffen in Wet Dreams Don’t Dry auf selbstbewusste Frauen, Food-Blogger, Veganismus, Hipster, Social Media, Video Girls und Tind … äh … Timber. Vor allem letzteres spielt hier eine größere Rolle, denn schon bald hat Larry ein PiPhone der Firma Prune (nur echt mit Pflaumen-Logo und geleitet natürlich vom einzigartigen Bill Jobs) und kann sich nicht nur den Ratschlägen der KI Pi, sondern auch der zahlreichen Apps bedienen. Die Dating-App Timber ist natürlich das Werkzeug der Wahl, um willige Frauen zu finden, aber gleichzeitig auch Gradmesser des Erfolges: Nur erfolgreiche Dates erhöhen unseren Timber-Score, und wenn wir Faith, die neue Traumfrau Larrys, für ein Treffen gewinnen wollen, benötigen wir immerhin 90 Punkte. Ja, das erfordert ziemlich viele Dates. Aber Larry wäre nicht Larry, wenn er die Herausforderung nicht trotzdem annehmen würde …

Old-Style-Adventure

An diesem Punkt kommen natürlich wir ins Spiel, die wir ganz nach den alten Point’n’Click-Adventure-Tugenden Larrys Dates ermöglichen und zum Erfolg machen müssen. Egal, ob wir einem Camgirl eine stabile WLAN-Verbindung besorgen, ein Happy End für ein schwules Pärchen organisieren oder einen Cosplay-Fan von unseren Tugenden überzeugen wollen, immer gilt es, allerhand Puzzles auf dem Weg zu lösen, um den (nicht nur) Damen zu helfen und sie von uns zu überzeugen. Viele Rätsel sind dabei durchaus logisch beziehungsweise mit ein wenig Grübeln zu knacken, andere erforderten die alte Adventure-Tugend „Sammle alles ein und kombiniere einfach alles mit jedem“. Dennoch ließen uns einige wenige Rätsel ob ihrer verqueren Logik ein wenig verzweifeln – ich sage nur „Käsedildo“. Es hilft auch nicht, dass das Spiel uns bisweilen unnötig Steine in den Weg legt. Nur ein Beispiel: Um zwischen verschiedenen Orten zu reisen, müssen wir via PiPhone ein „Unter“ rufen. Das geht allerdings nur auf der Straße, macht das ziemlich oft stattfindende Reisen zwischen den diversen Locations umständlich und streckt die eigentlich für das Genre ordentliche Spielzeit unnötigerweise. Vielleicht wird hier allerdings noch nachgebessert – immerhin wurde auch schon das Inventar nach dem Release per Patch deutlich verbessert.

Wer will Käsegeschmack?

Mit dem Käsedildo aus dem vorherigen Absatz sind wir schon an einem nicht unerheblichen Punkt: Der Humor der Larry-Spiele war nie politisch korrekt, schon gar nicht über der Gürtellinie; hier funktioniert er allerdings nur teilweise. Klar, das Spiel nimmt sich nicht ernst, grafisch bekommen wir allerhand augenzwinkernde Details mit Sex-Touch in der Umgebung zu sehen und die Diskrepanz zwischen Larry und seinen Ansichten aus den 80ern und der modernen Welt sorgt öfters für ein Schmunzeln oder sogar lautes Lachen (auch wenn es hilft, die 80er auch erlebt zu haben, um alle Witze zu verstehen); dazwischen kommt dann aber doch wieder Brachial- bis Fäkalhumor, der definitiv Geschmackssache ist. Merkt man hier, dass Al Lowe mit diesem Spiel nichts mehr zu tun hatte? Liegt es am deutschen Humor (das Spiel wurde vom deutschen Studio CrazyBunch entwickelt)? Oder liegt es einfach an den über 20 Jahren, die wir älter wurden, seit der letzte „echte“ neue Larry-Teil erschienen ist? Auf jeden Fall will der Humor nicht immer ganz überspringen und so manche Szene hätte man sich vielleicht lieber erspart. Andere, wie zum Beispiel eine gut gemachte Szene in einem Dark-Room, können mit verquerem Kopfkino punkten – Schweinereien entstehen eben vor allem im Kopf des Spielers und enden oft anders als geglaubt.

