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Kolumne: SEGA Forever – Beispiel für Nintendo?

Sega does what Nintendon’t. Die Ära der alten Feindschaft zwischen den beiden Unternehmen ist längst vorbei, der knackige Slogan jedoch hat die Zeit überstanden. In einigen Bereichen stimmt er ja auch. Sega ist im Zeitalter von Social Media viel moderner aufgestellt als das Unternehmen aus Kyoto. Während der Twitter-Account von Sonic seine Folgerschaft immer wieder mit Memes vergnügt und sich auch nicht davor scheut, kantige Kommentare von sich zu lassen, wäre so ein Verhalten des Klempners Mario völlig undenkbar. Dieser Unterschied ist also immer noch so ein wenig da. Auf der einen Seite der makellose aber charakterlose Mario, auf der anderen Seite der pubertär wirkende Sonic, der auf Biegen und Brechen cool wirken möchte. Auf die Unternehmen umgemünzt könnte man vielleicht sagen, dass Nintendo eher konservativ eingestellt, während Sega eher dazu bereit ist, sich zu verändern.

SEGA Forever ist das perfekte Beispiel dafür.

SEGA® Forever™ is a free and growing classic games collection of nearly every SEGA game ever released from every console era – Master System, Genesis/Mega Drive, Dreamcast, and more. Available on iOS and Android mobile devices.

So beschreibt Sega den Service, auf den das Unternehmen viel setzt. Immerhin werden hier “fast alle SEGA-Spiele” veröffentlicht und das auch noch umsonst (mit Werbung). Wer die Spiele offline nutzen und die Werbung deaktivieren möchte, muss einen kleinen Betrag zahlen. Das Projekt ist von Anfang an für die Zukunft konzipiert. Bei den Spielen handelt es sich in der Regel nicht um Ports, sondern um Emulationen in Unity. Das ergibt auch Sinn. Portierungen kosten viel mehr Geld, der Service dürfte so schneller wachsen und über kurz oder lang auch auf anderen Plattformen wie Browser oder Konsolen launchen. Was aber Sinn ergibt, muss nicht immer gut sein.

Viele Fans klagen über die teilweise schlechte Emulation und die Wahl der ersten Plattform. Ob Kid Chameleon nun umsonst ist oder nicht, wenn es ruckelt, werden es viele schnell wieder vom Handy löschen. “Und warum überhaupt das Handy”, fragen sich viele Spieler. Es ist sicherlich keine allzu riskante Behauptung, dass ein großer Teil der an SEGA Forever interessierten Spielerschaft, auch eine Konsole besitzt. Immerhin, Bluetooth-Controller werden unterstützt.

Aber Sega hat sich richtig entschieden. Es geht vor allem darum, den Namen Sega bekannter zu machen. Schüler sollen sich gegenseitig ihre SEGA Forever-Sammlung zeigen und um Highscores spielen. Das ist eine neue Generation an Spielern, bei der eine 100% präzise Steuerung nicht an erster Stelle steht. Das mag für Ältere vielleicht suspekt klingen, aber sie sind nun mal nicht mit Touchscreens aufgewachsen. Diesen Effekt spürt gerade auch die Switch. Vielleicht beschweren sich manche über die kleinen Joy-Con, da diese nicht optimal in den Händen liegen, viele Spieler denken darüber aber kaum nach. Es stört sie einfach nicht. Bequem muss es sein, schnell muss es sein, kompakt muss es sein.

Auch aus der finanziellen Sicht muss Mobile die erste Plattform für SEGA Forever sein. Vielleicht werden ein paar Spieler die Titel auch tatsächlich kaufen, die allermeisten werden jedoch die kostenlosen Versionen mit Werbung vorziehen. Das ist eine Grundregel des F2P-Markts, daran wird auch Sega nichts ändern können. Trotzdem, der ein oder andere Superfan könnte einfach aus Sammellust alles kaufen und es entstehen Werbeerlöse, die es vorher eben nicht gab. Und bei Werbung zählt immer die Masse. Je mehr Leute Werbung sehen, desto mehr Erlöse werden generiert. Wie viele Spieler würden sich heutzutage noch Altered Beast kaufen? Für wie viel Geld? Retro-Liebhaber hat man schon auf etlichen anderen Plattformen zur Kasse gebeten, im Jahr 2017 dürfte das aber kaum noch möglich sein. Also bietet man Altered Beast umsonst an. Interessierte laden es herunter und löschen es vielleicht nach fünf Minuten schon wieder. Ein Download mehr, fünf Minuten Nutzung des Services mehr und X Euro Werbeeinnahmen mehr. Durch Altered Beast.

Schon vor vielen Jahren rief so manch ein Analyst Nintendo dazu auf, ihre alten Spiele auf Handys anzubieten. Das ergibt ja Sinn, auch hier wieder. Jedoch sträubt sich Nintendo vor diesem Schritt, was sicherlich wirtschaftliche und vielleicht auch persönliche Gründe hat. Zum Release von Super Mario Run wurde Miyamoto mal wieder die Frage gestellt. Ihm nach würde es ihn langweilen, diese Spiele einfach nur zu portieren. Seien wir ehrlich, wenn Nintendo diesen Schritt nötig hätte, würden sie es trotzdem tun. Da aber nun mal viele alte Nintendo-Titel heutzutage immer noch gut spielbar sind, viele Spieler mit ihnen aufgewachsen sind und sie besonders schätzen, kann Nintendo immer mal wieder ordentlich Geld für sie verlangen.

