Dass der Band „Asterix und Kleopatra“ einen besonderen Stellenwert in der deutschen Veröffentlichung einnimmt, habe ich bereits in einem vergangenen Review-Special erwähnt und sogar teilweise erklärt. Aber darüber hinaus gibt es noch wesentlich mehr, und vor allem Witzigeres über dieses Abenteuer zu erfahren.
Bevor ein neues Abenteuer für Asterix entstehen sollte, so erklärte Albert Uderzo einmal, trafen sich die beiden kreativen Köpfe hinter den beiden Galliern bei ihm oder Goscinny. Sie wälzten Geschichtsbücher, besannen sich auf Reiseerlebnisse oder beobachteten einfach die aktuellen Geschehnisse. Und dies solange, bis sie glaubten, genug Stoff für ein Abenteuer zusammenzuhaben. Im Fall von Asterix und Kleopatra war es vorrangig der Film „Cleopatra“ von Regisseur Joseph L. Mankiewicz mit Elizabeth Taylor, ihrem späteren Mehrfachehemann Richard Burton und Rex Harrison in den Hauptrollen. Auch das Coverdesign des Albums wies auffällige Parallelen zum Film auf. Neben der Ähnlichkeit mit dem Bild, auf dem mit Asterix, Obelix und Kleopatra das Beziehungsverhältnis zwischen den Hauptfiguren dargestellt wird, sind auch in Anlehnung an die Credits die „Mitwirkenden“ an diesem Band aufgezählt. So prangt auf dem Cover der Hinweis: „14 Liter Tusche, 30 Pinsel, 62 weiche Bleistifte, 1 harter Bleistift, 27 Radiergummis, 38 Kilo Papier, 16 Farbbänder, 2 Schreibmaschinen und 67 Liter Bier waren zu seiner Verwirklichung notwendig“. In all diesen Punkten gleicht das Cover dem Originalfilmplakat des Monumentalstreifens mit Taylor, Burton und Harrison.
Und so kam es, dass Goscinny in einer humorvollen Selbstkarikatur im Pilote 214 überschwänglich verkündete: „Vous verrez toute la splendeur de L´Ancienne egypte! Des scènes de Bataille sensationelles! Avec des milliers de figurants! Des dècors grandioses! Des …“ (auf Deutsch in etwa: „Wir zeigen ihnen den Glanz des alten Ägypten! Gewaltige Schlachtszenen! Tausende von Teilnehmern! Monumentale Schauplätze! Sensationelle …“), was wiederum mit einem ungläubigen „Toc!, Toc!, Toc!“ und entsprechender Handbewegung von Uderzo kommentiert wird. Goscinny wusste, dass es niemand Besseren gab, um diese Ideen visuell umzusetzen. Immerhin sagte er anerkennend zum Talent seines Freundes: „Er kann einfach alles zeichnen, selbst eine Tintenfischschlacht in Johannisbeermarmelade“.
Wie schon die vorangegangenen Bände strotzt auch dieser wieder von dem für Goscinny und Uderzo typischen Humor. Beginnend mit der etwas anderen Charakterisierung der Königin Kleopatra, bei der trotz aller Feinheiten vor allem eines heraussticht: ihre hübsche Nase. Trotz der Tatsache, dass diese Anmerkung häufig fällt, nutzt sie sich nicht ab. Im Gegenteil. Nimmt man diese Info am Anfang noch als reine Information zur Charakterisierung wahr, entwickelt sich so sehr schnell ein Running Gag. Ähnlich verhält es sich mit der ägyptischen Sprache. Diese ist im Falle von Asterix und Kleopatra keinesfalls als echte Sprache und deren Schriftzeichen anzusehen. Zwar bedient sich Uderzo den typischen Schriftzeichen, doch er interpretiert sie als reine Bildersprache. So kann man auch als Nichtägypter problemlos erkennen, was gemeint ist. Und wenn es doch einmal problematisch wird, helfen übersetzte Dialoge um den Gesprächen zu folgen.
Es gibt noch viel mehr in diesem sechsten Abenteuer der beiden Gallier zu entdecken, aber auf diese gehe ich im folgenden Review ein …
Asterix und Kleopatra
[Egmont, 1969]
Kleopatra und Cäsar liegen sich in den Haaren, da das römische Oberhaupt behauptet, dass die Ägypter ihren Glanz und Prunk vergangener Tage verloren haben und nur noch dekadent seien. Dies kann Kleopatra nicht auf sich sitzen lassen und wettet mit Cäsar, dass sie es schaffen würde, innerhalb von drei Monaten einen prunkvollen Palast für ihn erbauen zu lassen. Für die Umsetzung dieses tollkühnen Planes ist Numerobis, ein alter Freund von Miraculix verantwortlich. Doch dieser sieht sich mit einer unlösbaren Aufgabe konfrontiert und so bittet er seinen gallischen Freund um Hilfe. Sogleich macht sich Miraculix in Begleitung von Asterix, Obelix und Idefix auf den Weg nach Ägypten. Dort erwarten sie jedoch nicht nur Architektur und Personalprobleme, sondern auch ein hinterlistiger Erzfeind und Gegner von Numerobis, Pyradonis. Dieser scheut keine Kosten und Mühen, um seinen Widersacher vor der Königin Kleopatra schlecht dastehen zu lassen. Aber Asterix und seine Freunde sind nicht auf den Kopf gefallen und stellen sich allen Problemen mutig entgegen. Aber wird die Zeit reichen, sich zur Wehr zu setzen und den Palast zu errichten …?
