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Asterix Review Special (26): Die Odyssee

So traurig, wie es klingen mag, aber unter René Goscinny hätte es niemals ein Asterix-Abenteuer im Gelobten Land gegeben. Der Grund hierfür liegt in Goscinnys Vergangenheit. Renés Vater Stanislas wurde in Polen geboren und seine Mutter Anna in Beresniak in Russland. Beide lernten sich jedoch 1919 in Paris kennen und heirateten kurz darauf. Einige Jahre später, genaugenommen am 14. August 1926 kam dann ihr zweiter Sohn René auf die Welt. Doch Goscinny selbst hatte Probleme mit seiner jüdischen Herkunft sagte später über sich selbst: „Meine Vorfahren sind die Gallier, eindeutig, ich habe keine anderen!“

Jerusalem aus der Feder von Uderzo.

Ein Grund für dieses Verhalten war auch die Tatsache, dass Goscinny, wie viele andere Juden auch, in den Konzentrationslagern des 2. Weltkrieges viele Angehörige verlor. Zwar war sich Goscinny seiner Herkunft bewusst, aber er konnte einfach keine Geschichten über seine Wurzeln, oder das gelobte Land schreiben. Selbst als er von der Regierung Israels eingeladen wurde das Land zu besuchen, um es in einem Asterix-Abenteuer zu verwenden. Er hatte Angst, dass man ihm aufgrund seiner Herkunft Propaganda vorwerfen würde. Nach Goscinnys Tod gab es für Albert Uderzo allerdings keinen Grund mehr, sich diesem Thema zu verweigern. Zwar wurde er nicht nach Israel eingeladen, aber gemeinsam mit seiner Frau und Tochter, sowie Renés Witwe Gilberte unternahm er trotzdem einen Ausflug in das Gelobte Land.

Goscinny verabschiedet sich.

Und so erscheint im Herbst 1981 das 26. Abenteuer „L´Odyssee d´Asterix“. Bereits im Vorwort gibt es das erste Anzeichen, für wen dieser Band gedacht ist. Dort steht im Inneteil „à René“ („Für Rene“), aber dabei belässt es Uderzo nicht. Im Gelobten Land treffen Asterix und Obelix mit dem kleinen Idefix auf den Gehilfen des jüdischen Händlers Samson Himmelschorus (dessen ursprünglicher Name sich später als „Rosenblumenthalowitsch“ herausstellt), welcher auf den Namen Saul Nizahle (im Original Saül Péhye, abgeleitet vom französischen „ca eut payé“ was „das hätte sich bezahlt gemacht“ bedeutet) und der merkliche Züge seines alten Freundes René trägt und den er außerdem noch mit einem Palmzweig ausstattet. Dieser ist im jüdischen ein Wahrzeichen für den rechtschaffenden Menschen und steht außerdem noch für die Unsterblichkeit. Doch damit noch nicht genug. Er legt seinen Figuren außerdem sehr bedeutungsschwangere und durchaus mehrdeutige Worte in den Mund. Obelix sagt während seiner Reise zum Toten Meer, zu dem sie Saul führen soll: „Es schmerzt mich doch sehr…“ und auch Saul hat nachdenkliche Worte zu verkünden. Als er Obelix und Asterix alleine weiterziehen lässt, verabschiedet er sich mit den Worten: „Ich muss euch verlassen …“

Der deutsche Band (Zum ersten Mal stehen Asterix und Obelix gleichberechtigt nebeneinander auf dem Cover) und die dazugehörige Werbung für den 26. band samt Backlist.

Trotz, oder vielleicht gerade deswegen sagte Uderzo zu diesem Abenteuer, dass es ihm leichter fiel, es zu schreiben, als es seinem langjährigen Freund und Weggefährten jemals möglich gewesen wäre.
Nachdem der Band im Herbst 1981 in Frankreich veröffentlicht wurde, publizierte ihn der Ehapa Verlag zu Beginn des Jahres 1982 und schaltete wie schon bei den vorangegangenen Alben eine großformatige Anzeige um nicht nur auf den Band, sondern auch die bereits erhältliche Backlist hinzuweisen.

Die Odyssee
[Egmont, Januar 1982]

Miraculix ist am Boden zerstört. Sein Steinöl ist alles und der Händler Epidemais hat leider auch kein neues mitgebracht. Doch dieses braucht Miraculix dringend für neuen Zaubertrank, denn ohne dies ist das Dorf der Willkür und Macht von Cäsar ausgeliefert. Der hat nämlich inzwischen einen neuen Plan und lässt einen Geheimagenten in das Dorf schicken. Der Druidenspion NullNullSix soll die Gallier nicht nur ausspionieren, besonders das Geheimnis um den Zaubertran, sondern am Besten auch sabotieren. Um an neues Steinöl zu kommen, müssen Asterix und Obelix nun nach Mesopotamien und dafür nehmen sie NullNullSix gleich mit. Doch ausgerechnet dank dem ist Cäsar immer bestens informiert und lässt alles Steinöl vernichten. Es wird eng für Asterix und sein Heimatdorf, denn ohne Zaubertrank wird ihnen nicht nur der Himmel auf den Kopf fallen …

DIE SPINNER!, Ein Running Gag entsteht.

