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Kolumne: Nintendo Switch – Share the Frust

Share the Joy ist die Botschaft der Switch, Nintendos neuer Hybridkonsole. Man muss Nintendos Willen zur Individualität schon bestaunen. Mit einer unbändigen Überzeugtheit stemmen sich die Entwickler aus Kyoto gegen moderne Trends unserer Gesellschaft. Während die Welt sich immer mehr hinter Milliarden kleiner Bildschirme zurückzieht, und mit VR schon der nächste Schritt zur Eliminierung physischer Interaktion bevorsteht, träumt Nintendo von einer ganz anderen Welt.

Einer Welt, in der sich Leute auf Partys in die Augen schauen und virtuelle Kühe melken.
Einer Welt, in der Leute während der Mittagspause im Café zusammen Mario Kart spielen.
Einer Welt, die es so nicht gibt.
Meinen viele.

Mit einer neuen Selbstverständlichkeit präsentiert sich Nintendos neue Riege den Videospielern, den Aktionären und der gesamten Videospielindustrie auf dem Switch Event. Betont gelassen möchte man den Übergang zu den neuen Gesichtern des Unternehmens und das Gefühl des Selbstbewusstseins übermitteln. Und die japanische Videospielindustrie hört genau zu. Auf dem heimischen Markt ist der Trend hin zum überfüllten Mobile-Markt unbestreitbar und gegen den westlichen Markt mit gigantischen AAA-Budgets können viele nicht ankommen. So richtet sich der Blick auf Nintendo, die mit einem neuen Konzept auch moderaten Entwicklungskosten eine neue Plattform bieten wollen. Ein Handheld kann keine PS4 Pro sein und eine PS4 Pro kann kein Handheld sein. Noch scheint man trotzdem nicht überzeugt zu sein und so werden mit Suda51 (Grasshopper) und Toshihiro Nagoshi (SEGA) zwei japanische Superstars der Szene auf die Bühne gestellt. Der eine kann sich Switch-Spiele vorstellen, der andere kündigt indirekt schon etwas an, zu sehen gibt es aber nichts. Worte können nicht schaden, aber sie reichen nicht aus. Und das frustriert.

Man hat sich dazu entschieden, die Switch später als geplant auf den Markt zu bringen, damit man mehr Software anbieten kann. So die Worte des Nintendo-Präsidenten Kimishima im Jahr 2016. Nach dem Event fallen diese Worte wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die angekündigten Titel zeichnen mal wieder das typische Bild einer Nintendo-Konsole. Einige Nintendo-Titel umgeben von fast nichts, vor allem keine großen Spiele von Drittentwicklern. Die eigenen Marken dienen als Pfeiler, um das Gebäude irgendwie aufrechtzuerhalten. Zum Launch kommt das neue Zelda, zum Sommer das neue Splatoon und zu den Feiertagen das neue Mario. Dazwischen noch Mario Kart 8 in einer Deluxe-Fassung. Ein paar neue Titel verstreut hier und da und eine längere Liste mit Spielen ohne Releasedatum. Das reicht nicht. Natürlich steht noch die E3 im Juni an und es könnten noch Nintendo Directs mit neuen Spielankündigungen folgen, aber es reicht trotzdem nicht. Trotz der neuen Gesichter auf der Bühne, des neuen Konsolennamens und der neuen Werbestrategie, scheint sich Nintendos ständiges Problem auf den ersten Blick nicht verbessert zu haben. Und das frustriert.

Ein paar Tage nach der Präsentation und den weltweit parallel abgehaltenen Hands-On-Events, lässt sich ein Trend erkennen. Wer die Switch selber in den Händen gehalten hat, ist positiver als der Rest gestimmt. Nintendo-untypisch wurde wohl an der Hardware selber wenig gespart. Der Screen soll gut sein, das Tablet sich wertig anfühlen und die Controller komfortabel in der Hand liegen. Nach dem Plastik-Controller der Wii U eine willkommene Verbesserung, die aber auch Geld kostet. Hat man sich zur Vorbestellung entschieden, wird man mit den Preisen konfrontiert. Alles ist teuer. Die Konsole selbst wird für den unschönen Preis von 330 Euro verkauft. Für ein Tablet mit diesem Innenleben und modernen Standards wie Micro-SD und USB-C kein Beinbruch. Aber die Konsole selbst reicht ja nicht aus. Dem Paket liegt kein Spiel bei. Wer zu viert Multiplayer spielen möchte, muss noch viel mehr drauflegen und das recht unscheinbare Dock alleine kostet weitere 90 US-Dollar. Das ist an sich alles nicht neu. Wer eine PS4 zum Launch zusammen mit einem Spiel und drei zusätzlichen Controllern gekauft hat, ist auch sehr viel Geld auf einmal losgeworden. Nirgends ist der Disconnect aber größer als bei Nintendo. Auf der einen Seite eine Multiplayer-Konsole für die ganze Familie zu bewerben, auf der anderen Seite über 500 Euro für dieses Szenario zu verlangen; das passt nicht. Auch für Einzelspieler könnte Switch zu einer sehr teuren Angelegenheit werden. Switch + Zelda + Pro Controller dürfte wohl für viele der geplante Kauf zum Release gewesen sein. Dies entspricht einem Preis von rund 470 Euro. Natürlich ist es Zelda und natürlich möchte man es am liebsten auf der neuen Konsole mit dem besseren Pro Controller spielen, aber 470 Euro sind immer 470 Euro. Damit lassen sich auch viele andere Konsolen mitsamt Videospielen erwerben. Auch hätte man das Problem lindern können, wenn die Minispielsammlung 1-2 Switch der Konsole wenigstens beiliegen würde. Nintendo hat nicht gezeigt, warum 1-2 Switch 50 Euro kosten soll. Vielleicht kommt das ja noch, vielleicht gibt es ja 50 Minispiele. Der erste Eindruck ist aber eine teure Minispielsammlung für eine teure Konsole, wohin das Auge reicht. Und das frustriert.

