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Spiele, die ich vermisse #46: Leisure Suit Larry 5: Passionate Patti Does A Little Undercover Work

Draußen sieht es langsam nicht mehr nach Herbst aus, drinnen dreht sich bereits alles um die E3, auch wenn sie eigentlich erst nächste Woche losgeht – für mich Grund genug für zwei Dinge. Erstens: Dieser Blog hat – bis auf das gleich erledigte zweimalige Erwähnen – nichts mit der E3 zu tun. Zweitens: Aufgrund der Vielzahl an Dingen, die ich noch zu tun habe, werde ich mich diesmal kürzer halten. Hoffe ich zumindest. Da kommt mir fast zugute, dass sich das Thema von Ausgabe #46 fast von selbst ergab: Endlich gelang es mir diese Woche, meinen Larry-Marathon fortzusetzen (Teil eins davon, der sich um die Episoden 1 bis 3 dreht, findet ihr hier), denn ich habe nun endlich Teil 5 hinter mich gebracht. Da ich damals schon ankündigte, dass ich mich den Episoden 5 bis 7 ausführlicher widmen möchte, ist das ein willkommener Zufall. Also: Heute wird Leisure Suit Larry 5: Passionate Patti Does A Little Undercover Work vermisst!


Beginnen wir mit der offensichtlichen Frage, die wohl jeder, der nicht in die Geschichte der Larry-Spiele eingeweiht ist, stellen wird: Wo ist die vier? Immerhin sage ich, dass ich in Ausgabe 38 die Teile 1 bis 3 behandelt habe, jetzt vermisse ich fünf – ist vier so schlecht? Die simple Antwort darauf: Nein, vier ist nicht schlecht. Vier gibt es schlicht und ergreifend nicht. Warum? Im Laufe der Zeit wurden viele Theorien aufgeworfen, manche davon als Witze von den Entwicklern selbst, aber die Quintessenz ist folgende: Das Ende von Teil III war ein klassisches, die vierte Wand durchbrechendes Ende: Larry und Patti sind glücklich zusammen, sind aus dem Adventureleben ausgebrochen und Larry designed nun Spiele für Sierra On-line. Wie soll Larry aus dieser Ausgangssituation wieder in seinen Swinger-Lebensstil zurückfinden? Al Lowe war zuerst gegen eine Fortsetzung, ließ sich dann doch breitschlagen, fand allerdings keine Lösung, warum Larry und Patti sich trennen sollten. Da entschied er sich, keine klare Lösung zu finden und Teil vier auszulassen. Nur vage Andeutungen sollten auf das Spiel referenzieren – wie zum Beispiel die Tatsache, dass die Disks gestohlen wurden.

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Und so beginnt Leisure Suit Larry 5 mit dem alternden Polyesteranzugträger, der schwere Amnesie hat und sich nur noch vage an eine Frau erinnert, die ihm mal wichtig war. Was ihm allerdings geblieben ist: sein Loser-Image, sein Unvermögen, bei Frauen zu landen und seine Tollpatschigkeit. Das bringt ihm auch einen kleinen Karriereschub: Er arbeitet nämlich nun für eine Filmfirma, die Schmuddelfilmchen produziert und gerade neue Mädchen für ihre America’s Sexiest Home Videos sucht. Da man sich aber nicht auf gekünstelte Casting-Videos verlassen will, schickt man Larry los, um die Mädchen mit versteckter Kamera zu verführen. Wenn sich die Frauen von ihm überzeugen lassen, dann sind sie offensichtlich sexsüchtig genug, um einen Auftritt in der Show verdient zu haben. Also packt Larry seine Kamera, klaut sich eine goldene Flugkarte und reist quer durch die USA, um die Mädels rumzukriegen. Und trotzdem kann er diese eine Frau nicht vergessen …

… die es in diesem Spiel auch noch gibt. Passionate Patti war ja bereits im dritten Teil spielbar, im fünften Teil nimmt sie sogar einen größeren Teil des Spiels ein. Sie leidet übrigens nicht unter Amnesie, spricht aber nie an, was zwischen Larry und ihr vorgefallen ist. Dafür schlägt sie sich mehr schlecht als recht als Pianistin durch, bis sie vom FBI angeheuert wird, um dem Verdacht nachzugehen, dass Plattenfirmen auf mehreren Tonträgern unterbewusste Messages platzieren. Als Musikerin kann sie sich da sicherlich perfekt einschleichen, oder? Gesagt getan, hat sie es bald mit egozentrischen Rappern und selbstverliebten Tonmeistern zu tun. Patti ist, wie schon in den Vorgängern, dabei alles andere als prüde, hat aber deutlich weniger erotische Abenteuer als Larry. Was nicht heißt, dass sie ihre Reize nicht einzusetzen weiß …