Keine anderen Spiele der Videospielindustrie dürften eine derart hohe Zahlungsbereitschaft bei den Kunden über so viele Jahre erhalten haben, was aber auch an Nintendos rigoroser Preispolitik liegt. Sales mit 75% Preisnachlass gibt es bei Nintendo nicht. Die Angst vor der Entwertung der eigenen Titel ist viel zu groß. Auch das sprach Miyamoto im Interview an. Er möchte Spiele anbieten, für die Kunden auch bereit sind, Geld auszugeben. Ihm nach wäre dies für schlichte Emulationen nicht der Fall. Trotzdem, auch Nintendo muss sich mit dem Mobile Markt befassen. Wenn Kinder heutzutage keine Konsole besitzen sonder nur noch auf ihrem Handy spielen, muss Nintendo reagieren und ebenfalls auf dem Handy vertreten sein. Miitomo, Super Mario Run und Fire Emblem: Heroes waren nur der Anfang.

Sega does what Nintendon’t. Sega geht “all in” und folgt konsequent den Regeln des Mobile-Marktes. Umsonst, schnell und bequem. Die Spiele sind schnell runtergeladen, schnell ausprobiert und je nach gefallen vielleicht schnell gekauft oder gelöscht. Der Service ist durchdacht und macht Spaß. Ginge es nach Sega, wird hier eine neue Plattform mit viel Potenzial aufgebaut. Risikolos ist das Projekt aber nicht. Günstiger als umsonst geht nicht. Wie viele Spieler würden nun ein kostenpflichtiges Sonic auf dem Handy kaufen, wenn es doch schon ein gutes Sonic umsonst gibt? Sega entwertet nun konsequent seine alten Spiele und erhofft sich dadurch mehr Bekanntheit und frische Werbeeinnahmen auf dem hart umkämpften Mobile-Markt. Ergibt durchaus Sinn, aber allen voran die Emulation darf aber eigentlich nicht unter den Erwartungen liegen und muss unbedingt verbessert werden, um es sich gerade mit den treuen Fans nicht zu verscherzen.

Ein solcher Service von Nintendo ist aktuell undenkbar. Man mag es konservativ oder altmodisch nennen, aber bis zu einem Service wie SEGA Forever von Nintendo dürften noch viele Jahre vergehen, wenn dieser überhaupt kommt. Nintendo hat noch wenig Erfahrung mit dem Mobile Markt. Es dürften daher noch weitere Experimente folgen. Auch spielen Retro-Spiele eine ganz andere Rolle für den Konsolenhersteller. Der ab 2018 kostenpflichtige Online-Service der Switch soll Spieler mit onlinefähigen Retro-Spielen zum Abo überzeugen. Und die Virtual Console muss ja auch irgendwann mal kommen. Zudem, warum seine alten Spiele jetzt kostenlos fürs Handy anbieten, wenn viele Kunden dazu bereit sind, bis zu 100 Euro für ein SNES Mini auszugeben? Also wird Nintendo sich SEGA Forever entspannt aus der Ferne anschauen, weitere Spiele für Mobile veröffentlichen und in ein paar Jahren die Situation neu evaluieren. SEGA Forever ein Beispiel für Nintendo? Vielleicht, irgendwann mal. (kf)

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Notable Replies

  1. Naja, Nintendo wird so einen Service auch nicht bringen. Gleichzeitig blieb das Super Mario Handy Game auch hinter den erhofften Verkaufszahlen …

    Warum ist Sega Forever kostenlos auf IOS und Android? Weil 95% der Kunden für Handy-Spiele nichts bezahlen wollen. Ja, ist halt so. Deshalb gratis mit Werbung oder eben werbefrei für zwei bis drei Euro. Aber ein purer Bezahl-Service würde hier nicht funktionieren.

    Ich finde den Service richtig. Die alten Sega-Figuren werden dadurch populrärer. Wir hier sind alle mit dem GameBoy aufgewachsen und haben so Mario, Link und Samus kennengelernt. Heute wachsen die Kinder mit Smartphone und Tablet auf. So lernen sie wenigstens noch Sonic & Co. kennen :wink:

    Ich würde mir hingegen einen Sega-Forever-Premium-Dienst wünschen für PC und Konsolen in der nächsten Zeit. Gibt so viele Klassiker auf Mega Drive, Saturn und Dreamcast, die heute noch Spaß machen. Und es könnten auch “geistige Fortsetzungen” folgen wie eben “Sonic Mania”. Warum kein “Street of Rage IV” oder ein nächstes “Sega Ralley” ?

    Sega Forever ist nicht perfekt. Aber es geht in die “richtige Richtung”. Schauen wir uns Mini-NES und Mini-SNES an. So toll diese Mini-Retro-Konsolen auch sind. Wie lange wird man sie benutzen? Nach 6 Monaten verstauben sie dann genauso wie das orignal NES …

    Es ist schon lustig. Wenn ich heute die erste Star Wars Trilogie anschauen will, lege ich eine DVD oder Blu Ray in den aktuellen Player. Es gibt doch auch keinen “Mini-VHS-Rekorder”, der heute verkauft wird mit 30 beliebten VHS-Filmen von 1985 bis 1992 … Oder ein Mini-PC mit Spielen, die mal unter Windows 95 gelaufen sind?

    Die Mini-Retro-Konsolen sind natürlich in Ordnung, aber so “Games on Demand Dienste” sind doch auch nicht verkehrt. Von daher hoffe ich, dass Sega Forver ein Erfolg wird und hoffentlich auch bald für Konsolen angeboten wird. Kann von mir aus auch gerne ein paar Euro kosten, wenn dafür die Spiele-Auswahl groß genug ist :wink:

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