Mit dem zweiten Band steigerte sich Albert noch ein ganzes Stück, wenngleich das Ende des Bandes unter den Fans viel diskutiert wird. Denn dieser führt die reise eigentlich ad absurdum. Doch wenn man ehrlich ist, unterscheidet dies „Die Odyssee“ auch von den bisherigen Abenteuern. Immerhin nimmt Uderzo hier die Ölknappheit der siebziger Jahre auf die Schippe und formt darum ein sehr gelungenes Abenteuer mit einem gewissen Seltenheitswert. Denn nicht nur die Knappheit und die daraus resultierende erhöhte Nachfrage, mitsamt Preissteigerung lässt er einfließen, sondern auch die erste Ölpest der Geschichte im Meer vor Aremorica, welche ein Seitenhieb auf das Unglück des Tankers Amoco Cadiz von 1978 vor Bretagne ist. Das bereits angesprochene Ende, in dem der zuerst so unglückliche Miraculix statt des Steinöls (lat. Petrae oleum) als Ersatz Rübensaft nutzt, ist eine kleine aber sehr ausgefeilte geschichtliche Anekdote. Immerhin wird der Rübenkohl nicht nur als Gemüse oder Futterpflanze verwendet. Schon seit der Bronzezeit wird daraus auch Öl gewonnen.
Einen weiteren ganz besonderen Gag stellt Uderzo auf mehr als drei Seiten dar, als er die Reichsbildung des antiken Mesopotamiens aufs Korn nimmt. Die teilweise sehr wirren Machtkämpfe unter den Hethitern, Assyrern, Sumerern, Medern und Akkadern, zwischen deren Fronten die tapferen Gallier geraten zeigen, wie kriegerisch die damaligen Völker untereinander umgegangen sind.

Die erste Ölpest und das Treffen mit den verschiedenen Völkern in Mesopotamien.

Neben sagenhaft wunderschönen Landschaftsbildern bietet Uderzo gewohnt bekannte, teils satirische, Anspielungen auf Gegenwärtiges und Vergangenheit. So bezieht er sich nicht nur sinngemäß mit der Aussage „Uns mangelt nichts im Angesicht unserer Feinde!“ Astrix‘ auf die Verse 1 und 5 des 23. Psalms des Lukas-Evangeliums und deren biblischer Darstellung der Geburts Jesus‘. Auch optisch orientiert er sich mit der Darstellung des kargen Stalles an der heute bekannten traditionellen Vorstellung der Weihnachtsgeschichte.
Und dann wäre da noch die Rolle des römischen Prokurators in Judäa, Pontius Penatus, den Uderzo an den bekannten französischen Schauspieler Jean Gabin anlehnte, und welcher eine Anspielugn an den Statthalter Judäas von 26 bis 36 nach Christus, Pontius Pilatus, darstellt. Das Uderzo ausgerechnet Gabin wählte liegt an der Begebenheit, dass dieser in einem seiner frühen und bekanntesten Filme „Das Kreuz von Golgotha“ (1935) eben jenen Pilatus verkörperte.
Wo wir gerade bei Filmen sind, sei auch gleich der an den bekannten schottischen Darsteller Sean Connery angelehnte Agent und Spion NullNullSix erwähnt, welcher viele Jahre die von Ian Lancaster Fleming geschaffene Figur des James Bond 007 zum Leben erweckte. Inklusive der bekannten technischen Gagdets, welche sich in diesem Band in Form von einem wandelbaren Streitwagen des Agenten wiederfindet und auch die allseits beliebten Bondgirls werden nicht verschont. Allerdings fällt deren Rolle etwas kleiner aus. Viel kleiner, um genau zu sein. Denn als sich immer wieder in den Agenten verliebende Geschöpfe werden diese hier als kleine Fliege dargestellt und fungieren auch gleich noch als Übermittler von geheimen Botschaften, welche als Mikropapyrus schnellstmöglich übermittelt werden sollen.
Neben Sean Connery und Jean Gabin gibt es aber auch noch den französischen Schauspieler Bernard Blier zu bewundern, der als Chef von Cäsars Geheimpolizei Gaius Musencus und somit NullNullSix direkter Vorgesetzter auftritt zu sehen.

Die wohlbekannte Krippe aus der Weihnachtsgeschichte (oben links),
Bernard Blier mit Sean Connery (oben rechts) und Jean Gabin (unten)

Was dieses Abenteuer für mich jedoch zu einer wirklichen Besonderheit macht, ist die für Asterixverhältnisse erstmalige Interaktion der Figuren mit dem Medium Comic und dem Leser. Nicht nur, dass sie mit dem Leser sprechen (Seite 5, Panel 4), sie reagieren auch auf die Textboxen (Seite 19 letztes Panel). Dadurch wurde erstmals in einem Asterix-Comic die sogenannte vierte Wand durchbrochen, wodurch den Comicfiguren eine Interaktion mit dem Leser augenscheinlich ermöglicht wurde. Etwas, was unter anderem Deadpool zu seinem Siegeszug verhalf und eine inzwischen sehr gerne eingesetzte Methode ist. Und dann wäre da noch der Gag mit den Wildschweinen, welche erstmals mehr als nur wortlose Protagonisten sind. Uderzo beschreitet mit diesem Band neue Wege, und dies sogar sehr gelungen und erfolgreich. Immerhin kann „Die Odyssee“ den Erfolg von „Der grosse Graben“ noch überflügeln.

Breakin‘ The Fourth Wall.
Links und rechts sprechen NullNullSix und Asterix mit dem Leser und in der Mitte reagiert Obelix auf die untere Textbox.

Copyright aller verwendeten Bilder © 1981-2015 Les Edition Albert/René / Egmont

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