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Anders als Larry 1 und die erste Hälfte von 3 (oder auch 6 und 7) ist Larry 5 kein Sandboxadventure in dem Sinne, dass man an einer Location die Frauen in fast beliebiger Reihenfolge rumkriegen kann. Das heißt aber auch nicht, dass man es hier a la Larry 2 mit einer linearen Aneinanderreihung von Szenen zu tun bekommt. Larry 5 liegt nämlich irgendwo dazwischen: Man kann mit Larry in beliebiger Reihenfolge die drei Locations der Mädels abklappern und wird zwischen diesen Episoden die beiden Orte besuchen, die Patty betreffen. Insofern ist die Grundstruktur vorgegeben, die genaue Reihenfolge der einzelnen Episoden allerdings nicht. Dadurch hat man es mit lauter kleinen Abenteuern zu tun, die eigentlich in sich abgeschlossen sind (man braucht im Normalfall keine Gegenstände von Location B, um in A erfolgreich zu sein – Ausnahmen sind hier nur die beiden Startareale) – und Backtracking ist auch gar nicht wirklich vorgesehen oder nötig. Und genau da steckt auch ein wenig der Pferdefuß von Larry 5. Das Adventure strotzt zwar vor haarsträubenden erotischen Abenteuern mit jeder Menge Mißgeschicken, die die Larry-Serie berühmt gemacht haben und beinhaltet sogar meiner Meinung nach die meisten Satire-Elemente überhaupt – eine Pornoproduktionsfirma, die eine konservative Bürgervereinigung besticht, um die Konkurrenz loszuwerden? Unterbewusste Botschaften in Musik? Und das alles noch mit dazu passenden Stereotypen? Larry V wagt es, hier an einigen Stellen parodistisch, aber dennoch deutlich anzuecken. Aber gerade als Adventure scheitert das Spiel dann doch.

Woran das liegt? An einem Paradigmenwechsel bei Sierra. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Sierra-Adventures (im Gegensatz zu ihren LucasArts-Kollegen) dafür berühmt, dass man auf viele Arten und Weisen sterben oder auch einfach nur stecken bleiben konnte. Larry 5 war mit seinem Release 1991 ein deutlicher Schritt in die Moderne, was man schon daran merkt, dass es das erste Spiel der Serie (VGA-Remake von Teil eins mal außen vor) ist, das ohne Tastatur und in VGA-Grafik spielbar ist. Und auch im Spieldesign merkt man diese Veränderungen: Sterben war ebenso nicht mehr möglich wie nicht mehr weiterkommen. Was auf dem Papier gut klingt, hatte allerdings fatale Folgen für das Gamedesign. Was soll man denn tun, wenn Larry vergessen hat, die Videobänder zu löschen, obwohl in das Spiel darauf hingewiesen hat? Was macht man, wenn die Green Card am Flughafen im Mistkübel liegen geblieben ist, obwohl man sie braucht, um eines der Mädchen rumzukriegen? Was ist, wenn Patti ein wichtiges Beweisstück übersehen hat? Andere Spiele würden euch in diesem Fall zurückhalten oder Mechanismen einbauen, damit genau so etwas nicht passiert, Larry 5 lässt euch hingegen die Fehler machen, verzichtet allerdings auf Konsequenzen und lässt euch trotzdem zum Finale weiterlaufen. Zwar gibt es eine Stelle, an der ihr eure Fehler unter die Nase gerieben bekommt und der Punktestand ist natürlich dann auch nicht am Maximum, aber irgendwie hat man doch das Gefühl, durch das Spiel durchzulaufen und sich das Finale ercheated zu haben. In manchen Fällen kann man es noch Larrys Ungeschicken zuschreiben (im Eifer des Gefechts kann man schon vergessen, die Kamera aufzuladen), aber manche Dinge sind dann doch eher erschummelt. Oder die Mädchen tatsächlich „bedürftiger“, als es den Eindruck erweckt.

