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Review: Beyond a Steel Sky

Zurück in die Zukunft

In den 90ern gab es jede Menge Point&Click-Adventures – aus der Masse der Genrevertreter herauszustechen fiel damals nicht leicht. Beneath A Steel Sky aus dem Jahr 1994 hat das allerdings mühelos geschafft: Der Titel von Revolution Software entführte uns gekonnt in eine dystopische Welt, die nicht nur aufgrund der einzigartigen Beziehung unseres Protagonisten Robert Foster zu seinem Roboter Joey, sondern auch aufgrund des ganz eigenen Flairs und des Designs von Watchmen-Zeichner Dave Gibbons in Erinnerung blieb. Trotzdem verzichteten die Entwickler zunächst auf ein Sequel und arbeiteten stattdessen an der Broken Sword-Reihe. Doch nun ist es soweit: 26 Jahre nach dem Original geht es zurück nach Union City. Kann man die Nostalgie zurückholen?

Mind the Gap

Jahre nach dem Ende von Beneath A Steel Sky (Achtung, in diesem Absatz finden sich ein paar unvermeidliche Spoiler zum ersten Teil!): Robert Foster ist zurück im Gap – so wird der Outback Australiens in der dystopischen Zukunft des Spiels genannt, in der die Erde durch Verschmutzung und Radioaktivität schwer geschädigt wurde. Doch sein friedliches Leben in der freien, wenn auch weniger bequemen Zone außerhalb der Mega-Städte wird plötzlich gestört, als ein Kind von einem seltsamen Vehikel entführt wird. Robert folgt der Spur, die ihn rasch nach Union City zurückführt – jene Mega-City, der er einst mit Müh und Not entkommen ist und die er in der Obhut seines Roboterfreunds Joey gelassen hatte. Schon auf den ersten Blick ist klar, dass die Stadt nun eine ganz andere geworden ist – was einst grau und zweckmäßig war, wirkt nun bunt und einladend, wenn auch künstlich, und Joey wird zutiefst verehrt. Doch warum werden Kinder entführt und hierhergebracht? Was wurde aus Joey? Und wie soll Robert überhaupt in eine Stadt hineinkommen, in der alles per implantiertem Chip und Persönlichkeitsprofilen gesteuert wird? Fragen über Fragen, die wir gemeinsam mit ihm beantworten müssen.

Schöne neue Welt

Nicht nur die neue Version von Union City, sondern auch die Modernisierungen des Gameplays werden ein gewisser Kulturschock für Beneath A Steel Sky-Veteranen sein. Statt handgezeichneter und im Computer nachbearbeiteter Sprites und Hintergründe setzt das Sequel auf nun 3D-Grafik mit Hilfe der Unreal Engine 4. Der Look des Spiels wurde nach wie vor von Dave Gibbons designed und man bemüht sich durchaus, mit etlichen Stilmitteln ein wenig Comic-Flair ins Spiel zu bringen, aber der flache 2D-Look von damals ist Geschichte; stattdessen gibt es eine 3D-Umgebung, die wir aus Third-Person-Sicht erkunden. Das Resultat sieht ansprechend aus, auch wenn die visuelle Präsentation weder mit AAA-Titeln mithalten kann noch fehlerfrei ist – zum Teil wird in Gesprächen die Kamera schlecht platziert, in anderen Momenten werden Texturen verspätet nachgeladen, weshalb Details erst verspätet auftauchen. Zum Ausgleich erlaubt dieser Stil aber auch eine gewisse Lebendigkeit – NPCs wandern herum und bleiben selten genau dort, wo ihr sie zuvor gesehen habt.

Der gelernte Point&Click-Spieler wird sich allerdings vermutlich weniger um die Grafik an sich Sorgen machen als um das Gameplay, denn die Liste der gescheiterten Experimente aus dieser Perspektive in diesem Genre ist deutlich länger als die der geglückten. Erfreulicherweise können wir hier allerdings Entwarnung geben: Auch wenn Beyond a Steel Sky ein Spiel mit Third-Person-Steuerung ist, funktioniert es nach wie vor als Point&Click-Adventure. Wir sprechen mit Personen per Dialogbaum (dafür gibt es zwar deutsche Texte, aber momentan nur eine englische Sprachausgabe; die deutsche Sprachausgabe verzögert sich Corona-bedingt und soll nachgepatcht werden), interagieren mit allerhand Hotspots per Kontextmenü und sammeln Gegenstände für unser Inventar. Und natürlich warten auch zahlreiche Rätsel, denn Beyond a Steel Sky bleibt ein ernstzunehmendes Adventure und wird nicht (wie so mancher Konkurrent es gemacht hätte) zum interaktiven Film. Zwar müssen wir auf eine klassische Hotspot-Anzeige aller Objekte, mit denen man interagieren kann, verzichten (es werden nur jene in der Nähe angezeigt), aber da die einzelnen Locations überschaubar bleiben und man auf Pixeljagd verzichtet, ist es trotzdem kein Problem, alles zu entdecken, was man für die Lösung seiner (stets logischen, aber dennoch nicht immer auf Anhieb zu knackenden) Aufgaben braucht. Wenn man doch hängen bleibt, hilft ein ins Spiel integriertes Hint-System.