Bei der Präsentation hat sich Nintendo wieder mal Fehler erlaubt. Präsident Kimishima hat versucht, eine schlechte Nachricht mit einer guten Nachricht zu verstecken.

“Online kostet jetzt Geld, aber es gibt kein Region Lock mehr.”

“Kein Region Lock? Das ist ja nett, endlich können wir japanische Spiele import… wie Online kostet jetzt Geld? Ab wann genau? Mit welchen Features? Und wie viel kostet es überhaupt?”

Kostenpflichtiges Online, das ist mittlerweile Standard. Und doch kann Nintendo das nicht einfach in den Raum werfen, ohne nähere Details zu liefern. Der erste Gedanke geht Richtung Sony, zu PS+. PS+ kostet 5 Euro im Monat, ermöglicht Online-Multiplayer und “verschenkt” fünf Spiele pro Monat, mindestens zwei davon für die PS4. Erst im Nachhinein wurde durch widersprüchliche Interview-Fetzen bekannt, dass Nutzer wohl ein NES oder SNES-Spiel mit neuen Online-Features im Monat geliehen bekommen, das nach dem einen Monat gekauft werden muss, wenn man es weiterspielen möchte. Das mag alles noch okay sein, wenn der Online-Service nur einen Bruchteil von PS+ kostet. Nintendo hasst solche direkten Vergleiche, aber Nintendo existiert nun mal nicht in einem Vakuum. Das Online-System der Wii U war auch nicht gut, aber es war wenigstens umsonst. Jetzt mit kostenpflichtigem Online muss sich Nintendo den Vergleich gefallen lassen. Und vielleicht verstecken sich noch mehr Features hinter dem Dienst oder der Preis ist so gering, dass es nicht sonderlich stören wird. Aber wir wissen es nicht, da Nintendo es nicht gesagt hat. Man kann nicht einfach etwas unbestreitbar Schlechtes in den Raum werfen und es nicht erklären. In Anbetracht aller anderen Kritikpunkte zur Switch gehen Konsumenten natürlich vom schlimmsten Szenario aus. All das hätte Nintendo mit besserer Kommunikation schon längst aus der Welt schaffen können. Haben sie aber nicht. Und das frustriert.

Wenn man spekulieren möchte, dürfte schnell klar sein, warum alles so teuer ist. Die Joy-Con, die Controller der Switch, dürften der Schlüssel sein. Mit HD Rumble, einer IR-Kamera, besserer Bewegungssteuerung und einem NFC Reader/Writer ist der kleine Controller vollgepackt mit Technik, sieht dabei aber immer noch gut aus. Die Kosten für Forschung und Entwicklung für die Joy-Con dürften das komplette Projekt Switch aufgeblasen haben. Zudem fällt der Verkauf eines zweiten Controllers für Nintendo weg, für Spiele wie Mario Kart ist der Pro Controller nicht notwendig. Irgendwie muss dieses Geld wieder reinkommen, also zerstreut Nintendo die Kosten. Das eine Gerät kostet gefühlt 10 Euro zu viel, das andere 30 Euro zu viel. So fühlt sich das komplette Hardware-Lineup zu teuer an. Die Frage, die jetzt im Raum steht, ist, ob sich das alles überhaupt lohnt. Warum nicht einfach ein Tablet mit Dock ohne anderen Schnickschnack anbieten? Warum nicht einfach beim Konzept bleiben, das ja wirklich durch die Bank weg gut ankommt, und die Kosten und Preise niedrig halten? Warum nicht mit einem Kampfpreis den Markt aufrollen, hohe Stückzahlen absetzen und neuen Drittentwickler-Support sichern? Nintendos Antwort: Weil wir es wollen. Nintendo hat schon immer Hardware für Nintendo entwickelt. Irgendwelche Ideen werden sie für HD Rumble und die IR-Kamera schon haben, möchte man sich selbst einreden. Wirklich daran zu glauben, fällt nach dem 3DS und der Wii U aber schwer. So bleibt den Konsumenten nichts anderes übrig, als mal wieder Nintendo zu vertrauen. Zu vertrauen, dass diese zusätzlichen Features die hohen Preise wert sind und dass sie auch tatsächlich einen Mehrwert liefern. Mehr als vertrauen kann man aber auch nicht. Gezeigt hat Nintendo diesen Mehrwert nämlich nicht. Und das frustriert.

Bei all dem Frust sollte man die positiven Aspekte aber nicht aus den Augen verlieren. Zeitgemäße Hardware, bessere Grafik, Standards wie Micro-SD und USB-C, ein einzigartiges Hybrid-Gerät für Zuhause und unterwegs, Zelda zum Launch und das in sechs Wochen. In gerade mal nur sechs Wochen erscheint die Switch mit dem größten und teuersten Videospiel in Nintendos langer Firmengeschichte. Das ist aufregend, darüber kann man sich freuen. Es ist aber schade, dass sich in jedem Nebensatz zur Switch eine Negativmeldung versteckt. Wir können nicht einfach nur freudig gespannt auf die Switch sein. Und das frustriert.

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