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Da Capo-Review: Heavy Rain (PlayStation Plus)

Zwischen 3. Juli und 31. August 2018 gibt es Heavy Rain im Rahmen der PlayStation Plus Mitgliedschaft für die PlayStation 4. Aus diesem Anlass servieren wir euch das passende Review aus dem März 2016 als Da Capo-Review.

Nach Beyond: Two Souls im letzten Dezember erhält nun mit Heavy Rain ein weiterer „interaktiven Film“ aus der Feder von David Cage einen digitalen HD-Director‘s Cut für PlayStation 4 spendiert.

Dass man Heavy Rain gar nicht so leicht in die üblichen Videospiele-Schubladen stecken kann, musste schon Kollege Fatih Olcaydu bei seinem Test des PS3-Originals im Februar 2010 anerkennen:

Mit dem Dasein als Videospielredakteur verhält es sich wie mit jedem anderen Job auch. Hat man ihn lange genug gemacht, denkt man, man hätte bereits alles gesehen. Doch hin und wieder sorgen innovative und überraschende Entwicklungen dafür, dass dieser überhebliche Gedanke ins Wanken gerät. Komplett zum Einstürzen hat ihn Heavy Rain gebracht, das sich mit seinen eigenwilligen Strukturen und Gameplay-Mechaniken auf ein kaum bewandertes Areal der interaktiven Unterhaltung begibt. Level- oder Waffenanzahl, künstliche Intelligenz, Beschaffenheit der Rätseleinlagen – alles Kriterien, die sich bei der Bewertung solch eines Titels als unpassend herausstellen.

Interaktive Erzählung
Das mühsamste an Heavy Rain ist die Eröffnung: Die ersten Szenen gehören zu einem etwas langwierigen und unscheinbaren Spieleinstieg. Zwar wird hier ordentlich auf die Tränendüsen gedrückt, aber dennoch entfaltet sich die Story nur in schleppenden Schritten, was vor allem auf die vier unterschiedlichen Hauptcharaktere zurückzuführen ist, die einzeln vorgestellt werden wollen. Dabei setzt Heavy Rain nicht auf einen coolen Auftritt eines Charakters, der in einem Halbsatz seine Motivation definiert, sondern versucht streng, eine gewisse emotionale Bindung zwischen Spieler und Figur herzustellen, indem man einen tiefen Einblick in deren Gefühls- und Gedankenwelt und Motivation erhält. Das braucht natürlich seine Zeit und dementsprechend verstreicht schon mal etwas Zeit, bis Heavy Rain seine wahren Stärken offenbart. So lernt ihr mit der Zeit den Architekten Ethan Mars, der nach einem tragischen Unfall mit seinen psychischen Problemen und fehlendem Lebenswillen zu kämpfen hat, oder den FBI-Agenten Norman Jayden mit seinen Drogenproblemen kennen. Die beiden anderen Figuren sind der Privatdetektiv Scott Shelby und die an Schlaflosigkeit leidende Fotojournalistin Madison Paige. Wie man schon erkennen kann, hat jeder Charakter seine ganz eigene Hintergrundgeschichte, Herkunft und individuelle Probleme, die sich im späteren Spielverlauf immer mehr auf die Handlung auswirken. Denn obwohl der Haufen den Eindruck macht, aus freien Stücken zusammengewürfelt worden zu sein, führt sie der rote Faden, die Suche nach dem Origami-Killer, einem Psychopathen, der kleine Jungen entführt und diese anschließend ermordet, immer mehr zusammen.

Das Besondere an der Handlung ist allerdings nicht die fesselnde Mörderjagd, sondern die Tatsache, dass sie sich euren Entscheidungen und Spielweise anpasst. Je nachdem, wie ihr in Situationen reagiert, ergeben sich unzählige Konsequenzen, bis hin zum Tod eures Charakters, was euch anschließend einen stark unterschiedlichen Spielablauf beschert und ihr nur noch das Spiel aus der Sicht der anderen Figuren erlebt. Wer sich jetzt auf ein Spiel mit immer wieder komplett unterschiedlichem Verlauf freut, sollte die Freudensprünge nicht ganz so hoch ausführen, denn oft laufen Handlungsstränge zu einem bestimmten Ergebnis hinaus, was aus storytechnischen Gründen auch nicht anders zu bewerkstelligen wäre – nur der Weg dorthin bietet mehrere Möglichkeiten. Beispielsweise könnt ihr einen Räuber auf unterschiedlichen Wegen k.o. schlagen, aber habt ihr es getan, ist die anschließende Sequenz haargenau dieselbe. Größere Unterschiede ergeben sich also in erster Linie, wenn man gewisse Szenen gar nicht zu Gesicht bekommt, weil der Charakter das Zeitliche gesegnet hat.