Logiklöcher

Wenn man in einer vernetzten Welt mit strengen Regeln unterwegs ist (und wenn man will, kann man hier durchaus Analogien zu real existierenden Systemen, zum Beispiel in China, ziehen), muss man sich manchmal Schlupflöcher schaffen. Eines der interessantesten Werkzeuge, auf die Foster bald zurückgreifen kann, ist deshalb ein Hacking-Tool, mit dem er die interne Logik der diversen Maschinen manipulieren und sogar Anweisungen von Gerät zu Gerät übertragen kann. Doch keine Angst, man braucht keine Ausbildung zum Programmierer um diese Rätsel zu lösen – tatsächlich könnte man dem Tool sogar vorwerfen, dass es fast zu eingeschränkt ist. Wir können nämlich nicht die grundsätzliche Logik des Programms verändern – eine Verzweigung mit Bedingung wird immer eine Verzweigung mit der vorgegebenen Bedingung bleiben. Allerdings können wir innerhalb dieser festgelegten Programmstrukturen einige „Anpassungen“ vornehmen. Ein Beispiel: Eine Tür öffnet sich laut ihrem Programm, wenn wir eine Berechtigung haben, aber nicht, wenn wir diese nicht haben. Dank Hacking-Tool können wir die beiden Zustände vertauschen, sodass sich die Tür ausschließlich für Leute OHNE Berechtigung öffnet. Diese Puzzles bringen eine nette Abwechslung zu den normalen Rätseln, allerdings wiederholen sich die Muster dann doch etwas zu oft, um sich über die gesamte Spielzeit frisch anzufühlen. Das macht aber nichts, denn im Ausgleich kann man dafür ab und an Chaos anrichten, das gar nichts mit der Lösung zu tun hat, sondern nur Spaß macht …

The Story so far …

Bei einem Sequel – vor allem bei einem, dessen erster Teil so weit zurück liegt – stellt sich natürlich sofort die Frage: Muss man das Original kennen? Die Antwort darauf muss man in diesem Fall etwas zwiespältig beantworten. Erstens mit „Nein“: Grundsätzlich erzählt das Spiel seine eigene Geschichte und schließt die wichtigsten Wissenslücken, ohne ins Detail zu gehen. Zweitens aber auch mit „Ja“: Es handelt sich ganz klar um ein Sequel, das die Ereignisse des ersten Teils als Ausgangspunkt nimmt, und es gibt einige nostalgische Momente und Story-Beats, die darauf bauen, dass man als Spieler das Original kennt und einen Bezug zu den jeweiligen Figuren oder auch Objekten hat. Kennt man diese nicht, fühlen sich die entsprechenden Momente deutlich weniger gewichtig an. Solltet ihr das volle Beneath/Beyond a Steel Sky-Erlebnis haben wollen, ist es zum Glück allerdings relativ einfach, diese Wissenslücken zu schließen: Auf GOG gibt es das Original-Spiel gratis in seinem ganzen Retro-Charme, alternativ gibt es für iOS eine überarbeitete Remastered-Version für kleines Geld.

 

Fazit

Wertung - 8

8

gutes Sequel, aber kein Klassiker

Beneath A Steel Sky gehört (wie sein Vorgänger Lure of the Temptress) zu meinen wichtigen Adventure-Erinnerungen der Amiga-Ära, auch wenn ich es schon jahrelang nicht mehr gespielt habe. Es war deshalb für mich äußerst spannend, nach all der Zeit nach Union City zurückzukehren, denn auch wenn nicht mehr jedes Detail in meinem Kopf war, kamen nach und nach viele Erinnerungen an damals zurück. Man muss Beyond A Steel Sky auf jeden Fall zugutehalten, dass es trotz neuer Optik so viel Nostalgie als auch Flair und Humor des Originals zurückbringt, aber dennoch für Neulinge zugänglich bleibt. Auch auf der Adventure-Seite war ich durchaus positiv überrascht: Eine gute Länge für das Genre (rechnet je nach persönlichem Tempo mit neun bis zwölf Stunden beim ersten Anlauf) und interessante Puzzles stehen ebenso auf der Habensseite wie das interessante Hacking, das sich allerdings im Laufe des Spiels dann doch ein wenig wiederholt. Minuspunkte gibt es vor allem für ein paar (Grafik-)bugs, die uns in einem Fall sogar dazu zwangen, einen früheren Spielstand zu laden. Allerdings wurde uns versprochen, dass hier bis zur Releaseversion noch einiges ausgemerzt wird, Auch tendenziell eher auf der Minusseite: So amüsant der Ausflug von Foster nach Union City ist und so interessante Gedankengänge zu Themen wie „Identitätsdiebstahl“ oder „Überwachungsstaat“ die Story auch aufwirft, so ist gerade der Hauptbogen der Handlung dann doch ein wenig farblos und lässt die Dringlichkeit manchmal vermissen. Gesamt bleibt dennoch ein eindeutiges Fazit: 26 Jahre nach dem Original haben die neuen Abenteuer von Robert Foster zwar vielleicht nicht ganz das Potenzial zum Kultklassiker wie das Original, aber für ein gelungenes Adventure, das Comic-3D-Optik mit Point&Click-Gameplay vermischt, reicht es allemal. Wer Foster und Joey damals schon geliebt hat, sollte sich auf jeden Fall in dieses Abenteuer stürzen. Alle anderen dürfen aber auch einen Blick riskieren (und dann vielleicht den Klassiker nachholen).

Genre: Adventure
Entwickler: Revolution
System: PC, Apple Arcade (iOS, iPad OS, Mac)
Erscheint: erhältlich

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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