René Goscinny und Albert Uderzo nehmen den Leser mit auf eine Reise in das Land der Pharaonen, der Könige, der Geschichte und von sehr viel Sand. Dabei inszenieren sie nicht nur einen visuell beeindruckenden Reisebericht, sondern erzählen fast schon nebenbei, ein dramatisches und dennoch witziges Abenteuer. Ganz im Stile der vergangenen Bände nehmen Goscinny und Uderzo kein Blatt vor den Mund, um auch die Missstände anzuprangern. So lassen sich die ohnehin schon unzufriedenen Arbeiter sehr leicht von Numerobis‘ Gegner aufwiegeln. Zu allem Ãœberfluss will auch Cäsar seine drohende Niederlage nicht tatenlos hinnehmen. Aber um dieses Problem kümmert sich ein neuer Held. Denn mit diesem Band hat Idefix seinen ersten offiziellen Auftritt unter diesem Namen. War er im letzten Abenteuer noch ein namenloser Begleiter der beiden Gallier, ist er hier bereits eine feste und vor allem auch wichtige Figur im Kader der tapferen Gallier.
Nicht Idefix stellt eine Besonderheit in diesem Band dar, sondern auch die Tatsache, dass Obelix hier erstmalig, und auch danach nie wieder, ganze drei Tropfen vom Zaubertrank erhält. Am Anfang versucht er sich noch einen Löffel zu erschleichen, indem er sich unter die Ägypter mischt, die mithilfe des Zaubertrankes ihre Arbeitsgeschwindigkeit verbessern sollen. Doch dies schlägt leider fehl. Dafür bekommt er dann aber, als die drei Gallier in einer Pyramide eingesperrt sind, die einmalige Chance von Miraculix‘ Wundergebräu zu kosten.
Auch visuell hat Uderzo wirklich alles gegeben, um das Abenteuer der Gallier ansprechend in Szene zu setzen. Albert Uderzo bedient sich dabei aber erneut bei dem Monumentalfilm Cleopatra und ließ sich von den beeindruckenden Kulissen inspirieren. Besonders deutlich wird dies bei dem Falkenthron und dem wirklich monumentalen Sphinxthron, welche beide auch in besagtem Film Verwendung fanden. Fast schon nebensächlich wird auch gleich die, nicht ganz ernst gemeinte, Erklärung geliefert, warum die Nase der Sphinx nicht mehr an ihrem Platz ist. Nach der Idee von Goscinny schickt Uderzo seinen wohlproportionierten Obelix auf eine Klettertour auf den Kopf der Sphinx, wobei deren Nase dem Gewicht des korpulenten Helden nicht gewachsen scheint.
Besondere Mühe hat er sich bei der Umsetzung der ägyptischen Sprache gegeben. Getreu der Aussage von Numerobis‘ Sekretär „Wer zeichnen kann, der kann auch schreiben“ bedient sich Uderzo bekannten Symbolen, um hiermit eine humorvolle und dennoch nachvollziehbare Bildsprache zu entwerfen.
FAZIT:
Mit Asterix und Kleopatra liefern René Goscinny und Albert Uderzo einen fast schon zeitlosen Klassiker ab, der nicht umsonst auch filmisch umgesetzt wurde. Ein spannendes Abenteuer mit sehr viel Humor wird mit imposanten Bildern präsentiert. Dazu kommen noch Running Gags, die sich spätestens ab dieser Ausgabe als feste Größe etabliert haben, wie das regelmäßige Aufeinandertreffen der Gallier mit den Piraten oder Troubadix‘ Versuche ein Liedchen zu schmettern. Aber auch Obelix‘ unkonventionelle Art Türen zu öffnen kommt erneut und vermehrt zum Einsatz.
Kurzum gesagt, ist Asterix und Kleopatra nicht nur für Fans der gallischen Abenteuerer ein Muss. Jeder, der sich auch nur am Rande mit Comics beschäftigt, sollte sich diese Ausgabe zu Gemüte führen. Erst recht, oder auch selbst wenn, er oder sie, bisher nur den gleichnamigen Animationsfilm kennt. Denn auch wenn man den Film bereits auswendig kennt, gibt es nach wie vor Dinge in diesem Band zu entdecken, die so im Film nicht verarbeitet wurden und auch umgekehrt.
(Thomas Mülbradt)
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