Gefühlsbetont
Während der Entwicklungsphase hat David Cage, Skriptautor und Entwicklungschef, oft betont, dass es in Heavy Rain um gewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Situationen gehen soll – und an diesem Motto wurde augenscheinlich auch bis zum finalen Spiel festgehalten. In Heavy Rain rückt die Handlung in den Vordergrund wie in keinem zweiten Spiel. Hier geht es um das Schicksal der Menschen und die Probleme, die sie in einem scheinbar aussichtslosen Lebensabschnitt bewältigen müssen. Lasst ihr euch auf dieses Erlebnis ein, baut ihr schnell eine emotionale Bindung zu den sehr lebendig wirkenden Figuren auf, was nicht zuletzt an der äußert realistischen Inszenierung und dem plausiblen Verhalten der Figuren liegt. Dass die virtuellen Akteure eine solch gute schauspielerische Leistung erbringen, haben sie auch ihrem technischen Bewegungsapparat zu verdanken, in den Quantic Dream viel Schweiß und Mühe investiert hat. Jede der Animationen wurde in zeitaufwendigem Motion Capturing Szene für Szene von extra gecasteten Schauspielern eingespielt und anschließend nur noch von den Artists mit dem nötigen Feinschliff versehen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und so werdet ihr keine generischen Bewegungsabläufe zu sehen bekommen, sondern nur äußerst detaillierte und flüssige Bewegungen, denen man den realen Ursprung in jeder noch so feinen Nuance, wie zum Beispiel zuckende Lippen, ansieht. Dank der Liebe zum Detail auf all diesen unterschiedlichen Charakterebenen schwappt mit der Zeit auch die melancholische Stimmung auf den Spieler über und man fiebert aktiv mit den Charakteren mit, was nicht zuletzt daran liegt, dass man, wie im echten Leben, in direkter Konfrontation mit dem Schicksal nur reagieren und nicht aktiv agieren kann.

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Viel Spaß beim Zusehen
So genial die Inszenierung ausfällt, so unspektakulär entpuppt sich das Gameplay. Wie schon im geistigen Vorgänger Fahrenheit beschränkt sich die Steuerung vorwiegend auf Quick-Time-Events und die simplen Eingaben mit den Aktionstasten, dem rechten Stick oder dem Bewegungssensor. Verdeutlicht wird dem Spieler die auszuführende Eingabe, die zumindest versucht die reale Bewegung nachzuahmen, durch Einblendungen auf dem Bildschirm. So seht ihr die meiste Zeit einfach zu, während sich das Spiel wie ein Film vor euch abspielt und ihr nur bei Aufforderung den Controller betätigt. Etwas mehr Handlungsfreiraum gewähren kurze Abschnitte, in denen ihr die Szenerie frei erkunden dürft. Rätsel und ähnliche Herausforderungen erwarten euch allerdings auch hier sehr selten, beschränken sich die Entwickler doch stark auf die Aufgabe, einfach nur den nächsten Anhaltspunkt zu finden, damit die Handlung fortgesetzt werden kann. Etwas mehr Pseudo-Abwechslung bieten die Sequenzen mit FBI-Agent Norman und seiner Sci-Fi-Brille, dem ARI-System. Dieses kann Spuren analysieren und liefert Zusatzinfos, wenn ihr beispielsweise Tatorte durchforstet, aber alles in allem läuft alles nur darauf hinaus, den Ausgangspunkt der Szene zu erreichen. Wer jetzt den Eindruck hat, dass das Spiel sehr wenig bietet, darf aufatmen. Im späteren Spielverlauf darf man den Charakteren bei immer unterschiedlicheren Handlungen folgen, was sich zwar ähnlich steuern lässt, aber doch immer wieder das Gefühl vermittelt, neue Spielinhalte zu beäugen.