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Ich gestehe: Ich habe die Larry-Teile damals in völlig falscher Reihenfolge gespielt (nicht, dass es so relevant gewesen wäre, aber zumindest einzelne Spiele hängen ja dann doch zusammen). Nach Teil eins folgte Teil sechs, dann sieben, später fünf und erst vor wenigen Wochen dann zwei und drei. Das liegt aber auch daran, dass ich erst bei den späteren Teilen im richtigen Alter war, um sie mir auch zulegen zu können (tatsächlich ist Love for Sail der einzige Teil, den ich mir zeitnahe zum Release geholt habe). Larry 5 war mit seinem moderneren Interface lange Zeit jener Teil, den ich unbedingt noch nachholen wollte, vor allem, weil ich sechs und sieben mochte – aber auch jener Teil, den ich ihn nirgends finden konnte. Abhilfe schafften da erst jene Magazine, die ein dünnes Heftchen samt Spiele-CD anboten (könnt ihr euch noch erinnern? Ja, das waren noch Zeiten) – hier bekam ich Larry 5 zum ersten Mal in die Hand.

Im Gegensatz zu 6 und 7, die ich beide mehrfach durchgespielt habe, waren meine Erinnerungen an 5, wie ich feststellen musste, kaum vorhanden. Ja, die Grundprämisse war noch in meinem Kopf, aber anstatt mich an die Begegnungen von Larry mit diversen Mädels und Pattis Abenteuer zu erinnern, waren es vor allem die Phantasiesequenzen, die die Übergänge zwischen den Episoden der beiden Protagonisten einleiten, die mir in Erinnerung geblieben sind (darunter eine erotische Eskapade von Patti mit einem Bill Gates-Verschnitt). Was in dem Spiel passiert, blieb nicht in meinem Kopf hängen – nicht einmal mehr einzelne Puzzles. Bis zu diesem aktuellen Durchlauf (wenn ich mich nicht täusche, war das auch erst der zweite) war mir aber nicht klar, warum dieses Spiel es nicht geschafft hat, die zwischenmenschlichen Begegnungen zwischen Larry und den Frauen so in mein Hirn zu rammen, wie das in den anderen Teilen der Fall ist: Es ist viel zu leicht, die Mädels rumzukriegen. Manchmal muss man nur zu ihr gelangen und lange genug mit ihr reden, um die (fatale, aber dennoch) Sequenz einzuleiten – Stichwort „man darf nicht hängen bleiben“. Außerdem gibt es nur drei Mädchen (ein ziemlicher Tiefpunkt der Serie) und selbst diese sind bei weitem nicht so interessant designed (damit meine ich tatsächlich den Charakter), wie andere aus späteren Teilen.

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Trotz all dieser Schwächen bleibt Larry 5 ein Spiel, das man gespielt haben sollte. Aber warum vermissen, fragt ihr? Die Larry-Serie ist nicht wegen ihrer Fehlerlosigkeit bekannt, sondern dafür, dass sie recht lange gebraucht hat, zu ihrem Stil zu finden. Und tatsächlich stellt Larry 5 einen weiteren Evolutionsschritt dar. Die Erotik ist zweifelsfrei vorhanden, es gibt eine Story, die die wohl zweitkomplexeste (was zugegebenermaßen bei Larry nicht viel heißt) der Serie darstellt (nach Teil zwei) – nur im Adventuredepartment hatte man diesmal noch geschlampt. Auf der anderen Seite ist es (neben Larry 1 VGA) der wohl erste Teil der Serie, den man auch als moderner Spieler noch irgendwie spielen kann. Dafür bekommt man ein Stück Spielegeschichte präsentiert, denn allein für die Aktion rund um Larry 4 und die Frage, wie das mit Patti gelöst wurde, verdient Larry 5 in Erinnerung zu bleiben. Und immerhin braucht man nicht allzu lange, um das Ende zu sehen, wie ich mir selbst kürzlich bewiesen habe. Dafür gibt es zwei Punkte, der wirklich gut gelungen ist, der Larry 5 dann doch empfehlenswert macht: Der Humor, der vor allem in den Phantasiesequenzen auf ziemlich geniale Parodien zugreift; und die Satire, denn hier gibt es nicht nur Larrys (und natürlich auch Pattis) erotische Abenteuer, sondern auch einige Kommentare über Politik und Popkultur. Klar, in den letzten zwanzig Jahren hat sich hier einiges geändert – aber in anderen Bereichen ist das Spiel dennoch noch aktuell.

Wofür man es noch in Erinnerung behalten kann? Als vierten Teil einer Trilogie. Während Larry 1 bis 3 eindeutig zusammenhängen und 5 durch die Einbeziehung von Patti eine Art Epilog darstellt, wird mit Teil sechs wieder reiner Tisch gemacht und die Serie fortgeführt, als hätte seine große Liebe dem Polyesterträger nie etwas bedeutet. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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