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Kolumne: Reden wir über Angst

Im aktuellen Podcast haben wir ja ein Interview mit Dr. Lars Robert Krautschick zum Thema künstlich erzeugte Angst in Horrorfilmen und Videospielen. Passend dazu dreht sich meine Kolumne heute um eine reale Angst und was wir tun können, um diese zu überwinden.

Wenn man vor etwas Angst hat, dann ist es der einfachste Weg dieser Angst aus dem Weg zu gehen. Es ist der Weg mit dem geringsten Widerstand, sich nicht genauer mit dieser Angst auseinanderzusetzen, sondern diese zu akzeptieren und als gegeben hinzunehmen. „Ist halt so“. Doch was, wenn sich um eine Angst handelt, die sich nicht so einfach wie Höhenangst vermeiden lässt? Was, wenn man nicht einfach sagen kann: „Dann sehe ich mir Hochhäuser eben nur von unten an.“? Dann müssen wir uns dieser Angst stellen, denn wenn wir dies nicht tun, dann wird sie zum Nährboden für Wut und Hass.

Wenn wir uns die derzeitige Medienlandschaft einmal genauer ansehen, dann dominiert vor allem ein Thema den Alltag: Die Angst vor Flüchtlingen. Wir hören täglich vom überfüllten Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, von der Suche nach möglichen Quartieren, von Toten, die es über die illegalen Schlepperrouten nicht geschafft haben, und von der Anzahl an Menschen, die in den nächsten Monaten bei uns Schutz suchen werden. Bilder von verschmutzten Straßen in Traiskirchen, von improvisierten Zeltlagern und von hunderten Menschen, die sich für die Essensausgabe anstellen schüren bei den Menschen ein Gefühl von Unwohlsein. Hilflosigkeit macht sich breit und vermittelt den Menschen den Eindruck, dass ihre Bedürfnisse und Ängste derzeit nichts auf der politischen Agenda zu suchen haben. Aus der Angst überhört zu werden entsteht Wut auf diejenigen, die anscheinend wichtiger sind als man selbst und deren Anliegen mehr Gehör finden als die eigenen. Dabei treffen diese Wut und der daraus resultierende Hass zumeist Menschen, die ohnehin bereits am Boden liegen und sich nicht wehren können.

fussmatte

Unsere Politik hat an beiden Fronten der Integration versagt!

Auf der einen Seite hat man den sich seit Monaten bzw. Jahren angekündigten Zustrom an Flüchtlingen kaltschnäuzig ignoriert und sich vehement dagegen gewehrt, Maßnahmen zu treffen, um die Situation frühzeitig zu entschärfen und vorbereitet zu sein.

Auf der anderen Seite haben wir nun Menschen, die sich im Stich gelassen fühlen und von der Politik mit leeren Phrasen vertröstet werden. Menschen, die sich übergangen fühlen und Angst davor haben, nicht ernst genommen zu werden.

Auf beiden Seiten stehen Menschen, denen es nicht gut geht. Menschen, die sich nicht verstanden fühlen und deren Meinung als unwichtig deklariert wird. Diese Menschen könnten einander helfen, sich kennen- und lieben lernen und sich gegenseitig wertschätzen. Doch leider scheint es für einige Personen wichtiger zu sein, einen Keil zwischen diese Menschengruppen zu treiben. Sie gezielt voneinander abzugrenzen und die Unterschiede, die eigentlich keine Rolle spiele sollten, aufzuzeigen, um ein gemeinsames Miteinander zu verhindern. Es sollen Feindbilder geschaffen werden, die die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger von anderen Dingen ablenkt.

Wir dürfen Ängste nicht länger ignorieren!

Medienberichte vom nicht enden wollenden Strom an Flüchtlingen sorgen für Existenzängste innerhalb der Bevölkerung. Es wird befürchtet, dass unserer Kultur immer weniger Wert beigemessen wird und stattdessen durch die Zuwanderungen eine andere Kultur Einzug hält. Die Menschen haben Angst vor den Flüchtlingen und Asylwerbern, weil es nur eine anonyme Masse ist. Eine Masse an Leuten, von denen man tagtäglich liest wie kriminell, unordentlich, dreckig, gewaltbereit und undankbar sie seien. Dabei würden wir die Flüchtlinge ganz anders wahrnehmen, wenn jede Gemeinde zwei bis drei Familien aufnehmen würde, statt sie wie derzeit zu Tausenden in eine kleine Stadt zu stecken. Dass es funktionieren kann, zeigen uns viele kleine und große Gemeinden, die sich tagtäglich der Herausforderung stellen. Wir müssen weg vom Bild der namenlosen Masse und hin zur Vorstellung von konkreten und realen Personen mit einem Gesicht.

Oft wird ein Bild von Flüchtlingen und AsylwerberInnen vermittelt als wären es Menschen, die nichts lieber täten als unser Land in den Ruin zu treiben, nur um dann weiter zu ziehen. Dabei sind es Menschen wie wir. Menschen, die sich danach sehnen an einem sicheren Ort zu leben ohne täglich Angst davor haben zu müssen, ihr Haus durch eine Bombe zu verlieren oder von Soldaten im eigenen Wohnzimmer ermordet zu werden. Menschen, die genau wie wir Videospiele zocken wollen, Comics lesen und in den Park gehen möchten. Sie sehnen sich ebenso nach einem ruhigen Leben in Frieden und Liebe mit ihrer Familie. Und sie würden nichts lieber tun, als dieses Leben in ihrem eigenen Land aufbauen und genießen zu können, denn diese Menschen lieben ihr Land ebenso wie wir unseres lieben. Doch der Krieg macht es ihnen unmöglich, ein normales Leben zu führen. Also verkaufen sie so viel wie möglich, um Geld für den Schlepper zu berappen, sie verlassen ihre Heimat ohne Gewissheit, ob sie lebend in Europa ankommen. Sie nehmen mit was sie tragen können und treten eine gefährliche Reise ins Ungewisse an. Eine Reise, die Tausenden vor ihnen das Leben gekostet hat.

Nur wenn alle mitreden können wir etwas bewegen

Unsere Regierungen haben es verabsäumt, sich um die Ängste und Sorgen der Bevölkerung zu kümmern. Ein offener Dialog auf Augenhöhe, in dem man den Menschen wieder das Gefühl gibt, respektiert und ernst genommen zu werden, ist unabdingbar. Wir müssen wieder lernen mit Menschen zu diskutieren, ihre Meinungen und Ängste zu respektieren und dabei sowohl angenehme wie auch unangenehme Themen anzusprechen, um einen gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden. Nur wenn wir alle dieses Thema anpacken und sich niemand ausgeschlossen fühlt, dann und nur dann, kann unsere Gesellschaft diese Krise bewältigen und gestärkt daraus hervorgehen.

Wie sagt man so schön in Österreich: „Durchs Reden kommen d’Leut zam!“

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