Der Polyestermann-Report

Auch sonst schwanken wir ein wenig zwischen „endlich wieder ein Larry“ und „Wo bleibt der Sex-Faktor?“ Larry war nie ein pornographisches Spiel, aber definitiv „ungezogen“ und brachte Larry bei seinen amourösen Eskapaden von einer (meist für ihn) peinlichen Szene zur nächsten. In Wet Dreams Don’t Dry fehlt bisweilen der Pay-Off für unsere Taten, sodass wir eher durch das Aufploppen des Steam-Achievements informiert wurden, dass wir die Geschichte einer gewissen Person abgeschlossen haben. Nur durch die Szene selbst und das passende Posting auf Instacrap hätten wir das teilweise nicht erkannt, sondern auf eine Fortsetzung gehofft. Das ist ein Problem, das sich bis zum – ziemlich enttäuschenden – Finale hinzieht. Ja, es gibt genug Mädels in knappen Outfits, schmutzige Witze und allerhand eindeutige Zweideutigkeiten (und ab und an dann doch die eben vermissten, echt komischen und peinlichen Sex-Momente), aber dennoch fühlt sich das Spiel ein wenig gebremst an. Oder will man hier nur konsequent sein und das ist eben Larry eben „heute“, also zu Zeiten von #metoo? Die Entwickler selbst betonen, man wollte zeigen, dass Larry ein hilfsbereiter, netter Kerl ist – zumindest das ist ihnen gelungen. Aber der Sexfaktor ist nicht auf der Stufe, wo Larry schon war, trotz unserer aufgeklärteren Zeiten, in denen so manche Paarung im Spiel schon lange kein Skandal mehr ist.

Ganz schön … lang!

Das alles mag jetzt eigentlich ziemlich nach Verriss klingen, soll es aber eigentlich gar nicht sein. Denn eigentlich ist Larrys jüngstes Abenteuer ein solides, wenn auch nicht überragendes Adventure und auf jeden Fall um Längen besser als Magna Cum Laude oder gar Box Office Bust (gut, dazu gehört auch nicht viel). Auch grafisch und in Sachen Sound gibt es wenig zu meckern: Die Comic-Optik kann punkten, die Frauen sind großteils sexy, wenn sie es denn sein sollen, unser Hauptcharakter zwar jetzt nicht mehr klein und dicklich wie in den letzten Teilen, aber dafür wieder ähnlich lang wie in seinen ersten Abenteuern. Und auch bei der Soundkulisse gefällt neben der Musik (inklusive natürlich dem Original-Larry-Thema) auch die Synchro – wahlweise auf Deutsch mit der Synchronstimme von Barney Stinson als Larry (das passt irgendwie) oder auf Englisch mit der altbekannten Larry-Stimme, die wir seit Jahren gewohnt sind.

Fazit

Wertung - 7.5

7.5

Noch nicht ganz in alter Form

Ich liebe Larry. Für die „Spiele, die ich vermisse“-Serie habe ich sogar alle „echten“ Larrys zum Teil noch einmal, zum Teil zum ersten Mal durchgespielt. Das war entweder die völlig richtige oder die völlig falsche Vorbereitung auf diesen Test, denn gerade in den letzten beiden „echten“ Teilen lief Larry so richtig zur Hochform auf – und auf die Stufe von Love for Sail oder Shape Up Or Slip Out kommt Wet Dreams Don’t Dry in fast keinem Moment. Mit den älteren Titeln – und den Loveage-Spin-Offs – kann er allerdings locker mithalten. Ja, manche Puzzles könnten logischer sein. Ja, der Humor könnte mehr punkten, die Story auf ein besseres Ziel hinarbeiten. Und dennoch merkt man, dass die Entwickler Larry lieben und ihn in ein würdiges Adventure schicken wollten. Und das muss man anerkennen, auch wenn so mancher Witz doch nicht sitzt, so mancher Gag zu sehr im Fäkal-Milieu angesiedelt ist oder so manche Pixel-Frau spurlos verschwindet, sodass es eher wirkt, als hätte sie uns ausgenutzt, statt Larry serientypisch seine erotische Erfüllung irgendwie selbst vermasseln zu lassen (obwohl auch das durchaus vorkommt). Für all diese Momente gibt es allerdings genügend Lichtblicke, die mich zumindest eines hoffen lassen: Dass die Entwickler nicht aufgeben und schon bald die Arbeit an einem Sequel beginnen. Vielleicht dann sogar mit Al Lowe an Bord. Man wird ja noch träumen dürfen …

Genre: Adventure
Entwickler: Crazy Bunch
System: PC/OSX
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 30 Euro

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Mehr über die Larry-Serie:

Spiele, die ich vermisse #38: Leisure Suit Larry 1-3

Spiele, die ich vermisse #46: Leisure Suit Larry 5: Passionate Patty Does A Little Undercover Work

Spiele, die ich vermisse #72: Leisure Suit Larry 6: Shape up or slip out!

Spiele, die ich vermisse #147: Leisure Suit Larry: Love for Sail

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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