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Das halb-aktive Spielgeschehen hat auch den Vorteil, dass ihr mehr Zeit habt, euch auf die gelungene grafische Präsentation zu konzentrieren. Neben den erwähnten beeindruckenden Animationen der Charaktere wurden auch viele Einzelheiten an ihrem Äußeren herausmodelliert, was sie noch glaubwürdiger erscheinen lässt. An der Realität orientiert sich auch das Leveldesign, das gespickt mit Details frappierend an das echte Leben erinnert. Der Vielfalt an Objekten in jeder Szene sieht man die Orientierung an der Realität an und auch deren Platzierung sorgt dafür, dass die künstlichen Lebensräume wie echt, wenn auch oft etwas steril, wirken lässt.

Heavy Rain ist über zwei Jahre älter als Beyond: Two Souls und das merkt man auch der HD-Version deutlich an. Das Spiel läuft zwar jetzt in 1080p und einige Texturen wirken deutlich schärfer, aber die Verbesserungen halten sich deutlich in Grenzen. Dankbar sind wir vor allem dafür, dass das auffällige Kantenflimmern der PS3-Version nun nicht mehr vorhanden ist. Auf eine Move-Unterstützung muss genauso verzichtet werden wie auf den auf der PS3 erschienen DLC, der anders als bei Beyond nicht integriert wurde. Dafür kostet Heavy Rain auf der PS4 mit günstigen 10 Euro auch 20 Euro weniger als der remasterte geistige Nachfolger.

(Fatih Olcaydu, Michael Furtenbach)

Heavy Rain and Beyond: Two Souls Collection
Ab sofort ist im Handel auch eine Collection mit den PS4-Versionen von Heavy Rain und  Beyond: Two Souls erhältlich. Die Disc-Version kostet rund 50 Euro, im PSN Store gibt es das Bundle für 40 Euro.

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Review Overview

Wertung - 8

8

Ausnahmespiel

Was bei unserem PS4-Review von Beyond: Two Souls galt, gilt auch für Heavy Rain. Auch auf der aktuellen Sony-Konsole ist Heavy Rain kein anderes Spiel und bietet all die Stärken und Schwächen des Originals auf der PS3. So empfiehlt sich dieses Spiel vor allem für alle, die den interaktiven Thriller noch nicht gespielt haben. Klar kann man ohne Bedenken Heavy Rain in das Adventure-Genre einordnen, aber trotzdem muss man dabei vorsichtig sein, denn dieser Titel gestaltet sich zum Großteil komplett anders als andere Vertreter dieser Rubrik und setzt euch nicht einfach ein Rätsel nach dem anderen vor, um euch so zu erlauben, den nächsten Schnipsel der festgelegten Handlung zu erspielen. In Heavy Rain geht es um Menschen und deren Gefühle. Darum, wie sich auch kleine Entscheidungen in bestimmten Momenten auf eine Situation auswirken können. Jeder, der Heavy Rain spielt, erlebt seine eigene Geschichte in demselben Rahmen, was dem Ziel interaktive, virtuelle Welten zu erzeugen am nächsten kommt. Heavy Rain ist durchwegs empfehlenswert, aber nur für jene, die sich mit dem passiven Gameplay nicht unterfordert fühlen und eine fesselnde, anpassungsfähige Handlung zu schätzen wissen. Wer permanent das Gefühl verspürt, einen Raum voller Menschen mit Polygonkugeln zu durchsieben und erst im Nachhinein Fragen zu stellen, kann dieses Ausnahmebeispiel für die Fähigkeiten des Mediums Videospiel getrost überspringen. Für den Downloadpreis von 10 Euro macht man jedoch nichts falsch und bekommt einige unterhaltsame Stunden geboten.

heavy-rain-beyond-collection-coverGenre: Adventure, Interaktiver Film
System: PS4
Entwickler: Quantic Dream
Erscheint: Erhältlich
Preis: ca. 10 Euro (ca. 30 Euro als Collection mit Beyond: Two Souls

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